PresseKat - Börsen-Zeitung: Verlangsamter Ausstieg der EZB, eine Marktanalyse von Kai Johannsen

Börsen-Zeitung: Verlangsamter Ausstieg der EZB,
eine Marktanalyse von Kai Johannsen

ID: 1525694

(ots) - An den Kapitalmärkten sticht eine Entwicklung
derzeit besonders hervor: die Stärke des Euro. Notierte die
Gemeinschaftswährung zu Beginn dieses Jahres noch um die 1,05 Dollar,
wurde in der gerade abgelaufenen Handelswoche die Marke von 1,20
Dollar übersprungen. Mit 1,2069 Dollar wurde der höchste Stand seit
Anfang 2015 erreicht. Die Aufwertung des Euro gegenüber dem Greenback
erfolgte aber nicht kontinuierlich während des gesamten
Jahresverlaufs 2017. Vielmehr bewegte sich der Euro bis etwa Ende
April seitwärts bei 1,04 bis 1,07 Dollar. Dann setzte er zu seiner
Aufwärtsbewegung an, die im Sommer an Fahrt gewann.

Gemessen an den Freitagskursen hat der Euro (1,1929) in diesem
Jahr eine Aufwertung von knapp 14 Prozent hingelegt. Das ist schon
recht ordentlich. Kein Wunder also, dass der Euro derzeit eines der
Hauptgesprächsthemen an den Märkten ist - neben geopolitischen
Risiken, aktuell etwa die Spannungen zwischen den USA und Nordkorea.

Analysten haben ihre ursprünglichen Prognosen bezüglich des
Euro-Dollar-Paars auch über den Haufen geworfen. So mancher hatte da
ja noch die Parität im Sinn. Mehr und mehr sehen die Experten denn
auch einen Einfluss der Euro-Stärke auf die Konjunktur. Ein stärkerer
Euro gilt etwa für Rainer Guntermann, Zinsexperte aus dem Hause der
Commerzbank, als Belastungsfaktor für Wachstum und
Inflationsentwicklung, auch wenn das nicht sofort der Fall sei.

Und die Euro-Stärke verkompliziere den Ausstieg der Europäischen
Zentralbank (EZB) aus ihrer unkonventionellen Geldpolitik - auch
Quantitative Easing (QE) genannt. Für Guntermann bedeutet dies einen
vorsichtigen QE-Ausstieg. Das sei wiederum ein positiver Effekt für
die Anleihemärkte. Mit anderen Worten: Die EZB wird wohl - sehr -
viel langsamer die Anleihekäufe zurückfahren, die Unterstützung der




unkonventionellen Geldpolitik ist für die Bondmärkte im Umkehrschluss
länger vorhanden. Das trieb in den vergangenen Tagen die Renditen am
Euro-Staatsanleihemarkt wieder nach unten. Die Rendite der
zehnjährigen Bundesanleihe sah im August ihren stärksten monatlichen
Rückgang seit einem halben Jahr.

Und die Euro-Stärke würde - so die Gerüchteküche an den Märkten -
Verantwortlichen bei der EZB zunehmend Sorgenfalten auf die Stirn
treiben. Es könnte durchaus sein, dass EZB-Chef Mario Draghi auf der
Pressekonferenz im Anschluss an die nächste Zinssitzung der EZB, die
am Donnerstag der neuen Handelswoche stattfindet, die Euro-Stärke
thematisiert, meinen Analysten.

Draghi könnte auf der Pressekonferenz verbal gegen eine anhaltende
Aufwertung des Euro intervenieren, so die Commerzbank-Experten.
Vorbild könnte die Reaktion der EZB im Frühjahr 2014 sein, als der
Euro auf fast 1,40 Dollar gestiegen war. Damals hob die Notenbank den
Euro-Anstieg in ihrer Risikoeinschätzung in den einleitenden
Bemerkungen explizit hervor. Der EZB-Rat werde die möglichen
Auswirkungen der Wechselkursentwicklung auf die Aussichten für die
Preisentwicklung "genau beobachten". Zusätzlich betonte der
EZB-Präsident während der Pressekonferenz, dass der Wechselkurs für
die Preisniveaustabilität "sehr wichtig" sei, schreiben die Experten
in ihrem wöchentlichen Ausblick hinsichtlich der anstehenden
EZB-Sitzung.

So wie ein schwacher Euro gut für die Preisentwicklung ist, - auch
wenn die EZB nicht offiziell kundtat, dass sie einen schwachen Euro
anstrebt, - so ist ein starker Euro nun umgekehrt eher schädlich. Das
bedeutet: Die geldpolitische Unterstützung könnte länger als gedacht
erforderlich sein, sollte sich die Aufwertung der
Gemeinschaftswährung in den kommenden Wochen fortsetzen.

Trotzdem gehen die meisten Experten davon aus, dass die EZB auf
der nun anstehenden Sitzung erste Signale hinsichtlich des Ausstiegs
geben könnte und sich dabei aber alle Optionen offenhält - wie immer.
Die Rückführung der Anleihekäufe könnte bei der Oktobersitzung
beschlossen werden. Ab 2018 könnte sie dann Realität werden. Über das
Ausmaß der Reduktion der monatlichen Bondkäufe gehen die Meinungen
der Experten aber auseinander.

Um den EZB-Ausstieg aus den Anleihekäufen für die Märkte
erträglicher zu machen, könnte es durchaus sein, dass die EZB die
Reinvestition ausgelaufener Bonds beschließt. Und das könnte noch
eine gute Unterstützung für die Märkte bedeuten. Laut Berechnungen
der Analysten von ABN Amro könnte sich das Volumen derartiger
Transaktionen in den nächsten drei Jahren auf 640 Mrd. Euro belaufen.
Das bremst einen Renditeauftrieb ab, der ja nicht gerade von der EZB
angestrebt wird.



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Datum: 01.09.2017 - 20:35 Uhr
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