(ots) - Nach Angela Merkels Vorstoß für eine
Gewissensentscheidung wird die "Ehe für alle" kommen und das ist
folgerichtig, Kritiker sprechen gar von einer verspäteten Anerkennung
der Wirklichkeit. Vor allem aber hat die Kanzlerin taktisch eine
Meisterleistung hingelegt, die innerparteilich jedoch nicht ohne
Reibungsverluste bleiben wird.
Lässt sich Ehe heute noch alleine vom Fortpflanzungsgedanken
definieren? In einer Zeit, in der es gerade in Großstädten und
Ballungsräumen eine Vielzahl an Lebensmodellen gibt, wo Kulturen
aufeinander stoßen und sich miteinander vermengen? Kaum, auch wenn im
Süden Deutschlands vielerorts das Lebensgefühl noch ein anderes sein
mag, Veränderungen Verunsicherungen auslösen und das traditionelle
Familienbild hochgehalten wird. Deshalb fordert Merkel zurecht
"Respekt und Achtung" für jene, die sich mit der Gleichstellung
schwer tun. Jenen sei aber auch die Sorge genommen, die "Ehe für
alle" schwäche die klassische Familie - es kommt nur eine Variante
hinzu, zahlenmäßig zudem eine sehr geringe.
Verwundert darf man dagegen fragen, weshalb sich die Kanzlerin das
Thema kurz vor der Bundestagswahl einverleibt. Der Gedanke liegt
nahe, Merkel treibt weniger eine Gewissensentscheidung um, denn eine
Entscheidung aus Kalkül. Der SPD hat sie ein wichtiges Wahlkampfthema
entrissen, panisch verlangen nun fast alle Parteien eine sofortige
Abstimmung über die Gleichstellung, als gebe es für sie noch was zu
retten. Nein, Merkel, noch kürzlich vor der "Kanzlerdämmerung", nutzt
das neuerliche Umfragehoch für diesen Schachzug. Einmal mehr, man
denke nur an Kernkraft, Mindestlohn, Mietpreisbremse und anderes, hat
sie mehrheitsfähige Forderungen der Opposition zu ihrer Sache
gemacht.
Der Sieg bei der Bundestagswahl ist Merkel nicht mehr zu nehmen.
Doch irgendwann wird es dem Land wirtschaftlich auch mal schlechter
gehen, irgendwann wird eine andere Partei den Kanzler stellen. Und
dann werden die christdemokratischen Anhänger fragen, nach dem
Markenkern der CDU.
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