(ots) - Das ist keine Privatsache und auch keine
Privatwirtschaft. Das mal vorweg. Altkanzler Gerhard Schröder will am
29. September in die Dienste des halbstaatlichen russischen
Ölgiganten Rosneft eintreten - als sogenannter "unabhängiger
Direktor" im siebenköpfigen Aufsichtsrat. Dieser Konzern ist nicht
ansatzweise mit einer privaten Firmen zu vergleichen. Rosneft steht
auf der Sanktionsliste der Europäischen Union. Europäische Banken
dürfen keine Geldgeschäfte von mehr als 30 Tagen Laufzeit mit Rosneft
machen. Das Unternehmen hat versucht, beim Europäischen Gerichtshof
mit juristischen Mitteln gegen die Sanktionen vorzugehen - ohne
Erfolg. Der russische Staat hält 50 Prozent der Aktien. Die Bosse von
Rosneft sind Putin treu ergeben. Rosneft-Chef Igor Setschin gehört
zum innersten Freundeskreis Putins und ist einer der
einflussreichsten und mächtigsten Russen überhaupt. Mit Putin
verbindet ihn eine alte Seilschaft aus gemeinsamen St. Petersburger
Tagen. Von vier auf über 40 Prozent Rosneft gilt mittlerweile als
größter Ölproduzent der Welt. Als Putin an die Macht kam, hatte der
Konzern einen Marktanteil von vier Prozent, heute sind es mehr als 40
Prozent. Rosneft konnte zahlreiche private Konkurrenten relativ
problemlos übernehmen, auch die Firma des früheren Oligarchen
Michail Chodorkowski. Rosneft hat der Führung Venezuelas unter
Staatschef Nicolás Maduro gerade ein Darlehen in Höhe von sechs
Milliarden Dollar gewährt. Konzernchef Setschin hat im Mai erklärt,
er wollen in den kommenden fünf Jahren 600 Millionen Euro in
Deutschland investieren, unter anderem zur Modernisierung von
Raffinerien. Anfang Juni trafen sich Schröder, Putin und
Bundesaußenminister Sigmar Gabriel in St. Petersburg zu einem als
privat deklarierten Abendessen. Bitte Klartext! Vor diesen
Hintergründen hat SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz gesagt, der neue
Aufsichtsratsposten Schröders sei dessen "Privatsache" Nun: Die
Lobbyarbeit eines ehemaligen Bundeskanzlers für einen halbstaatlichen
russischen Ölkonzern kann nicht einfach zur Privatsache erklärt
werden. Und dass Martin Schulz nach einer eventuellen Kanzlerschaft
nicht in der Privatwirtschaft arbeiten will, mag ihn im Gegensatz zu
seinem SPD-Genossen Schröder auszeichnen, verfehlt aber das Thema;
denn Rosneft ist keine Privatwirtschaft. Hier wäre ein eindeutiger
Kommentar der SPD-Spitze angebracht gewesen, und zwar in einer
Klartext-Version des SPD-Chefs, der ansonsten nicht zimperlich ist.
Immerhin hat er der Bundeskanzlerin einen "Anschlag auf die
Demokratie" vorgeworfen. Da ging es allerdings nicht um einen mit
mehr als 500000 Dollar pro Jahr dotierten Aufsichtsratssitz, sondern
ums angebliche Aussitzen...
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