(ots) - Ist die pure Geldpolitik tatsächlich noch die
Richtschnur der EZB beim Ausstieg aus den Anleihekäufen? Zumindest
sagt das EZB-Präsident Mario Draghi bei jeder Gelegenheit; so auch
bei der gestrigen Pressekonferenz nach der EZB-Ratssitzung. Er
verwies auf diverse konjunkturelle und monetäre Indikatoren, die in
der geldpolitischen Entscheidungsmatrix gewichtet und gegeneinander
abgewogen würden. Aber die Erklärungen des EZB-Chefs haben eines
gezeigt: Inzwischen diktieren die Märkte die Geldpolitik. Die
Geister, die Mario Draghi einst rief zur Abwehr einer eingebildeten
Deflationsgefahr, wird er nun nicht mehr los. Er muss taktieren,
politische Rücksichten nehmen - alles, was man mit der Verleihung des
Unabhängigkeitsstatus an die EZB eigentlich vermeiden wollte.
Angesichts eines festeren Eurokurses, der den Export erschwert,
und etwas ungünstigerer Finanzierungskonditionen sah sich der EZB-Rat
nicht einmal imstande, auch nur ansatzweise seinen Ausstiegswillen zu
bekunden. Dass die Märkte unlängst nach Draghis etwas
zuversichtlichen konjunkturellen Äußerungen ziemlich überreagierten,
scheint die EZB regelrecht geschockt zu haben. Sogleich ruderte sie
zurück. Deshalb die Zurückhaltung auch gestern. Das
Erpressungspotenzial der Märkte scheint die EZB gefügig zu machen.
Und je stärker die Notenbank sich in das Marktgeschehen einmischt,
desto mehr macht sie sich von Interessenlagen dort abhängig - und
umso schwerer wird der Ausstieg.
Irgendwann wird sie den Exit aber wagen müssen. Doch wird dieser
wohl - und das lässt sich ebenfalls aus Draghis Äußerungen
herauslesen - fast unmerklich daherkommen, so klein dürften die
Trippelschritte ausfallen. Dass die Ankaufgrenze von 33% der
Staatsanleihen in einigen Staaten dann schon im Sommer erreicht wird,
schreckt die EZB offenbar nicht. Draghi sprach in diesem Zusammenhang
von der "Flexibilität" einer Notenbank. Der EZB-Rat diskutierte das
Thema wohl nicht einmal.
Und hier spielt als zweiter Faktor das politische Kalkül eine
Rolle, dem sich die EZB ausgeliefert hat. Denn die Zinsen für
Staatsanleihen müssen mit Rücksicht auf besonders hochverschuldete
Staaten weiter niedrig bleiben. Ein Zinssprung würde vor allem die
Regierung in Rom in große Nöte bringen, weil die Staatsfinanzierung
viel teurer würde. Obendrein stehen dort Wahlen an. Die Notenbank
stünde als Buhmann da. Es ist fraglich, ob die EZB ihre
Glaubwürdigkeit - immerhin Basis ihres Handelns - bei solchen
Abhängigkeiten noch lange wahren kann.
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