(ots) - Das Signal von EZB-Präsident Mario Draghi war
unmissverständlich: Sein Hinweis am Dienstag auf die anhaltend gute
Konjunktur im Euroraum und die nur "temporär" schwache Inflation
konnte einzig als Start für einen Rückzug der Europäischen
Zentralbank (EZB) aus ihrer unkonventionellen Geldpolitik verstanden
werden. Die Märkte reagierten entsprechend heftig, hatte sich
diesbezüglich doch schon großer Erwartungsdruck aufgebaut.
Auch wenn die Notenbank am Mittwoch mit aller Kraft versuchte,
Draghis Rede zu relativieren: Seine neue Sichtweise auf die
Inflationsentwicklung ist verstörend. Denn selbst nach den
EZB-Projektionen bleibt die Teuerung im Jahr 2019 mit 1,6% weit
unterhalb des 2-Prozent-Ziels. Kann man bei einer Zeitspanne bis Ende
2019 überhaupt noch von "temporär" sprechen? Was macht Draghi
eigentlich so sicher, dass es danach mit der Teuerung wieder aufwärts
gehen wird?
Offensichtlich steckt die EZB in einer Zwickmühle: Die Geldflut
hat zwar den Kreditmarkt belebt, schlägt aber kaum auf die Teuerung
durch. Die Notenbank müsste nach ihrem Verständnis den aktuellen Kurs
also noch länger beibehalten. Doch damit wächst die Gefahr, dass
wegen ökonomischer Fehlanreize die nächste Krise genährt wird. Zudem
läuft der EZB schlicht die Zeit davon: Schon bald wird sie die
Anleihekäufe drosseln müssen, weil sie sonst die selbstgesteckten
Grenzen ihres Kaufprogramms verletzen würde. Aktuell darf sie nur bis
zu 33% der Emission einer Staatsanleihe erwerben. Das wäre beim
aktuellen Kaufvolumen nach Berechnungen des Vermögensverwalters Pimco
im Falle Deutschlands bereits im März 2018 erreicht. Der politische
Schaden, den eine Ausweitung oder Verletzung dieser Schwelle
anrichten würde, wäre enorm.
Aber womöglich ist Draghis Hinweis auf frei interpretierbare
"temporäre Faktoren", welche die Inflation schwächen, nur eine Finte,
um der sich aufdrängenden Diskussion über das Inflationsziel aus dem
Weg zu gehen. Viele Ökonomen sind nämlich überzeugt, dass
strukturelle Veränderungen die Teuerung weltweit auf absehbare Zeit
zügeln. Eigentlich müsste das Inflationsziel also eher herabgesetzt
werden. Eine Debatte darüber käme aus Sicht der EZB aber einer
Kapitulation gleich und dürfte zudem für große Zwietracht im EZB-Rat
sorgen. Andere Notenbanken haben sich deshalb schon ein Ersatzziel
gesetzt, das sie in den Vordergrund schieben: Finanzstabilität. Doch
auch danach wäre ein Exit aus den Bondkäufen längst überfällig.
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