(ots) - Reporter ohne Grenzen (ROG) begrüßt die
Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen gegen
die deutsche Regelung zur Vorratsdatenspeicherung.
"Dieses Urteil bestätigt, was schon lange offensichtlich war: Eine
pauschale und verdachtsunabhängige Vorratsdatenspeicherung verstößt
gegen europäische Grundrechte. Die Bundesregierung sollte sich
endlich ein- für allemal von diesem überflüssigen und für die
Pressefreiheit schädlichen Instrument verabschieden. Deutschland
braucht keine pauschale Vorratsdatenspeicherung, sondern ein
grundrechtskonforme Regelung, um in konkreten Verdachtsfällen
Verbindungsdaten schnell und gezielt aufzeichnen zu können."
Das OVG gab heute dem Eilantrag eines Münchener IT-Anbieters
statt, bis zu einer Entscheidung über eine gleichzeitig erhobene
Klage von der Verpflichtung zur Vorratsdatenspeicherung ausgenommen
zu werden. Seine Entscheidung begründete das Gericht damit, dass die
deutsche Reglung gegen EU-Recht verstoße (http://t1p.de/spa9).
VORRATSDATENSPEICHERUNG UNTERGRÄBT JOURNALISTISCHEN QUELLENSCHUTZ
Die Ende 2015 in Kraft getretene und Wiedereinführung der
Vorratsdatenspeicherung in Deutschland sollte
Telekommunikationsanbieter nach dem Willen der großen Koalition
verpflichten, vom 1. Juli 2017 an die Verbindungsdaten aller Kunden
anlasslos zehn Wochen lang zu speichern (Standortdaten von Handys
vier Wochen lang). Ermittlungsbehörden könnten damit bei Verfahren zu
schweren Straftaten auf Abruf feststellen, wer wann wen angerufen hat
und wer sich wann und mit welcher IP-Adresse ins Internet eingewählt
hat.
Reporter ohne Grenzen kritisiert eine solche pauschale und
verdachtsunabhängige Datenspeicherung seit Jahren, weil sie den
Schutz journalistischer Quellen untergräbt, zumal das Gesetz
Berufsgeheimnisträger nur unzureichend schützt: Ihre Verbindungsdaten
sollten zwar gespeichert, aber nicht verwendet werden. Auch steht der
tatsächliche Effekt der VDS auf die Aufklärungsrate von Straftaten in
grobem Missverhältnis zur Schwere des Grundrechtseingriffs.
MENSCHENRECHTSGRUNDSÄTZE FÜR DIE KOMMUNIKATIONSÜBERWACHUNG
ROG und andere Menschen- und Bürgerrechtsorganisationen plädieren
deshalb seit langem dafür, die Vorratsdatenspeicherung durch ein
"System zur schnellen Sicherstellung und gezielten Aufzeichnung von
Verkehrsdaten" in konkreten Verdachtsfällen zu ersetzen
(http://t1p.de/ewvy). Entsprechende Forderungen sind auch Teil der
Internationalen Grundsätze für die Anwendung der Menschenrechte in
der Kommunikationsüberwachung, die ROG 2013 zusammen mit mehr als 260
Organisationen aus aller Welt beim UN-Menschenrechtsrat in Genf
vorgelegt hat und als Maßstab für bestehende und künftige Gesetze
betrachtet (http://t1p.de/ut2t).
Das jetzige OVG-Urteil bezieht sich auf ein Urteil des Europäische
Gerichtshofs vom 21. Dezember 2016. Darin kippte der EuGH -
angestoßen durch Anfragen von Gerichten in Schweden und
Großbritannien - die anlasslose Vorratsdatenspeicherung und ließ nur
eine gezielte, "klar und präzise" geregelte Speicherung zur
Bekämpfung schwerer Straftaten zu (http://t1p.de/8m69). Ein Gutachten
des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags war schon im Januar zu
dem Ergebnis gekommen, das deutsche Gesetz genüge diesen
Anforderungen "nicht in vollem Umfang". (http://t1p.de/bmc2, PDF)
Deutschland steht auf der jährlichen Rangliste der Pressefreiheit
auf Platz 16 von 180 Ländern. Mehr zum Stand der Pressefreiheit in
Deutschland finden Sie unter www.reporter-ohne-grenzen.de/deutschland
sowie in der Ende April veröffentlichten aktuellen "Nahaufnahme
Deutschland" (http://t1p.de/4gvh).
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