(ots) -
"Zuwanderung und Integration" bleibt auch 2017 das Topthema der
deutschen Sorgenagenda. Im Vergleich zu 2016 verliert die Thematik
aber mit einem Rückgang um 27 Prozentpunkte deutlich an Brisanz. Im
Gegenzug werden andere Herausforderungen wie Armut, Renten und
Kriminalität wieder dringlicher. Die langjährige Hauptsorge
Arbeitslosigkeit bleibt unter den Top 5, stabilisiert sich aber auf
einem historisch niedrigen Niveau. Dies zeigt die Studie "Challenges
of Nations 2017", für die mehr als 27.500 Menschen in 24 Ländern nach
den dringendsten Herausforderungen in ihrem Land befragt wurden. Ãœber
alle Nationen hinweg betrachtet dominiert das Thema Arbeitslosigkeit
das Sorgenranking.
Erklärvideo zur Studie: https://youtu.be/Y405UUbIm0w
Nachdem die Besorgnis über Zuwanderung und Integration im
vergangenen Jahr sprunghaft angestiegen war, sinkt sie 2017 wieder.
Nichtsdestotrotz macht sich immer noch knapp mehr als jeder zweite
Deutsche (56 Prozent; 2016 noch 83 Prozent) Gedanken über dieses
Thema. "Seitdem die Balkan-Route geschlossen wurde und im März 2016
das EU-Türkei-Abkommen in Kraft getreten ist, hat sich die Zahl der
ankommenden Flüchtlinge erheblich verringert", sagt Raimund Wildner,
Geschäftsführer des GfK Vereins. "Auch wenn ein weiterer Zuzug damit
erst einmal gebremst worden ist, sehen viele Deutsche dennoch die
gesellschaftliche Aufgabe, die Migranten in Deutschland zu
integrieren."
Die Zuwanderung stellt auch die deutsche Außenpolitik vor
Herausforderungen, die aktuell zehn Prozent der Deutschen
beschäftigt. Gründe für den Anstieg sind neben der Europapolitik mit
der Abkehr vom sogenanntem Dubliner Abkommen und dem Brexit auch die
sich verschärfenden Konflikte mit der Türkei.
Armut löst wachsende Beunruhigung aus
Mit einer Steigerung um 7 Prozentpunkte landet das Thema Armut mit
17 Prozent erstmals auf dem zweiten Platz des Sorgenrankings. Hier
nennen die Befragten vor allem die Altersarmut als Problem. Die
Anzahl der Bezieher von Grundsicherung im Alter steigt, und die
zukünftige Entwicklung der umlagefinanzierten gesetzlichen
Rentenversicherung wird angesichts der demografischen Entwicklung und
veränderter Erwerbsbiografien kontrovers diskutiert. In diesem
Zusammenhang nimmt aktuell auch die geäußerte Besorgnis um die Renten
und die Altersversorgung zu (2017: 14 Prozent; 2016: 8 Prozent). Sie
liegt in diesem Jahr auf Rang 5.
Steigende Sorge über Kriminalität und Terrorismus
Die Beunruhigung über die Kriminalität steigt von zehn auf 16
Prozent und ist damit aktuell auf dem dritten Platz der Sorgenliste
positioniert. Laut Kriminalstatistik ist die Zahl der registrierten
Straftaten in Deutschland von 2015 auf 2016 insgesamt um knapp ein
Prozent gestiegen. Im Detail zeigen sich jedoch größere
Veränderungen: So gehen zum Beispiel die Wohnungseinbrüche zurück,
auch bei Ladendiebstählen und Wirtschaftskriminalität bessert sich
die Lage. Anders sieht es dagegen bei der Gewaltkriminalität und bei
Straftaten gegen das Waffengesetz aus. Einen neuen Höchststand
erreichen auch politisch motivierte Straftaten.
Unter den zehn wichtigsten Sorgen in Deutschland befindet sich
2017 erstmals der Terrorismus mit einem Anstieg von vier auf neun
Prozent (Platz 10). "Die Angst vor Terrorismus ist weiter ins
Blickfeld der Bevölkerung gerückt, insbesondere seitdem auch
Deutschland Zielscheibe terroristischer Gewalt geworden ist",
erläutert Wildner. Im Juli 2016 hatte ein Attentäter in einem
Regionalzug mit einer Axt mehrere Menschen angegriffen. Nur wenige
Tage später sprengte sich ein Attentäter in Ansbach in die Luft. Bei
einem LKW-Attentat auf einen Weihnachtsmarkt in Berlin starben im
Winter 2016 zwölf Menschen.
Sorge um Arbeitslosigkeit bleibt auf relativ niedrigem Niveau
Die Sorge um die Arbeitslosigkeit rangiert aktuell mit 16 Prozent
auf Platz 4 und positioniert sich somit trotz einer leichten Zunahme
erstmals seit Beginn der Studie nicht unter den Top 2. Mit einer
Arbeitslosenquote von 4,1 Prozent laut OECD für das Jahr 2016 waren
seit der Wiedervereinigung noch nie so wenige Menschen ohne
Beschäftigung.
Die Herausforderungen in Deutschland 2007 bis 2017
in % 2007 2009 2011 2013 2015 2016 2017
Zuwanderung/
Integration 7 7 16 8 35 83 56
Armut 3 6 6 13 15 10 17
Kriminalität 10 8 17 8 10 10 16
Arbeitslosigkeit 67 57 55 32 22 13 16
Renten/
Altersversorgung 18 9 17 14 16 8 14
Preis-/ Kaufkraftentwicklung 18 13 33 29 16 8 12
Bildungspolitik 10 14 23 16 15 9 12
Soziale Sicherung 8 13 25 12 9 8 11
Außen-/ Welt-/ Europapolitik - 1 4 4 7 7 10
Terrorismus - - 1 1 6 4 9
Quelle: GfK Verein, Challenges of Nations 2017
Große Unterschiede bei der Inflationsangst im Ost-West-Vergleich
Nach einer rückläufigen Tendenz in den vergangenen Jahren nimmt
2017 auch die Sorge um die Preis- und Kaufkraftentwicklung wieder zu
und erreicht nun zwölf Prozent. Dabei ist die Kaufkraft 2016 bereits
zum dritten Mal in Folge gestiegen. Dies ist in erster Linie das
Resultat einer niedrigen Inflation, die laut OECD im
Jahresdurchschnitt 2016 bei 0,5 Prozent lag. Dennoch wünschen sich
die Deutschen vor allem höhere Löhne und eine gerechtere
Einkommensverteilung. Bei der Sorge über die Preis- und
Kaufkraftentwicklung lohnt sich der Vergleich zwischen neuen und
alten Bundesländern. In Westdeutschland sorgen sich nur zehn Prozent
darüber, während diese Sorge im Osten mit 18 Prozent unter den Top 5
rangiert. Auch aus dem Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand
der Deutschen Einheit 2016 geht hervor, dass sich die sozialen
Verhältnisse in den neuen und alten Bundesländern auseinander
entwickeln anstatt sich anzugleichen.
Arbeitsmarkt und Inflation international im Fokus
Im Vergleich der 24 weltweit untersuchten Länder betrachten die
Menschen 2017 die Arbeitslosigkeit (24 Prozent) als größte
Herausforderung, allen voran Spanien mit 61 Prozent. Auf dem ersten
Platz liegt das Thema in drei weiteren Ländern, nämlich in
Frankreich, Italien und Indien. Ähnlich stark beunruhigt wie über die
Arbeitslosigkeit sind die Menschen über die Preis- und
Kaufkraftentwicklung (23 Prozent), welche im letzten Jahr noch ganz
knapp vorne lag. Trauriger Spitzenreiter im Ländervergleich ist
hierbei Nigeria (67 Prozent), aber auch in Russland und Indonesien
stellt das Thema die Hauptsorge dar.
In den meisten Ländern präsentieren sich die globalen Top 2, die
Arbeitslosigkeit und die Preis- und Kaufkraftentwicklung, auch als
Hauptkritikpunkte. In einigen Ländern stehen jedoch andere Felder im
Fokus: In Japan spielen traditionell die Familienpolitik und
Altersfürsorge die größte Rolle, während in Großbritannien, Polen und
den Niederlanden das Gesundheitswesen die Hauptsorge darstellt. Die
Bekämpfung der Kriminalität steht in Mexiko und Südafrika ganz oben
auf der Aufgabenliste, in Kenia die Korruption und in Südkorea die
wirtschaftliche Stabilität. Und obwohl der Themenkomplex um
Zuwanderung und Integration nicht in den globalen Top 10 vertreten
ist, belegt dieser neben Deutschland auch in Österreich, Schweden,
der Schweiz und den USA den ersten Platz.
Zur Studie
Diese Ergebnisse sind ein Auszug aus der Studie "Challenges of
Nations 2017" und basieren auf rund 27.500 Interviews, die im Auftrag
des GfK Vereins im Frühjahr 2017 in insgesamt 24 Ländern durchgeführt
wurden: Belgien, Brasilien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien,
Indien, Indonesien, Iran, Italien, Japan, Mexiko, Niederlande,
Nigeria, Österreich, Polen, Russland, Schweden, Schweiz, Spanien,
Südafrika, Südkorea, Türkei und die USA. Neu hinzugekommen ist in
diesem Jahr Kenia. Grundlage der Untersuchung ist folgende offene
Frage, die jedes Jahr unverändert gestellt wird: "Was sind Ihrer
Meinung nach die dringendsten Aufgaben, die heute in [jeweiliges
Land] zu lösen sind?" Die Befragten erhalten keinerlei beschränkende
Vorgaben für ihre Antwortmöglichkeiten, Mehrfachnennungen sind
möglich.
Zum GfK Verein
Der GfK Verein ist eine 1934 gegründete Non-Profit-Organisation
zur Förderung der Marktforschung. Er setzt sich aus rund 550
Unternehmen und Einzelpersonen zusammen. Zweck des Vereins ist es,
innovative Forschungsmethoden in enger Zusammenarbeit mit
wissenschaftlichen Institutionen zu entwickeln, die Aus- und
Weiterbildung von Marktforschern zu fördern und die für den privaten
Konsum grundlegenden Strukturen und Entwicklungen in Gesellschaft,
Wirtschaft und Politik zu verfolgen sowie deren Auswirkungen auf die
Verbraucher zu erforschen. Die Studienergebnisse werden den
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