(ots) - Eine sehr große Mehrheit der Bevölkerung in
Deutschland (90 Prozent) sieht in einem ausreichenden Zugang von
Flüchtlingskindern und ihren Familien zu Angeboten der
Sprachförderung den größten Handlungsbedarf bei der Integration in
Deutschland. Sehr großer Handlungsbedarf wird zudem für den
ausreichenden Zugang von Flüchtlingskindern zu
Kindertageseinrichtungen und Schulen gesehen (74 Prozent). Das gilt
auch für die kindgerechte und sichere Unterbringung von
Flüchtlingskindern mit ihren Familien in Wohngegenden, die Kontakte
zu einheimischen Familien ermöglichen (74 Prozent). Und auch beim
kostenfreien Zugang von Flüchtlingskindern zu Freizeitaktivitäten,
beispielsweise Sportvereinen, bei denen sie andere Kinder
kennenlernen können, wird überwiegend (67 Prozent) Handlungsbedarf
gesehen. 42 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass
Flüchtlingskinder sofort die gleichen Möglichkeiten haben sollten wie
in Deutschland geborene Kinder, gegenteiliger Auffassung sind 52
Prozent. In der Frage des Familiennachzugs zeigen sich die Befragten
gespalten: 42 Prozent sprechen sich dafür aus, dass Flüchtlingskinder
die Möglichkeit haben sollten, ihre Eltern und ihre minderjährigen
Geschwister nach Deutschland nachzuholen und ebenfalls 42 Prozent
meinen, dass diese Möglichkeit nicht bestehen sollte. Zu diesen
Ergebnissen kommt eine repräsentative Umfrage des
Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag des Deutschen
Kinderhilfswerkes anlässlich des Weltflüchtlingstages am 20. Juni.
Besonders große Unterschiede gibt es bei den Befragten
hinsichtlich des Handlungsbedarfs bei der Integration beim
ausreichenden Zugang zu Kitas und Schulen. Hier sehen die Befragten
aus Westdeutschland (76 Prozent) deutlich häufiger als Befragte aus
Ostdeutschland (61 Prozent) einen sehr großen oder großen
Handlungsbedarf. Signifikante Unterschiede gibt es auch hinsichtlich
der Frage einer sicheren und kindgerechten Unterbringung: Hier sehen
75 Prozent der Befragten aus Westdeutschland, aber nur 67 Prozent der
Befragten aus Ostdeutschland sehr großen oder großen Handlungsbedarf.
Besonders groß sind die Unterschiede bei dieser Frage auch bei den
befragten Männern (67 Prozent) und Frauen (80 Prozent). Beim Blick
auf die Anhängerschaft der aktuell wichtigsten politischen Parteien
zeigt sich ein sehr differenziertes Bild: Während in allen
abgefragten Integrationsbereichen (Sprache, Kitas und Schulen,
Wohnraum, Freizeitaktivitäten) bei den Anhänger/innen von CDU/CSU,
FDP, Grünen, Linken und SPD sehr große Mehrheiten entsprechende
Handlungsbedarfe sehen, verneinen mit Ausnahme der Sprachförderung
die AfD-Anhänger/innen in den anderen Bereichen diese Frage.
"Gerade bei der Integration von Flüchtlingskindern haben wir in
Deutschland in den letzten zwei Jahren große Fortschritte gemacht.
Darauf dürfen wir uns aber nicht ausruhen, sondern müssen die
notwendigen Integrationsmaßnahmen nicht nur weiterführen, sondern
verstärken. Das schnelle Erlernen der deutschen Sprache,
Bildungsintegration über einen ungehinderten Zugang zu
Kindertageseinrichtungen und eine Schulpflicht für alle
Flüchtlingskinder von Anfang an, und zwar unabhängig von der
Bleibeperspektive, sind hier Schlüsselfaktoren. Vielerorts ist der
schnelle Bildungszugang jedoch derzeit aufgrund fehlender rechtlicher
Grundlagen oder fehlenden Kapazitäten noch nicht gewährleistetet.
Dabei kann eine gute Bildung schon für Kita-Kinder die
Chancengleichheit in unserer Gesellschaft befördern und
herkunftsbedingte sowie soziale Unterschiede am besten ausgleichen.
Schulen, Sprachlerneinrichtungen und Vorbereitungskurse müssen für
die Kinder aber auch tatsächlich zugänglich sein, diese müssen also
örtlich erreichbar und durch entsprechende Verkehrsmittel angebunden
sein. Gleichzeitig sollte eine Ausstattung der Kinder mit Fahrtickets
und ausreichend Lernmitteln gewährleistet werden. All das kann am
besten durch ein Integrationsgesetz sichergestellt werden, das die
Integration insbesondere von Flüchtlingskindern und ihren Familien
sowie ihre Teilhabe und Partizipation an unserer Gesellschaft
befördert", betont Thomas Krüger, Präsident des Deutschen
Kinderhilfswerkes. "Integration auf Augenhöhe bedeutet immer, die
Menschen zu beteiligen. Dies gilt für Erwachsene wie Kinder
gleichermaßen. Dies beginnt bei der Mitbestimmung über Schutzkonzepte
in Erstaufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften, schließt
die freie Wahl des Wohnortes ein und geht bis hin zu einer nachhaltig
ausgerichteten Demokratiebildung in Schule und Kita, um Kindern und
Jugendlichen das Wissen um unsere demokratische Gesellschaft zu
vermitteln und Möglichkeiten für demokratisches Engagement erlebbar
zu machen", so Krüger weiter.
Dass Flüchtlingskinder sofort die gleichen Möglichkeiten haben
sollten wie in Deutschland geborene Kinder, meinen 42 Prozent der
Befragten. 52 Prozent hingegen sind der Auffassung, dass man den
Flüchtlingskindern nicht sofort die gleichen Möglichkeiten wie in
Deutschland geborenen Kindern bieten kann. 6 Prozent haben dazu keine
Meinung. Damit ist die Zustimmungsrate zu dieser Frage in den letzten
beiden Jahren, in denen für das Deutsche Kinderhilfswerk
entsprechende repräsentative Daten erhoben worden sind, deutlich
gefallen. Positiv stehen der Forderung nach gleichen Möglichkeiten
von Anfang an derzeit insbesondere die 14- bis 29-Jährigen (58
Prozent) gegenüber, ebenso diejenigen, in deren Haushalt Kinder
wohnen (48 Prozent) sowie die befragten Frauen (46 Prozent). Beim
Blick auf die Anhängerschaft der aktuell wichtigsten politischen
Parteien zeigt sich wiederum ein sehr differenziertes Bild: Es
meinen, dass Flüchtlingskinder sofort die gleichen Möglichkeiten
haben sollten, wie in Deutschland geborene Kinder, 69 Prozent der
Anhänger/innen der Grünen, 54 Prozent bei der SPD, 48 Prozent bei der
Linken, 44 Prozent bei der CDU/CSU und 33 Prozent bei der FDP. Bei
den AfD-Anhänger/innen liegt dieser Wert bei null Prozent.
"Diese Zahlen sind aus kinderrechtlicher Sicht ein deutliches
Warnsignal. Die vor einem Jahr noch überwiegend positive Haltung
gegenüber den Bedürfnissen von Flüchtlingskindern in Deutschland hat
sich verschlechtert. Für uns ist ganz klar: Nach der
UN-Kinderrechtskonvention, die in Deutschland geltendes Recht ist und
für alle Kinder unabhängig von Herkunft und Aufenthaltsstatus gilt,
haben alle Kinder die gleichen Rechte. Deshalb sehen wir in den
Umfragewerten einen klaren Handlungsauftrag für eine
Bildungsoffensive in Sachen Kinderrechte. Zugleich müssen wir den
Menschen auch in Zeiten des Wahlkampfs die Sorgen und Ängste nehmen,
dass einheimische Kinder darunter leiden, wenn Flüchtlingskinder, die
in Deutschland leben, von Anfang an die gleichen Rechte und
Möglichkeiten haben. Nächstenliebe darf nicht an der geschürten und
unbegründeten Angst scheitern, die Herausforderungen durch den Zuzug
von geflüchteten Kindern nicht bewältigen zu können. Im Gegenteil
muss klar sein: Der Zuzug dieser Kinder kann unser Land bereichern,
insbesondere auch in Zeiten des demographischen Wandels. Für uns als
Kinderrechtsorganisation sind gleiche Rechte und Möglichkeiten ein
wesentlicher Grundpfeiler einer gelingenden Integration und einer auf
demokratischen Grundwerten und Menschenrechten basierenden
Gesellschaft. Flüchtlingskinder sind in erster Linie Kinder und
brauchen von Anfang an eine Zukunftsperspektive", sagt Thomas Krüger.
In der Frage, ob Flüchtlingskinder die Möglichkeit haben sollten,
ihre Eltern und ihre minderjährigen Geschwister nach Deutschland
nachzuholen, zeigen sich die Befragten gespalten: 42 Prozent sprechen
sich für diese Möglichkeit aus und ebenfalls 42 Prozent meinen, dass
diese Möglichkeit nicht bestehen sollte. 16 Prozent haben dazu keine
Meinung. Positiv stehen einem Familiennachzug insbesondere die 14-
bis 29-Jährigen (57 Prozent) und die 30- bis 44-Jährigen (52 Prozent)
gegenüber, ebenso diejenigen mit Kindern im Haushalt (51 Prozent).
Beim Blick auf die Anhängerschaft der aktuell wichtigsten politischen
Parteien zeigt sich das gewohnt sehr differenzierte Bild: Die größte
Unterstützung für einen Familiennachzug äußern die Grünen- und
SPD-Anhänger/innen (55 bzw. 53 Prozent) sowie die
Linke-Anhänger/innen (49 Prozent), während Unions- und
FDP-Anhänger/innen (44 bzw. 37 Prozent) deutlich skeptischer sind.
Die Anhänger/innen der AfD lehnen fast alle diese Möglichkeit ab, nur
3 Prozent sind dafür.
"Wenn Kinder mehrere Jahre zwangsweise ohne ihre Eltern
aufwachsen, ist das eine menschenrechtliche Katastrophe und
widerspricht der in der UN-Kinderrechtskonvention normierten
Vorrangstellung des Kindeswohls und dem Recht, nicht von den Eltern
getrennt zu werden. Gleichzeitig hat es auch sehr negative
Auswirkungen auf ihre Integration, wenn Flüchtlingskinder in
ständiger Sorge um die zurückgebliebenen Eltern und Geschwister leben
müssen. Kinder, die bei uns Schutz vor Krieg und Verfolgung suchen,
sind im Interesse des Kindeswohls und für ihre Integration auf einen
durchsetzbaren Rechtsanspruch auf Familienleben angewiesen", so
Thomas Krüger.
Für die repräsentative Umfrage zum Weltflüchtlingstag 2017 wurden
vom Meinungsforschungsinstitut Forsa im Auftrag des Deutschen
Kinderhilfswerkes deutschlandweit 1.011 deutschsprachige Personen ab
14 Jahren mittels computergestützter Telefoninterviews (CATI)
befragt. Die statistische Fehlertoleranz liegt zwischen bei +/- drei
Prozentpunkten.
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