PresseKat - Europäische Elektronikhändler: Erhöhtes Liquiditätsrisiko durch Umsatzsteuerkarusselle

Europäische Elektronikhändler: Erhöhtes Liquiditätsrisiko durch Umsatzsteuerkarusselle

ID: 1504179

(ots) - Sogenannte Umsatzsteuerkarusselle und die gegen sie
eingeleiteten Schritte der Steuerbehörden haben in den vergangenen
Monaten das Liquiditätsrisiko in der europäischen Informations- und
Kommunikationstechnikbranche (IKT) erhöht. Darauf weist der
internationale Kreditversicherer Atradius hin. Von den Ermittlungs-
und Strafmaßnahmen, die im Zusammenhang mit dem Betrugsmuster
ergriffen wurden, waren zuletzt vermehrt Groß- und Einzelhändler von
Unterhaltungselektronik betroffen - in Deutschland und vor allem in
Osteuropa. In der Folge kam es gehäuft zu Zahlungsausfällen für die
Lieferanten und Dienstleister der Branche, deren Zahlungsmoral
traditionell als eher stabil gilt.

"Umsatzsteuerkarusselle sind heimtückisch, weil sie innerhalb
kürzester Zeit die Existenz auch von unwissend beteiligten
Unternehmen bedrohen können", sagt Michael Karrenberg, Regional
Director Risk Services Germany, Central, North, East Europe &
Russia/CIS bei Atradius. "Wird die Betrugsmasche professionell
durchgeführt, ist es für Firmen oft kaum zu erkennen, dass sie in
einem solchen Karussell involviert sind. Gleichzeitig gehen
Steuerfahndung und Staatsanwaltschaft schon im Verdachtsfall sehr
strikt gegen Beteiligte vor. Selbst wenn am Ende ein Freispruch für
ein Unternehmen erfolgt, ist häufig die finanzielle Basis bereits
zerstört durch die bis dahin erfolgten Maßnahmen wie Pfändungen,
eingefrorene Konten oder der Untersuchungshaft von Mitarbeitern."

Von 2015 auf 2016 erhöhten sich bei Atradius die durch
IKT-Unternehmen in Mittel- und Osteuropa verursachten
Schadenszahlungen um mehr als das Vierfache. Auch in naher Zukunft
erwartet der Kreditversicherer weitere Schäden in der Branche infolge
von Umsatzsteuerkarussellen. Die zuletzt größten Fälle gab es in
Polen und Tschechien, auch in Deutschland waren Firmen betroffen.





Umsatzsteuerkarusselle: häufig professionell und schwer zu
enttarnen

Der Betrug mittels Umsatzsatzsteuerkarussell baut auf einer
Ausnahme im EU-Recht auf: Demnach muss bei innergemeinschaftlichen,
grenzüberschreitenden Lieferungen zwischen Unternehmen nicht wie
sonst üblich der Verkäufer die Umsatzsteuer abführen, sondern erst
der Erwerber beim Weiterverkauf der Ware innerhalb des eigenen
Landes.

Betrüger können diese Regelung für Steuerdelikte ausnutzen. Sie
beziehen - häufig über Briefkastenfirmen - Waren aus dem EU-Ausland
zum Nettopreis (= ohne Umsatzsteuer). Diese Waren verkaufen sie im
Inland weiter. Bei diesen Weiterverkäufen geben sie ihren
ursprünglichen Nettoeinkaufspreis (= ohne Umsatzsteuer) als
Bruttoeinkaufspreis (inkl. Umsatzsteuer) aus. Auf den neuen,
gefälschten Nettoeinkaufspreis geben sie einen geringen
Preisaufschlag und veräußern die Waren zuzüglich Umsatzsteuer. Später
lassen sie sich dann vom Finanzamt die Umsatzsteuer erstatten, die
sie beim Kauf gerade nicht bezahlen mussten. So erzielen sie
insgesamt einen Gewinn. Zur Vertuschung dient neben Scheinrechnungen
oft auch ein komplexes Firmengeflecht, in dem die Waren schnell und
mehrfach den Eigentümer wechseln - stets mit Ausweisung der
Umsatzsteuer, so dass es nach außen den Anschein eines normalen
Handelsgeschäftes hat. Der aus Betrügersicht ideale Fall tritt ein,
wenn die Waren irgendwann wieder im EU-Ausland landen und der
Kreislauf erneut beginnen kann.

Hintergrund: IKT-Branche besonders anfällig für die Betrugsmasche

In dieses Geflecht werden häufig auch unwissende Unternehmen
eingebunden. Die IKT-Branche bietet aufgrund der Art ihrer Produkte
Steuerbetrügern hierfür viele Möglichkeiten. So ist der logistische
Aufwand zum An- und Verkauf von Mobiltelefonen, Bildschirmen,
Festplatten, Tablets im Vergleich zu anderen Branchen relativ gering,
auch bei hohen Stückzahlen. Gleichzeitig sind die Innovationszyklen
kurz, so dass die jeweiligen Modelle schnell weiterverkauft werden.
Gerät ein Händler ins Visier der Ermittler, haben die eingeleiteten
Maßnahmen dann oft verheerende Folgen - bis hin zu einer möglichen
Insolvenz des Unternehmens.

"Verwicklungen in Umsatzsteuerkarusselle sind auch von außen oft
schwierig zu erkennen", sagt Michael Karrenberg. "Einkäufer sollten
nach unserer Erfahrung vorsichtig sein bei Angeboten deutlich unter
dem üblichen Marktwert - gerade dann, wenn die Waren vom Verkäufer
als einmalige Gelegenheit oder Sonderposten deklariert werden. Beim
Weiterverkauf ist es ein Indiz, wenn der Firmensitz des Käufers und
der Lieferort in unterschiedlichen Ländern liegen, wobei der
Lieferort oft ein Lager eines externen Logistikanbieters ist. Die
Ware wird dort gegen Vorkasse oder Direktzahlung freigegeben und vom
Käufer abgeholt - unter anderem, weil sich der Abnehmer so einer
Prüfung durch die Kreditversicherung des Lieferanten entzieht, da in
diesem Fall keine zu versichernde Forderung entsteht. Skeptisch sein
sollte man auch bei Geschäftskontakten, die nicht persönlich bekannt
sind und als Vermittler für regelmäßig wechselnde Lieferanten oder
Kunden auftreten."

IKT-Branche: vielfältige Herausforderungen

Neben den erhöhten Risiken durch Umsatzsteuerbetrug sieht sich die
IKT-Branche - weltweit - erhöhtem Preisdruck und sinkenden Margen
ausgesetzt. Besonders in gesättigten Märkten stehen die Unternehmen
einer geringen Produktdifferenzierung sowie wachsendem Wettbewerbs-
und Veränderungsdruck durch die schnelle Weiterentwicklung von
digitalen Produkten und Services gegenüber.

Atradius bewertet das Ausfallrisiko für einen Lieferantenkredit
bei allen Abnehmern im IKT-Bereich individuell auf Basis von
Finanzkennzahlen und weiteren Daten. Aktuell erhöhte Ausfallrisiken
sieht der Kreditversicherer insgesamt bei Einzelhändlern, die über
keinen Online-Verkaufsplatz verfügen. Auch für Hardware-Großhändler
ergibt sich ein höheres Risiko, wenn ihre Logistik und Services
Schwächen aufweisen. Durch die relativ geringen
Markteintrittsbarrieren können Aufträge dann schnell an andere
Marktteilnehmer gehen. Auch Großeinkäufe von Modellen, deren Technik
plötzlich überholt ist, können zum Risiko werden, wenn der Händler
die Produkte nicht verkauft bekommt. Aufgrund des geringen
Eigenkapitals droht dann schnell die Insolvenz.

Derzeit positiv bewertet Atradius die Situation bei Anbietern von
Steuerungselementen, Medizintechnik sowie Soft- und Hardware für die
Automobilindustrie. Hier besteht aus Sicht des Kreditversicherers
aktuell nur ein geringes Forderungsausfallrisiko.

Eine aktuelle und detaillierte Analyse der IKT-Branche von
Atradius finden Sie im Internet unter www.atradius.de in der
Publikation MarktMonitor.

Ãœber Atradius

Die Atradius Gruppe bietet weltweit Kreditversicherung,
Bürgschaften und Inkassodienste an. Mit 160 Büros in mehr als 50
Ländern hat Atradius Zugang zu Bonitätsinformationen von mehr als 240
Millionen Firmen weltweit. Das Produktangebot hilft Unternehmen auf
der ganzen Welt, sich vor Forderungsausfällen zu schützen, wenn
Kunden gelieferte Waren oder erbrachte Dienstleistungen nicht
bezahlen können. Atradius ist Teil der Grupo Catalana Occidente
(GCO.MC), die in Spanien zu den größten Versicherern und weltweit zu
den größten Kreditversicherern gehört. www.atradius.de



Pressekontakt:
Atradius Kreditversicherung
Stefan Deimer
Pressereferent
Telefon: +49 (0) 221 2044 - 2016
stefan.deimer(at)atradius.com

Astrid Goldberg
Pressesprecherin
Telefon: +49 (0) 221 2044 - 2210
astrid.goldberg(at)atradius.com

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