(ots) - Es klingt erfreulich: Die Integration von
Muslimen in Deutschland mache deutliche Fortschritte, so das Fazit
einer Studie der Bertelsmann-Stiftung. Auf dem Arbeitsmarkt, bei der
Bildung, im Kontakt mit Nichtmuslimen - überall gehe es gut voran,
beide Gruppen glichen sich statistisch immer mehr an. Die Studie hat
aber einen erheblichen Mangel: Muslime, die nach 2010 eingewandert
sind, wurden nicht berücksichtigt. Da jedoch von den etwa 4,5
Millionen Muslimen in Deutschland ein Viertel erst kürzlich als
Flüchtlinge gekommen sind, hat die Studie begrenzte Aussagekraft. Und
doch birgt gerade dieses Defizit einen großen Nutzen. Indem die
Studie Menschen in den Blick nimmt, die schon lange in Deutschland
leben, korrigiert sie den Eindruck, dass Muslime in Deutschland ein
neues, kaum beherrschbares Phänomen seien. Das sind sie natürlich
nicht. Sie sind Nachbarn, Kollegen, Mitschüler. Türken, Araber und
Nordafrikaner leben in dritter, teils vierter Generation in
Deutschland. Jahrzehnte sind vergangen seit der Ankunft der
"Gastarbeiter". Ihre Kinder und Enkel sind Handwerker, Ärztinnen oder
auch arbeitslos - fast deutscher Durchschnitt eben. Doch ihre
Alltagserfahrungen in der Schule, auf dem Arbeitsmarkt, in Ämtern
oder bei der Wohnungssuche sind aus dem Blickfeld geraten, seitdem
die Debatte nur noch um Flüchtlinge und/oder Terroristen kreist. Das
hat das Denken über Integration verengt. Das ist fatal, denn längst
ist bei den Nachkommen der Einwanderer nicht alles gut. Dass ein
Drittel der jungen Muslime die Schule vor dem 17. Lebensjahr
verlässt, ist alarmierend. Doch konstruktive Ideen, um
Migrantenkinder zu höheren Abschlüssen zu führen, werden kaum noch
diskutiert. Angeblich integrationspolitische Vorstellungen der
Parteien im Wahlkampf handeln auffallend oft vom Gegenteil: von
Abschiebung, Bürokratisierung und Sanktionierung. Und die
Leitkultur-Debatte entblößt ein ums andere Mal ein peinliches
Missverständnis: Imitation ist keine Integration. Es reicht nicht,
einander zur Begrüßung die Hand zu reichen, um als integriert zu
gelten. Selbst eine Arbeitsstelle, gute Sprachkenntnisse und Freunde
mit biodeutschem Stammbaum schützen nicht vor Ausgrenzung, wie die
Süleymans und Aydans wissen, die sich mal um einen Job oder eine
Wohnung beworben haben. Sie sind übrigens in großer Zahl auch Wähler.
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