PresseKat - EuGH-Urteil: Noch ein weiter Weg zu transparenter europäischer Justiz

EuGH-Urteil: Noch ein weiter Weg zu transparenter europäischer Justiz

ID: 1511996

(ots) - PIRATEN-Klage von Patrick Breyer
erfolgreich: Die EU-Kommission muss Presse und Öffentlichkeit Zugang
zu den Argumenten und Anträgen der Beteiligten vor europäischen
Gerichten gewähren.

Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg (EuGH) hat heute dem
Bürgerrechtler Patrick Breyer von der Piratenpartei Deutschland recht
gegeben: Die EU-Kommission muss Presse und Öffentlichkeit künftig
Zugang zu den Argumenten und Anträgen der Beteiligten vor
europäischen Gerichten gewähren - jedoch in der Regel erst nach
Abschluss eines Verfahrens (EU-Kommission vs. Breyer, Rechtssache
C-213/15 P) [1]. Im konkreten Fall verlangte Breyer von der
EU-Kommission die Herausgabe österreichischer Schriftsätze zur
Nichtumsetzung der umstrittenen Vorratsdatenspeicherung. Jedoch
verhängte der Gerichtshof eine Kostenstrafe gegen Breyer, weil dieser
die im laufenden Verfahren gewechselten Schriftsätze anonymisiert auf
seiner Homepage veröffentlicht hatte.[2]

"Die Transparenz der europäischen Justiz bleibt nach diesem Urteil
mangelhaft und dringend verbesserungsbedürftig", zeigt sich Breyer
von dem Teilerfolg enttäuscht. "Da die Luxemburger Richter
Transparenz in laufenden Verfahren ohne Grund als Bedrohung zu
betrachten scheinen, muss der Gesetzgeber handeln und die
Verfahrensregeln nach Vorbild des Europäischen
Menschenrechtsgerichtshofs überarbeiten. Dass Parteien nach Meinung
des EuGH gar generell zur Geheimhaltung von Schriftsätzen - sogar der
selbst verfassten Schriftsätze - verpflichtet sein sollen, ist
inakzeptabel und gefährdet die Pressefreiheit", betont Breyer,
ehemals Vorsitzender der PIRATEN-Fraktion im Landtag von
Schleswig-Holstein. Laufende EU-Gerichtsverfahren mit weitreichenden
Folgen für jeden Bürger würden so weitgehend zu Geheimverfahren.

"Presse und Öffentlichkeit dürfen in Grundsatzprozessen jedoch




nicht vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Die Idee, Staaten und
Institutionen müssten vor Gericht unabhängig von jeder öffentlichen
Kritik und Kontrolle auftreten können, widerspricht dem Grundgedanken
der Demokratie und der Pressefreiheit. In Zeiten der
Legitimationskrise der EU weckt diese Intransparenz der EU-Justiz
eher Misstrauen als Vertrauen zu fördern. Gerechtigkeit braucht
Öffentlichkeit", so Breyer.

Hintergrund:

Weil der EuGH bisher keinerlei Zugang zu eingereichten Argumenten
und Anträgen gewährt, verlangte Breyer von der EU-Kommission die
Herausgabe österreichischer Schriftsätze zur Nichtumsetzung der
umstrittenen Vorratsdatenspeicherung. In erster Instanz wurde die
Kommission zur Herausgabe verurteilt und ist dem nachgekommen,[3]
jedoch nicht ohne Berufung gegen das Urteil einzulegen. Die Berufung
wurde heute zurückgewiesen.

Generalanwalt Bobek hatte im Dezember für einen umfassenderen
Zugang zu Dokumenten des Gerichtshofs plädiert.[4] Der Gerichtshof
solle seine bisherigen restriktiven Zugangsregelungen überdenken.
Schriftsätze könnten sowohl in abgeschlossenen als auch, in
beschränkterem Umfang, in anhängigen Rechtssachen öffentlich
zugänglich gemacht werden. Darüber hinaus regt der Generalanwalt an,
Parteischriftsätze künftig auf der Website des Gerichtshofs zu
veröffentlichen. Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof in
Straßburg gewährt schon heute öffentlichen Zugang zu eingereichten
Schriftsätzen.

Die europäischen Gerichte entscheiden über die Auslegung und
Gültigkeit europäischen Rechts, auch über dessen Vereinbarkeit mit
den Grundrechten. Kontrovers diskutiert wurden etwa Urteile des
Gerichtshofs zur Vorratsdatenspeicherung, zum Recht auf Vergessen im
Internet sowie das anstehende Urteil zum Kauf von Staatsanleihen
durch die Europäische Zentralbank ("Euro-Rettung").

Quellen:

[1] Pressemitteilung des EuGH zum heutigen Urteil:
http://ots.de/aw3Tp
Das Urteil im Wortlaut: http://ots.de/GReeW
[2] Prozessdokumentation: http://www.patrick-breyer.de/?p=561245
[3] Veröffentlichte Schriftsätze nach erstinstanzlicher Verurteilung
der EU-Kommission: http://www.patrick-breyer.de/?p=561245#Neubescheid
[4] Schlussanträge des Generalanwalts (Pressemitteilung):
http://ots.de/JNBCK

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