PresseKat - Erklärung des Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker zum Tod von Altbundeskanzler Helmut Kohl

Erklärung des Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker zum Tod von Altbundeskanzler Helmut Kohl

ID: 1500631

(ots) - Die Nachricht vom Tod des früheren Bundeskanzlers
und meines engen Freundes Helmut Kohl hat mich tief getroffen. Er
wird uns fehlen, denn er war Europa und mir persönlich ein echter
Vertrauter und Verbündeter. Er hat mich persönlich auf allen
europäischen Wegen geleitet und begleitet.

Helmut Kohl hat das europäische Haus mit Leben erfüllt, nicht nur,
weil er Brücken nach Westen wie nach Osten gebaut hat, sondern auch,
weil er niemals aufgehört hat, noch bessere Baupläne für die Zukunft
Europas zu entwerfen. Er hat damit immer die historische Bedeutung
gesehen - auch im perspektivischen Sinne des Wortes.

Ohne Helmut Kohl gäbe es den Euro nicht. Er hat von Anfang an
erfasst, welche politische und wirtschaftliche Bedeutung, welchen
unschätzbaren Wert und welche Strahlkraft eine einheitliche Währung
für unseren Kontinent hat. Für ihn wie für seinen engsten
Weggefährten François Mitterrand war Europa immer ein
Friedensprojekt. Ungeachtet welches politische Thema der
Altbundeskanzler angepackt hat: Er hat nie vergessen, dass das
europäische Projekt diesen Kontinent nach den Weltkriegen gerettet
hat. Für ihn war es also nicht nur eine Frage des Wohlstands, sondern
auch und vor allem eine Berufung, gemeinsam Verantwortung für die
Zukunft zu übernehmen. Als Helmut Kohl die Schlachtfelder von Verdun
besuchte und in einer rührenden Geste seine Freundschaft zum
französischen Präsidenten zeigte, war das für ihn keine
Symbolpolitik, sondern Ausdruck seiner Mission. Er betonte daher auch
in seiner Dankesrede für den Karlspreis, den er zusammen mit François
Mitterrand erhalten hatte, dass die Gemeinsamkeit von Franzosen und
Deutschen auch Voraussetzung, Grundlage und bleibender Antrieb für
den europäischen Einigungsprozess sei.

Die deutsche Einheit, die ihm wie keinem anderen zu verdanken ist,




hat er stets als Teil des europäischen Projekts verstanden. Das
erklärt auch, warum er, wenn er die Wahl hatte zwischen nationalem
Durchmarschieren oder europäischem Gleichklang, stets die europäische
Karte gezogen hat. Dabei war er immer ganz besonders aufmerksam für
die Befindlichkeiten und Interessen kleinerer Länder. Das alles
entsprach seiner Grundhaltung, die auch meine ist, dass der Austausch
und der politische Ausgleich, den einzigartigen Gewinn und besonderen
Zauber Europas ausmachen. Dass Helmut Kohl diese Haltung auch dann
vertreten hat, wenn es gerade nicht populär war, sollte uns ein
Auftrag sein.

Helmut Kohl war ein großer Europäer und ein sehr guter Freund.
Ersteres ist eine objektive Feststellung, letzteres sehr persönlich.
Er war mein Förderer - ein lieber Mensch, der hineinhören konnte in
das Leben anderer, der auch mal ohne parteipolitische Brille in die
Welt schaute, der viel Humor hatte. Als Politiker vermochte er es,
den Menschen Politik näher zu bringen, auch weil bei ihm Reden und
politische Taten zusammenfanden. Ich bin stolz, ihn gekannt zu haben.
Ich wünsche uns heute den gleichen Mut, Geduld und Entschlossenheit,
um so unerschütterlich wie Helmut Kohl die europäischen
Herausforderungen anzugehen. Uns verband und verbindet auf immer die
gemeinsame Vision für Europa, unsere beider Herzensangelegenheit. Mir
ist es daher politischer wie persönlicher Wunsch, daran mitzuwirken,
dass sein Traum von Europa in Erfüllung geht.

Nur drei Menschen, Jean Monnet, Jacques Delors und Helmut Kohl
haben für ihre Verdienste für die europäische Zusammenarbeit die
Ehrenbürgerschaft Europas erhalten. Ich denke, das spricht für sich
und macht unseren Verlust heute umso größer - politisch wie
menschlich. In Gedenken an Helmut Kohl habe ich deshalb die
Europaflaggen vor den europäischen Institutionen auf Halbmast setzen
lassen.

Meine Gedanken sind bei den Menschen in Deutschland und vor allem
bei denen, die ihm nahe standen.



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