(ots) - Von Matthias Beermann
Die Flüchtlingskrise scheint zwar weit weg in diesen Tagen, aber
das ist nur eine Frage der Perspektive: Fragen Sie mal einen
Italiener. Italien hat allein im vergangenen Jahr mehr als 180.000
Boat-People aufgenommen. Seit die Balkanroute über die Türkei und
Griechen nach Mitteleuropa geschlossen ist, kommen die Menschen über
das zentrale Mittelmeer. Es sind nun nicht mehr vorwiegend syrische
Bürgerkriegsflüchtlinge, sondern vor allem Migranten aus Afrika. Und
weil die Nachbarn im Norden die Grenzen abgeriegelt haben, bleiben
sie in Italien hängen. Zwar gibt es eine Absprache in der EU, die
Last mit den Italienern zu teilen und Migranten zu übernehmen, aber
sie wird von den meisten EU-Partnern boykottiert. Also haben die
Italiener im Alleingang gehandelt - wer wollte es ihnen verdenken?
Sie nahmen die Hilfsorganisationen im Mittelmeer an die Kandare, sie
schickten Geld und Material für die libysche Küstenwache, sie taten
alles, um die Boote der Flüchtlinge zu stoppen, bevor sie
internationales Gewässer erreichen, wo man sie aus dem Meer fischen
müsste. Diese Maßnahmen und womöglich auch die Kooperation obskurer
libyscher Milizen haben dazu geführt, dass die Flüchtlingszahlen
zuletzt drastisch zurückgegangen sind. Doch das hat einen Preis, über
den die Verantwortlichen der rabiaten Grenzsicherung nicht gerne
sprechen: Die libyschen Auffangzentren, in denen die abgefangenen
Flüchtlinge landen, sind Orte des Grauens, in denen gefoltert,
vergewaltigt und gemordet wird. Zudem scheinen die Schlepper bereits
eine neue Route gefunden zu haben: Tausende setzten zuletzt bei
Gibraltar über.
Schon seit einiger Zeit versucht die EU, den Zustrom zu stoppen,
indem sie mit den wichtigsten Transitländern der Migranten
zusammenarbeitet. Darum ging es auch gestern auf dem Pariser
Flüchtlingsgipfel. Die Idee ist grundsätzlich richtig, aber niemand
sollte Wunder erwarten. Afrikanische Regierungen zu bezahlen, damit
sie Flüchtlinge aufhalten, ist keine dauerhafte Lösung, das hat sich
schon früher gezeigt. Die Einrichtung von Auffangzentren in sicheren
afrikanischen Ländern, wo Flüchtlinge einen Antrag auf legale
Einreise stellen können, ist dagegen immerhin einen Versuch wert. Sie
setzt aber voraus, dass Europa sich auch bereiterklärt, eine
signifikante Anzahl von Menschen von dort aufzunehmen. Wirklich
nachlassen wird der Migrationsdruck aber erst, wenn sich die
Lebensbedingungen der Menschen in Afrika so weit verbessern, dass sie
aufhören, jenseits aller Realität vom europäischen Paradies zu
träumen. Dabei sollten wir mithelfen, schon im eigenen Interesse.
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