(ots) - Für Heinrich Hiesinger wird es langsam eng. Der
Vorstandschef von Thyssenkrupp muss immer mehr Einfallsreichtum
zeigen, um den eigenkapitalschwachen Konzern einigermaßen in der
Balance zu halten und den Umbau schnell genug vorantreiben, damit die
bilanzielle Schwäche nicht offenbar wird. Deshalb jagt ein
Kostensenkungsprogramm das nächste. Nach der Stahlsparte, die ihre
Kapitalkosten nicht verdient und eine halbe Milliarde Euro einsparen
soll, ist nun der schwächelnde Anlagenbau dran, der die Kosten um
eine Viertelmilliarde drücken muss.
Das verstärkt den Eindruck, dass Thyssenkrupp - trotz
zwischenzeitlicher Erfolgsmeldungen über Milliardenaufträge für
Kriegsschiffe und für elektrische Lenkungen in teilautomatisierten
Autos - beim Umbau des Traditionsunternehmens zum modernen
Industriekonzern nur langsam vorankommt. Trotz guter Konjunktur wird
das Unternehmen im laufenden Geschäftsjahr erstmals seit vier Jahren
- wegen der Abschreibung auf das verkaufte Brasilien-Stahlwerk -
unter dem Strich wieder deutlich rote Zahlen schreiben und erwartet
einen Mittelabfluss im operativen Geschäft in dreistelliger
Millionenhöhe.
Es gibt zwar auch Lichtblicke: Weil das Geschäft mit Aufzügen und
Automobilkomponenten ganz gut läuft, legt der operative Konzerngewinn
laut Prognose auf 1,8 Mrd. Euro zu. Das ist aber auch bitter nötig:
Die Schulden sind mit 5,8 Mrd. Euro zweieinhalbmal so groß wie das
Eigenkapital. Den Konzern drücken enorme Pensionslasten.
Die Anzeichen für eine besorgniserregende bilanzielle Schwäche
waren zeitweise so virulent, dass Hiesinger sich vor einigen Monaten
gezwungen sah, öffentlich zu negieren, dass der Konzern eine
Kapitalerhöhung bräuchte. Während der mit knapp 20 Prozent am Konzern
beteiligte Finanzinvestor Cevian wohl mitziehen würde, blockiert die
mit einer faktischen Sperrminorität von 23 Prozent beteiligte
Krupp-Stiftung bisher einen solchen Schritt, weil sie ihn sich nicht
leisten kann und in Folge an Einfluss verlieren würde. Dabei hatte
die Hauptversammlung 2014 den Vorstand ermächtigt, das Grundkapital
bis 2019 um bis zu 3,7 Mrd. Euro zu erhöhen, sofern der Aufsichtsrat
zustimmt.
Am Kapitalmarkt scheinen die Investoren weiter daran zu glauben,
dass Hiesinger den Konzern auch ohne Kapitalspritze wieder
flottmacht. Die Marktkapitalisierung hat sich binnen fünf Jahren
verdoppelt auf 14 Mrd. Euro. Viel hängt jetzt von der Konjunktur ab.
Einen Abschwung kann sich Thyssenkrupp nicht leisten.
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