(ots) - Koalitionsverhandlungen sind wie
Tarifverhandlungen. Am Ende wird es einen Kompromiss geben, mit dem
die beteiligten Parteien leben beziehungsweise regieren können. Es
kann auch sein, dass ein Wahlergebnis Menschen an einen Tisch zwingt,
die mit ihrem jeweiligen Gegenüber eigentlich keine Partnerschaft
eingehen wollen. Leidenschaft ist dann fehl am Platze, eher
unsentimentale Nüchternheit gefragt.
Wer demnächst regieren will und auf vorliegende Umfragen schaut,
der sollte sich mit dem Gedanken vertraut machen, dass genau das nach
der Bundestagswahl geschehen kann. Am 24. September um 18.01 Uhr wird
es nicht mehr um Wünsche, Träume und Visionen gehen, ab dann geht es
um die Macht. Für Angela Merkel, die Weltmeisterin des strategischen
Machterhalts, läuft es in diesen Tagen einmal mehr prima. Sie wird
die stärkste Partei repräsentieren. An der Union vorbei wird keine
Regierung auf Bundesebene gebildet werden können. Innerparteilich
gibt es niemanden, der ihr gefährlich werden kann. Merkel kann das
Wahlergebnis ohne Druck abwarten und anschließend entscheiden.
Für die potenziellen Partner ist das Spiel komplizierter. Dennoch
beziehungsweise genau deshalb wägen Liberale wie Grüne ihre Worte
fein ab, um nicht Brücken einzureißen, über die sie möglicherweise
noch gehen werden müssen. Es ist ja kein großes Geheimnis, dass sich
Ministerpräsident Winfried Kretschmann bis heute darüber ärgert, dass
seine Partei vor vier Jahren fahrlässig die Bildung einer
schwarz-grünen Bundesregierung versemmelt hat. Wenn die Union
tatsächlich nicht mehr mit der SPD koalieren möchte oder auch die
Sozialdemokraten lieber in die Opposition wollen, dann ist die
Wahrscheinlichkeit hoch, dass nur ein Jamaika-Bündnis aus Union, FDP
und Grünen eine solide Mehrheit hinter sich versammeln kann.
Für die Kanzlerin wäre es eine neue Erfahrung, aber kein
Abenteuer. Für das Kleinklein und den Zank wären die schmächtigeren
Partner zuständig. Um das Große kümmert sich Angela Merkel.
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