(ots) - Köln. Die deutsche Generalanwältin beim Europäischen
Gerichtshof (EuGH), Juliane Kokott, hat das Luxemburger Gericht zu
sensibler Rechtsprechung aufgefordert. "Im Moment ist es schwierig
mit Europa. Darum muss der Europäische Gerichtshof vorsichtig sein
und mit sensiblen Urteilen sein Bestes geben", sagte die
Spitzenjuristin dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (Mittwoch-Ausgabe). Weil
die Urteile des EuGH sich unmittelbar in sämtlichen Mitgliedsstaaten
mit all ihren Besonderheiten auswirkten, müsse das Gericht die Folgen
seiner Rechtsprechung immer besonders sorgfältig bedenken. Ihr
Plädoyer für Sensibilität in der Rechtsprechung sei zwar kein Ruf
nach Gefälligkeitsurteilen. "So etwas sollte der EuGH nie machen",
sagte Kokott. Es müsse einem Gericht aber immer um die Akzeptanz
seiner Urteile gehen. "Schließlich hat jeder Bürger sich danach zu
richten. Eine Rechtsprechung, die nicht - bei gutem Willen - für
jedermann einsichtig, klar und akzeptabel ist, läuft ins Leere."
Durch den Brexit, den Austritt Großbritanniens aus der EU, drohe
dem EuGH ein erheblicher Verlust an Expertise. "Die Stimme
Großbritanniens wird in den EuGH-Verfahren fehlen. Die
Mitgliedstaaten können ja in allen Vorabentscheidungsverfahren ihre
Sichtweise einbringen, auch in solchen aus anderen Mitgliedstaaten."
Die britischen Juristen, die sie auf europäischer Ebene kennengelernt
habe, seien hervorragend ausgebildet und exzellente Kenner des
Europarechts.
Kokott, die an diesem Sonntag (18. Juni) 60 Jahre alt geworden
ist, kam 2003 an den EuGH. Sie absolviert inzwischen die dritte,
jeweils auf sechs Jahre befristete Amtsperiode und ist damit die am
längsten amtierende EuGH-Generalanwältin. Der Reichtum an Erfahrung
in höchst unterschiedlichen Rechtsgebieten lasse sich gar nicht hoch
genug schätzen, sagte sie. Insofern sei sie "dankbar, dass ich jetzt
schon so lange hier bin. Und je länger jemand in so einem Amt ist,
desto größer wird sein Gewicht. So sollte es jedenfalls sein.
Ansonsten stimmt irgendwas nicht."
Generalanwälte am EuGH sind nicht mit deutschen Staatsanwälten
vergleichbar. Vielmehr bereiten Sie die zur Entscheidung vorgelegten
Fälle für die Richter auf und geben eine Urteilsempfehlung, den so
genannten Schlussantrag. In der weit überwiegenden Zahl der Fälle
folgt der Gerichtshof dem Votum der Generalanwälte. Im Zuge der
EU-Erweiterung wurde ihre Zahl mehrfach erhöht. Heute sind es elf.
Deutschland und fünf andere Mitgliedsstaaten entsenden immer einen
Generalanwalt. Fünf Posten werden rotierend vergeben.
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