(ots) - Auf der Suche nach der größten Überraschung der
Finanzmärkte in diesem Jahr führt kein Weg am Euro vorbei. Sein
Höhenflug sprengt sämtliche Erwartungen. In der abgelaufenen Woche
pirschte sich die Währung sogar an die Schwelle von 1,20 Dollar
heran, als sie ein Zweieinhalbjahreshoch von etwas mehr als 1,19
Dollar erreichte. Damit hat sie seit dem Beginn des zweiten Quartals
in der Spitze um nahezu 12 Prozent aufgewertet. Das hatten
Währungsexperten nicht auf der Rechnung.
Noch zur Jahresmitte, also vor nicht einmal neun Wochen, lag etwa
der Durchschnitt der Bankprognosen per Ende September und Dezember,
die im Rahmen des Financial Expert Survey des Kölner Instituts der
deutschen Wirtschaft (IW) abgegeben wurden, nur bei rund 1,10 Dollar.
Auch die höchsten Prognosen, die jeweils bei 1,15 Dollar lagen, sind
mittlerweile deutlich übertroffen worden.
Von mehreren Seiten erhält die Währung in diesem Jahr Auftrieb. So
haben sich die geldpolitischen Vorzeichen, die zuvor den Dollar
gestützt hatten, zugunsten des Euro verschoben. Zwar hat die
US-Notenbank Fed ihren Leitzins angehoben, und die Europäische
Zentralbank ist noch weit von Zinserhöhungen entfernt. Allerdings
bewegen sich die Währungshüter allmählich auf die Reduzierung ihrer
Anleihekäufe zu und werden dies möglicherweise in einigen Wochen auch
verkünden.
Gleichzeitig hat die Fed zuletzt signalisiert, dass sie bei ihren
Zinserhöhungen stärker zu einem sehr langsamen Tempo tendiert. Das
hat dazu beigetragen, dass die Renditedifferenzen zwischen
Bundesanleihen und Treasuries deutlich geschrumpft sind, auch dies
eine Stütze für den Euro. Sie liegt nur noch bei rund 180
Basispunkten, ein Rückgang im Vergleich zu Ende 2016 von 42
Basispunkten.
Den Weg so richtig frei gemacht für den Höhenflug des Euro haben
allerdings die politischen Entwicklungen. Lange haben die Sorge über
das Vorrücken der Populisten im Euroraum und damit verbunden über ein
Auseinanderbrechen der Europäischen Union die Währung an der Kette
gehalten. Es ist kein Zufall, dass die Euro-Hausse nach dem ersten
Durchgang der französischen Präsidentschaftswahl startete, aus dem
Emmanuel Macron als Sieger hervorging.
Doch nicht nur die europäische Politik spielte dem Euro in die
Hände. Der Dollar wurde von der Politik quasi in die Zange genommen,
weil sich die Präsidentschaft von Donald Trump zunehmend zu einem
Fiasko entwickelt, und es gibt derzeit auch wenig Anhaltspunkte für
eine baldige Besserung. Zu Jahresbeginn noch ein Plus für den Dollar
und ein Malus für den Euro, hat sich die Rolle der Politik als Faktor
für den Euro-Dollar-Wechselkurs gegen den Dollar gekehrt.
Das hat auch erhebliche Konsequenzen für die kursrelevanten
Erwartungen an die Folgen Trump'scher Wirtschaftspolitik. Die
Aussichten auf die Durchsetzung seiner potenziell wachstums-,
inflations- und zinstreibenden Agenda schwinden zusehends und damit
auch die Erwartungen an ein den Dollar begünstigendes
transatlantisches Gefälle. Zumal der Euroraum eine ermutigende
wirtschaftliche Entwicklung zeigt.
Trotz alledem scheint das Ausmaß der Euro-Hausse etwas zu viel des
Guten. So ist die konjunkturelle Entwicklung des Euroraums auch nicht
unbedingt berauschend. Zudem könnte von politischer Seite - im Fokus
steht Italien - wieder Verunsicherung in den Markt kommen. Nicht zu
vergessen ist auch, dass die Fed ihren Leitzins zwar nur sehr
behutsam erhöhen will. Sie hat kürzlich aber auch erklärt, dass sie
recht bald dazu übergehen will, ihre Anleihebestände abzubauen,
während es für die EZB zunächst lediglich darum gehen wird, den
Umfang ihrer Käufe zu reduzieren.
Der Euro droht außerdem, letztlich Opfer seines eigenen Erfolgs zu
werden. Denn sein erhöhtes Kursniveau bedeutet eine Hypothek für die
wirtschaftlichen Aussichten des Euroraums. Zudem verschlechtern sich
- erst recht, wenn sich die Hausse fortsetzen sollte - die Aussichten
auf eine Annäherung der Inflation an das Ziel der Europäischen
Zentralbank. Beides dürfte die Währungshüter des Euroraums nicht
gerade ermutigen, energisch den geldpolitischen Schwenk in Angriff zu
nehmen.
Prinzipiell spricht nichts dagegen, dass der Euro in nächster Zeit
auch noch über die Schwelle von 1,20 Dollar klettert. Eine Korrektur
nach unten erscheint auf den erreichten Höhen jedoch um einiges
wahrscheinlicher als eine Fortsetzung der Aufwärtsbewegung im Tempo
der zurückliegenden Monate.
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