(ots) - Der Klimaschutz ist eines der Kernthemen des
G20-Gipfels. Erwarten Sie eine geeignete Reaktion auf Trumps Abkehr
vom Pariser Klimaschutzabkommen?
Dr. Susanne Dröge: Nein, denn es gab bereits direkt nach der
Bekanntgabe der Abkehr weltweit genügend Reaktionen auf Trumps
Schritt. Auch die Bundeskanzlerin hat sich sehr klar dazu geäußert.
Man wird jetzt eher über die Konsequenzen dieses Schritts reden.
Die G20-Länder sind für 75 Prozent der weltweiten
Treibhausgas-Emissionen verantwortlich.Kann Trumps Ausstieg irgendwie
kompensiert werden?
Dröge: Nur weil Herr Trump heute sagt, dass er aussteigen will,
hat das noch keine direkten Folgen: Ein sofortiger Ausstieg ist gar
nicht möglich, Trump kann erst in zweieinhalb Jahren einen Brief
abschicken mit der Erklärung des Ausstieges aus dem Pariser
Klimaschutzabkommen - und dann dauert es noch einmal ein Jahr, bis es
dazu kommen kann. Es ist noch gar nicht ausgemacht, dass Trumps
Schritt direkte Folgen auf die Emissionen in den USA hat. Was aber
definitiv passieren wird, ist, dass der Niedergang der Kohle
verlangsamt wird. Und der bisherige Trend in den USA, mehr Gas statt
Kohle und mehr Erneuerbare Energien einzusetzen, wird verlangsamt.
Die Emissionen werden also nicht so sinken, wie es sich Trumps
Vorgänger Obama gedacht hat. Zudem werden die Emissionsstandards im
Verkehrssektor nicht zu Anwendung kommen. Die Emissionen der USA
werden also nicht gleich in die Höhe schnellen.
Deutschland hat im Brown-to-Green-Bericht der Umweltorganisation
Climate Transparency trotz des hohen Anteils erneuerbarer Energien
wegen der zögerlichen Abkehr von der Kohle eher schlechte Noten
bekommen. Sollte die Kanzlerin in Hamburg den Kohle-Ausstieg
verkünden?
Dröge:Das wäre ein wichtiges Signal im Rahmen der G20. Aber ich
glaube nicht, dass die Kanzlerin diesen mutigen Schritt wählt - aus
innenpolitischen Erwägungen, denn es ist Wahlkampf-Zeit in
Deutschland.
Großbritannien hat aber bereits einen Kohleausstiegsplan. Warum
hinkt Deutschland hinterher?
Dröge:Großbritannien hat eine andere Energie-Situation - und im
Gegensatz zu Deutschland kein Erneuerbare-Energien-Gesetz. In
Großbritannien gibt es einen Mindestpreis für Kohlendioxid von rund
18 britischen Pfund pro Tonne zusätzlich zum europäischen
Emissionshandel, in dem der Preis derzeit zwischen vier und sechs
Euro pro Tonne schwankt. Großbritannien setzt daher eher auf
Flüssiggas, für das es derzeit einen wachsenden Markt gibt, auf
Windenergie und den Ausbau der Kernenergie. Anders ausgedrückt:
Kohlestrom ist dort unwirtschaftlich, der Ausstiegsplan also eine
logische Konsequenz. In Deutschland gibt es keinen solchen
Mindestpreis für Kohlendioxid. Wir sind dabei, Atomstrom
abzuschalten. Und wir haben Kohlekraftwerke, die immer noch sehr
viel Strom in den Markt drücken, um Geld verdienen zu können. Zudem
wurde den Betreibern im Zuge der Kapazitätsvorhaltungen zugesichert,
ausreichend Geld verdienen zu können. Daran sieht man, wie komplex
das Thema Ausstieg in Deutschland ist.
Was kann, was sollte denn die Europäische Union tun, um das
Zwei-Grad-Ziel noch erreichen zu können?
Dröge:Wir müssen jetzt dahin, wo es weh tut. Der Emissionshandel
wird immer als Flaggschiff bezeichnet, das Ergebnisse liefert. Aber
es gibt zu viele Möglichkeiten, diese Ergebnisse zu unterwandern. So
kann ab 2020 der Wald gegengerechnet werden, weil er eine Senke für
Kohlendioxid ist. Wir brauchen striktere Vorgaben, was angerechnet
werden kann und was nicht. Wo striktere Vorgaben auch vonnöten sind,
sind der Verkehrssektor, die Landwirtschaft und der Gebäudesektor.
Hier ist die EU ebenso gefordert wie jedes Mitgliedsland.
Die Subventionen für fossile Energie sind immer noch sehr hoch.
2014 waren es noch 230 Milliarden Dollar. In China hingegen sind die
Subventionen und Investitionen in Erneuerbare Energien stärker
gestiegen als in vielen andern Ländern. Taugt China hier als Vorbild?
Dröge:China betreibt ebenso wie Europa Energiesubventionen. Um
bestimmte Energieformen voranzutreiben, sind diese Subventionen auch
notwendig. Aber grundsätzlich würde ich eher sagen, dass China nicht
Vorbild sein kann. Das trifft eher auf Mexiko oder Indonesien zu.
Beide haben eine massive Reform ihrer Energiesubventionierung
angestoßen.
Inwiefern ist Mexiko ein Vorbild?
Dröge:Mexiko hat den Ölpreis im Inland unter dem Weltmarktpreis
gehalten. Als vor etwa zwei Jahren die Ölpreise auf dem Weltmarkt
stark fielen, hat Mexiko den Preis im Inland unverändert gelassen. So
wurde aus der Subvention eine Steuer. Daneben hat das Land noch ein
ganzes Bündel von klimapolitisch begründeten Maßnahmen eingeführt.
Indonesien hatte das Problem vieler Entwicklungsländer: Für Pumpen
oder dezentrale Energieversorgung wird viel Kraftstoff verbraucht.
Den niedrigen Ölpreis hat die indonesischen Regeierung genutzt, Um
die Subventionen auf Dauer herunterzufahren. Mexiko und Indonesien
sind zwei Länder mit unterschiedlichem klimapolitischen Hintergrund,
aber beide sind Vorzeigeländer, wenn es um Subventionsreformen geht.
Wissenschaftler haben einen Appell an die G20-Gipfelteilnehmer
gerichtet und sechs Ziele formuliert, die in drei Jahren erreicht
werden müssen. Kann damit das Ziel von Paris noch erreicht werden?
Dröge:Wichtige Punkte betreffen den Abbau von Subventionen
fossiler Brennstoffe und die Finanzierung grüner
Infrastrukturmaßnahmen. Dazu sollen die Finanzminister an Bord geholt
werden. Das alles muss in der Tat sehr schnell gehen, damit es
überhaupt noch Chancen gibt, die im Pariser Abkommen
festgeschriebenen Ziele erreichen zu können.
Das weitere große Thema des G20-Gipfels ist Afrika. Kann man
sagen, dass Klimaschutz die bessere Entwicklungshilfepolitik?
Dröge:Ja, das könnte man so sagen. Aber es muss richtig gemacht
werden und aus den richtigen Motiven. Wir haben die Globale Agenda
2030 mit den 17 Nachhaltigkeitszielen, die eine große Schnittmenge
mit dem Klimaschutz haben. Es geht um mehr als nur Klimaschutz in der
Enwicklungszusammenarbeit - auch wenn mit dem Klimaschutz große
Investitionen in die Energieversorgung einhergehen. Um
Wirtschaftspolitik zu betreiben und Arbeitsplätze zu schaffen, ist es
schlauer, in einzelnen Ländern zu schauen, welche Maßnahmen für eine
Region längerfristig tragen. Ist es eher die dezentrale
Energieversorgung, die auch vor Ort über Wind oder Sonnenenergie
generiert werden kann? Ist es ein Kohlekraftwerk, das aber eine
größere Infrastruktur notwendig macht, oder sind es
Solarthermie-Werke, die sinnvoll wären? Es gibt viele gute
Ansatzunkte, die leider aber größtenteils nicht auf der Agenda der
G20 stehen. Mit Blick auf Afrika geht es bei den G20 eher darum, die
Migration einzudämmen. Mit viel Geld wird versucht, die Menschen in
Afrika dazu zu bringen, im Land zu bleiben. Entwicklungspolitik muss
aber mehr nach den Interessen und Bedürfnisse des jeweiligen Landes
ausgerichtet werden und auch mit Blick auf das Klimaschutzabkommen.
An diesen Stellen muss man ansetzen.
Es gibt also viele positive Ansätze, aber der große Wurf fehlt?
Dröge:Ja, so kann man es zusammenfassen. Es wird in Bezug auf
Afrika auch das Wort Marshall-Plan benutzt. Darüber, was beim
G20-Gipfel letztlich herauskommen könnte, will ich nicht spekulieren.
Jemand anderes hat spekuliert: Stephen Hawking. Der berühmte
Physiker sieht die Welt vor einem Dammbruch. Das Agieren Trumps
könnte der Erde den entscheidenden Stoß hin zur Unbewohnbarkeit
geben. Sind Sie da ähnlich pessimistisch?
Dröge:Ich habe mir nicht durchgelesen, was Herr Hawking im Detail
als Begründungen anführt. Aber wenn Sie danach fragen, ob man
Pessimist oder Optimist ist: ich fühlte mich leicht angesprochen,
würde mich aber nicht auf 100 Jahre festlegen. Dem Globus ist es
egal, ob wir Klimapolitik machen oder nicht. Die Erde wird in
irgendeiner Weise weiterbestehen. Es geht um uns Menschen, die darauf
leben müssen und wollen. Wir haben es in der Hand, ob wir die
Grundlagen dafür erhalten oder weiterhin so stark zerstören, wie wir
es im Moment tun. Die Sorgen sind also mehr als berechtigt.
Das Interview führte Werner Kolbe
Pressekontakt:
Landeszeitung Lüneburg
Werner Kolbe
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