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Landeszeitung Lüneburg: Sand in die Augen gestreut - Autoexperte Prof. Dr. Dudenhöffer hält Ergebnisse des Autogipfels für den Diesel für eine bloße Beruhigungspille

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(ots) - Die Ergebnisse des Diesel-Gipfels sind eher
moderat ausgefallen für die Autoindustrie. Reichen die Beschlüsse
aus, um das Vertrauen in die Branche wiederherzustellen?

Prof. Dr. Ferdinand Dudenhöffer: Nein. Die Beschlüsse sind
enttäuschend. Mit hoher Wahrscheinlichkeit muss weiterhin mit
Fahrverboten gerechnet werden. Die Beschlüsse reichen höchstens aus,
um vor der Bundestagswahl Sand in die Augen der Wähler und Autofahrer
zu streuen.

Die angebotenen Softwarelösungen für rund fünf Millionen Pkw
sollen die Stickoxid-Emissionen um 25 bis 30 Prozent senken. Das sei
genau die Menge, die man auch mit Fahrverboten auch erreichen würde,
betont der VDA.

Dudenhöffer: Wir wissen nicht, ob die Abgase tatsächlich um bis zu
25 Prozent gereinigt werden. Zusätzlich gilt die Lösung für weniger
als zwei Drittel aller Diesel auf Deutschlands Straßen. Zusätzlich
wissen wir nicht, ob alle 5 Millionen wirklich "freiwillig" das
Update nehmen. Es sind sehr viele "Unbekannte" in dieser Gleichung.
Ich kann daher die Rechnung des VDA nicht nachvollziehen.

Ist es also eher eine Beruhigungspille für die Politik, um
Fahrverbote zu verhindern?

Dudenhöffer: Nach meiner Einschätzung: Ja. So kurz vor der
Bundestagswahl ist es eine Beruhigungspille.

Wenn VW und Co. so schnell Softwarelösungen angeblich ohne
Nachteile für die Kunden wie Verbrauch oder Leistung aus dem Hut
zaubern können, warum haben sie diese Lösungen nicht von Anfang an
gewählt?

Dudenhöffer: Das ist die Kernfrage, die alle beschäftigt - und auf
die kann nicht einmal der liebe Gott eine Antwort geben. Angeblich
will man plötzlich den Stein der Weisen gefunden haben, meint der VDA
- und der Fortschritt bei Software so gewaltig sein soll, das man
damit zum Mond fliegen könnte.





Warum wurde auf Hardware-Lösungen verzichtet? War es zu
kompliziert?

Dudenhöffer: Es ist schlicht zu teuer. Eine Hardware-Nachrüstung
kostet rund 1500 Euro pro Fahrzeug. Das wäre für die Autohersteller
auf mehr als 15 Milliarden Euro hinaus gelaufen. Die Autobauer haben
auch keine rechtliche Verpflichtung zu einer solchen Nachrüstung. Es
wäre also gegenüber den Herstellern, den Aktionären und den
Mitarbeitern nicht zumutbar. Meiner Einschätzung nach haben das
Problem die Politiker verursacht. Seit 2010 wissen wir, dass die
Bundesregierung von der EU abgemahnt wurde, weil die
Stickoxid-Belastung in vielen Städten zu hoch ist. Seit 2010 wissen
wird, dass 70 Prozent dieser Belastungen von den Diesel-Pkw emittiert
werden. Seit 2010 wissen wir, dass die Diesel-Pkw im normalen
Fahrbetrieb alles andere als sauber sind. Die Politik weiß das, hat
aber sieben Jahre nichts getan. Jetzt entscheiden Gerichte. Ausbaden
müssen das die Bürger, die die Politiker gewählt haben.

Die Firma Twin-Tec bietet ja Hardware-Nachrüstungen an.

Dudenhöffer: Ja, technisch möglich sind solche Nachrüstungen. Die
müssten von den Autobauern "freigegeben" werden und dann kann sich
die jeder kaufen. Aber warum sollten das die Autobauer bezahlen, wenn
sie im Prinzip gegen keine gesetzlichen Regelungen verstoßen haben?
Die Frage ist doch viel mehr, warum Politiker so bescheuerte Gesetze
und Regelungen erlassen haben? Diese Politik-Fehler kosten Geld. Viel
Geld. Und dass muss dummerweise derjenige bezahlen, der einen
Diesel-Pkw gekauft hat.

Im Juli ist der Anteil der Pkw mit Dieselmotor im Vergleich zum
Vorjahresmonat von 47,1 auf 40,5 Prozent gefallen. Hat der Diesel als
Antrieb in Pkw ausgedient?

Dudenhöffer: Der Anteil wird noch weiter runtergehen. Die
Politiker haben es beim Diesel-Gipfel versäumt, Weichen für die
Zukunft zu stellen. Sie hätten viel auf den Weg bringen können und
müssen. Niemand hätte sie daran gehindert.

Was denn zum Beispiel?

Dudenhöffer: Man hätte ein Gesetz auf den Weg bringen können,
wonach Diesel-Fahrzeuge zu 100 Prozent die Abgaswerte auch im
Fahrbetrieb einhalten müssen. Man hätte diese langweilige Behörde in
Flensburg aufspalten können, in dem man gesagt hätte, wir geben die
Verantwortung für die Einhaltung von Umweltschutzauflagen an das
Umweltbundesamt. So hätte man eine schärfere, klarere Linie fahren
können. Wir hätten einen großen Schritt in neue Mobilität gehen
können und nach dem Vorbild von Staaten wie Großbritannien oder
Frankreich festlegen können, dass wir 2030 oder 2040 auf
Verbrennungsmotoren verzichten. Wir hätten sagen können, dass wir den
künstlichen Boom an Diesel-Fahrzeugen nicht mehr über Steuern
finanzieren werden. Von 1985 bis heute sind rund 200 Milliarden Euro
in die Steuererleichterungen für Diesel geflossen. Geld, mit dem man
viel hätte machen können, das dem Staat nun aber fehlt. Man hätte
beim Diesel-Gipfel entscheiden können, dass die ungleiche Besteuerung
beendet wird. An den Tankstellen wären dann Benzin und Diesel etwa
gleich teuer - auch als deutlich sichtbares Signal an die Bürger,
dass sich ein Diesel-Antrieb nicht lohnt. Auch die Kfz-Steuer hätte
angeglichen werden können Stattdessen hat die Politik beim Gipfel
nichts gemacht - außer vielleicht den Kaffee für die Teilnehmer
bezahlt. Aus all diesen Gründen bin ich sehr enttäuscht vom Gipfel.

Was sagen Sie denn zu den Vorwürfen der Kartellbildung gegen die
Autobranche?

Dudenhöffer: Wir müssen abwarten, was überhaupt bei den
Ermittlungen rumkommt. Die Vorwürfe sind zwar nachvollziehbar. Aber
Absprachen und Vereinbarungen gibt es immer. Nun muss geschaut
werden, ob es regelgerechte Vereinbarungen waren oder ob dabei der
Wettbewerb ausgehebelt worden ist. Das kann man heute pauschal nicht
sagen. Aber in Brüssel weiß man schon seit einigen Jahren von diesen
Vorwürfen, aber bisher ist nicht offizielles herauskommen. Das ist
ein Hinweis darauf, dass die Nachforschungen, die Ermittlungen sehr
schwierig sind und die Vorwürfe schwer zu beweisen sind. Also gilt
weiterhin die Unschuldsvermutung gelten.

Angeblich haben sich die Hersteller darauf geeinigt, kleinere
Adblue-Tanks einzubauen, weil es unkomplizierter und deutlich
kostengünstiger ist. Wäre hier nicht gleich der Keim gelegt worden
für Abgas-Betrügereien?

Dudenhöffer: Richtig. Wenn das zu träfe, wäre es ein
Normierungskartell, das gegen Wettbewerb, Fortschritt und
Umweltschutz verstoßen würde. Aber das muss erst einmal nachgewiesen
werden.

Kann vor allem VW die Diesel-Krise dauerhaft überstehen?

Dudenhöffer: Ja. Der Autofahrer bezahlt ja die Zeche. Hinzu kommt,
dass in vielen anderen Ländern die Diesel-Krise nicht von Interesse
ist. In China zum Beispiel gibt es keinen Markt für Diesel-Pkw. Die
Diesel-Krise wird die Branche also nicht umwerfen. Viel gefährlicher
ist es, wenn der Weg in die neue Mobilität verpasst wird. Tesla ist
mittlerweile der Premium-Hersteller für Elektroautos. Das ist
ungefähr so als würden sie ein Smartphone von Apple kaufen: Sie
halten dann den Erfinder des Smartphones in den Händen - und eben
nicht einen der Konkurrenten, die nachgezogen haben wie Samsung.

Ist das Model 3 von Tesla, das ab 35000 Dollar zu kaufen ist, die
große Kampfansage an die deutsche Autoindustrie?

Dudenhöffer: Ja, ganz sicher.

Das Interview führte Werner Kolbe



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Werner Kolbe
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werner.kolbe(at)landeszeitung.de

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Datum: 03.08.2017 - 17:48 Uhr
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