(ots) - Der Goldmarkt hat in der jüngeren Vergangenheit
aus Anlegersicht vor allem negative Schlagzeilen produziert. So hatte
es kürzlich einen sogenannten Flash Crash an der amerikanischen
Terminbörse Comex gegeben. Binnen einer Minute verlor das Edelmetall
rund 1,6 Prozent seines Wertes und fiel von 1255 Dollar je Feinunze
auf 1236 Dollar. Auslöser war vermutlich ein sogenanntes
Fat-Finger-Problem, also eine Fehleingabe durch eine größere Adresse
am Markt. In einem positiveren Marktumfeld erholen sich die Kurse
normalerweise rasch von derartigen Ereignissen, aktuell war die
Erholung jedoch schleppend.
Die nächste Hiobsbotschaft kam in Gestalt der Rede des Präsidenten
der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, der auf die gute
Konjunkturlage hinwies und damit indirekt - so wurde es jedenfalls
von den Marktteilnehmern verstanden - einen Kurswechsel der EZB
ankündigte. Dass dann die Notenbank in Gestalt ihres Vize-Chefs VÃtor
Constâncio zurückruderte, sorgte ebenfalls wieder nur für eine müde
Erholung. Der Juni ist zum ersten Monat des laufenden Jahres mit
einem Preisrückgang bei dem Edelmetall geworden.
Ein Alarmzeichen ist auch, dass sich die Finanzinvestoren
mittlerweile spürbar aus Gold zurückziehen. Dies betrifft vor allem
die institutionellen Adressen, die Zugang zu den Terminbörsen haben.
Hier hat sich die Zahl der Netto-Long-Positionen auf das Metall in
den vergangenen Wochen deutlich reduziert.
Betroffen sind aber auch die auf Gold spezialisierten Exchange
Traded Funds (ETF). So sind die Bestände des SPDR Gold Trust, des
weltweit größten auf das Edelmetall ausgerichteten ETF, mit rund 846
Tonnen auf den niedrigsten Stand seit drei Monaten gefallen. Dies ist
insofern von Bedeutung, weil das wieder erwachte Interesse der
Finanzinvestoren die Gold-Rally in den ersten Monaten des Jahres
angetrieben hatte. Gold ist ein Asset, das Elemente eines Rohstoff,
einer Währung und auch eines sicheren Hafens für Investoren in
Krisenzeiten aufweist. Typischerweise wechseln sich Faktoren wie
Inflationserwartungen, Dollarkurs und das Interesse spekulativer
Anleger als der entscheidende Einfluss auf die Preisentwicklung ab.
In den ersten Monaten des Jahres war es vor allem das
Spekulationsinteresse, das die Entwicklung des Goldpreises geprägt
hat. Daher ist ein Rückzug dieser Investorengruppe durchaus als ein
Alarmzeichen zu sehen, zumal derzeit weitere für den Goldpreis
negative Faktoren am Werk sind.
Was Gold derzeit am stärksten zu schaffen macht und auch die
Investoren aus dem Edelmetall drängt, ist die Zinsperspektive vor
allem in den USA. So rechnen die meisten Analysten für das laufende
Jahr noch mit mindestens einer Zinserhöhung und für 2018 mit mehreren
Schritten. Damit erhöhen sich die Opportunitätskosten der
Geldhaltung, weil sich Edelmetalle im Gegensatz zu anderen sicheren
Anlagen wie Staatsanleihen nicht verzinsen. Auf diesen Zusammenhang
verweist derzeit unter anderem Harry Tchilinguirian, Leiter
Rohstoffstrategie bei BNP Paribas in London. Laut Berechnungen der
Nachrichtenagentur Bloomberg war Tschilinguirian zuletzt einer der
Goldanalysten mit der besten Trefferquote. Und sollte nach der Fed
die EZB mit dem Tapering beginnen und verbal die ersten
Zinserhöhungen vorbereiten, dürfte der Druck auf den Goldpreis
zunehmen.
Negativ ist auch die charttechnische Perspektive, nachdem die
Notierung unter ihren 200-Tage-Durchschnitt gefallen ist. In dieser
Hinsicht gibt es weitere Gefahr: So gibt es knapp unterhalb von 1200
Dollar eine wichtige charttechnische Widerstandszone. Sollte diese
nicht halten, wäre der Weg frei bis auf das Tief vom Dezember 2016
von rund 1123 Dollar.
Es gibt aber auch Analysten, die die Aussichten für das Edelmetall
positiver sehen. So haben die Rohstoffexperten von Goldman Sachs ihre
Prognose für den durchschnittlichen Goldpreis im vierten Quartal auf
1250 Dollar angehoben. Sie gehen davon aus, dass die US-Konjunktur in
der zweiten Jahreshälfte an Dynamik verlieren wird, so dass
defensivere Anlagemöglichkeiten wieder gefragt seien. Außerdem
rechnen sie mit einer höheren Kaufkraft der Konsumenten in Ländern
mit starker Präferenz für Gold wie Indien und China. Als weiteres
Argument ließe sich anfügen, dass sich die politischen Spannungen
rund um den Globus jederzeit verschärfen können, was die Flucht in
Gold wieder aktuell werden ließe.
Sieht man von schweren Krisen ab, ist letztlich aber wenig zu
erkennen, was den Einfluss der steigenden Zinsen auf den Goldpreis
neutralisieren könnte. Tchilinguirian jedenfalls sieht den Preis des
Edelmetalls im vierten Quartal bei lediglich im Schnitt 1156 Dollar.
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