(ots) -
Ãœber 500 Teilnehmer verfolgten am gestrigen Mittwoch in Berlin die
Jahrestagung des Deutschen Ethikrates zum Thema "Autonome Systeme.
Wie intelligente Maschinen uns verändern".
Sie lernen und entscheiden selbst: Sogenannte autonome Systeme wie
selbstfahrende Autos, Pflegeroboter, vernetzte Haushaltsgeräte und
autonome Waffensysteme kommen bereits in unserem Alltag zum Einsatz
oder stehen kurz vor der Marktreife. Eine ausgeklügelte Sensorik,
komplexe und selbstlernende Algorithmen sowie umfassende
Vernetzungsmöglichkeiten erlauben es ihnen, schnell und unter
Abgleich vielfältiger Daten auf ihre Umwelt zu reagieren und
weitgehend unabhängig von menschlichen Eingriffen zu agieren. Daraus
ergibt sich eine Reihe ethischer, rechtlicher und sozialer Fragen.
Hier sei die gesamte Gesellschaft gefragt, mitzureden und
mitzugestalten, wie sie das erhebliche Potenzial der neuen
Entwicklungen nutzen will, machte der Vorsitzende des Ethikrates,
Peter Dabrock, gleich zu Beginn der Tagung deutlich: "Können wir im
Meer unserer Datenströme selbstbestimmt wir selbst bleiben, oder
stolpern wir - mehr berauscht als bewusst - vor lauter Freude an
Miniaturverbesserungen unseres Alltages in eine Unmündigkeitsfalle
hinein?"
Henning Kagermann von der Deutschen Technikakademie acatech
berichtete eingangs, was hochautomatisierte Systeme bereits jetzt
können und wie mithilfe von Methoden der künstlichen Intelligenz eine
neue Generation zunehmend autonomer Systeme entsteht. Ob
Industrieproduktion, Mobilität, Smart Home oder für Menschen
gefährliche (Rettungs-)Maßnahmen - für alle Anwendungsfelder gelte,
dass mit den Maschinen Menschen unterstützt und ihre Fähigkeiten
ergänzt, sie aber nicht ersetzt werden sollten. Deshalb sei "ein
frühzeitiger und langfristig angelegter gesellschaftlicher Dialog
nötig, in dem Chancen und Risiken transparent gemacht und
gegeneinander abgewogen werden", so Kagermann.
Der Einsatz autonomer Systeme wird "Märkte im Sinne einer
'kreativen Zerstörung' ebenso rapide verändern ... wie soziale und
administrative Institutionen", prognostizierte Christoph M. Schmidt,
Vorsitzender des Sachverständigenrates zur Begutachtung der
gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Er forderte neue
Regulierungsansätze, die die Befähigung zur individuellen Teilhabe
und Absicherung gegenüber dem Schutz durch den Staat in den
Vordergrund stellen.
Katharina A. Zweig von der Technischen Universität Kaiserslautern
beklagte die zweifelhafte Qualität von Algorithmus-basierten,
entscheidungsunterstützenden Systemen. Sie mahnte dringend "die
Entwicklung qualitätssichernder Prozesse zu ihrem Design, ihrer
Implementierung, Wartung und kontinuierlichen Verbesserung an. Dazu
bedarf es einer gesamtgesellschaftlichen Diskussion darüber, welche
gesellschaftlichen Prozesse sich überhaupt für algorithmische
Entscheidungssysteme eignen und nach welchen Kriterien sie optimiert
werden sollen", so Zweig.
Aus philosophischer Perspektive legte Julian Nida-Rümelin von der
Ludwig-Maximilians-Universität München dar, warum autonome Systeme
keine Verantwortung übernehmen könnten. Der Verantwortungsbegriff sei
an Intentionalität und Personalität gekoppelt - Fähigkeiten, die so
alleine Menschen zukämen. Die Entwicklung und der zunehmende Einsatz
autonomer Systeme seien zwar wünschenswert, "aber ethisch nur unter
der Bedingung vertretbar, dass autonomen Systemen keine mentalen und
speziell personalen Eigenschaften zugeschrieben" würden. Eine starke
künstliche Intelligenz sei zudem sogar technikfeindlich, da man
wirklich intelligenten Maschinen konsequenterweise Rechte und Würde
zugestehen müsse, die ihrer Instrumentalisierung enge Grenzen setzen
würden.
Die Juristin Christiane Wendehorst von der Universität Wien
ergänzte, dass im derzeit geltenden Recht Maschinen selbst dann keine
Rechtspersönlichkeit zukomme, wenn sie mit fortgeschrittener
künstlicher Intelligenz ausgestattet sind. "Sie sind daher auch nicht
Adressaten rechtlicher Regelungen und können weder 'dürfen' noch
'nicht dürfen'", so Wendehorst. Regelungsadressaten seien vielmehr
die Menschen oder juristischen Personen, die Maschinen herstellen,
verkaufen und nutzen. Wie Nida-Rümelin hielt auch sie eine
Entwicklung hin zur "e-person" nicht für wünschenswert - eine
Einschätzung, der aus dem Publikum teilweise widersprochen wurde.
Am Nachmittag diskutierten die Teilnehmer in vier parallel
stattfindenden Foren über autonome Systeme in verschiedenen
Anwendungsfeldern. Es ging um selbstfahrende Autos, Medizinmaschinen
und Pflegeroboter, das vernetzte Heim und autonome Waffensysteme - in
letztgenanntem Forum sprach u. a. der Inspekteur der Luftwaffe,
Generalleutnant Karl Müllner. In allen Foren wurde deutlich, dass
entgegen einer Tendenz, den Menschen zum Objekt der autonomen Systeme
zu machen, der Mensch und seine Autonomie im Mittelpunkt bleiben
müssen.
In ihrem abschließenden Vortrag beurteilte die Schriftstellerin
Thea Dorn die Anwendung von Begriffen wie Intelligenz, Autonomie und
Lernen auf Maschinen als überaus problematisch, da diese zu "den
Königstugenden des Menschen" gehörten. Bei der Automatisierung von
Maschinen hingegen ginge es in erster Linie darum, diese zu gut
funktionierenden Helfern abzurichten. Angesichts einer Tendenz zur
geistigen Trägheit, wenn allzu viele Kompetenzen an Maschinen
abgetreten werden, forderte Dorn "persönlichkeitsbildende
Fitnessbänder" um individuelle und gesellschaftliche Resilienzen zu
bilden.
Das Programm der Veranstaltung sowie in Kürze auch die Vorträge
und Diskussionsbeiträge der Teilnehmer inklusive des Audio- und
Videomitschnitts und auch die Simultanmitschrift sind unter
http://ots.de/yQ0nx abrufbar.
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Ulrike Florian
Deutscher Ethikrat
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