(ots) - Robert Habeck, Grünen-Spitzenpolitiker und
Umweltminister in Schleswig-Holstein, übt Kritik am Erscheinungsbild
seiner Partei und vermisst richtigen Wahlkampf. Habeck sagte im
Interview mit der "Heilbronner Stimme" (Montag): "Es gibt ja gar
keinen richtigen Wahlkampf, er merkelt so vor sich hin. Europa in
der Krise, Flüchtlingswelle, weltweit zahlreiche halbseidene
Politiker an der Macht. Die Themen schreien geradezu nach wichtigen
Debatten. Nur, wir chillen so durch den Sommer. Da hat es eine
Oppositionspartei schwer, mit ihren Ideen durchzudringen."
Den Grünen sei es aber auch nicht gelungen, markanter wahrgenommen
zu werden. Habeck: "Wir haben eine andere Parteistruktur als die
anderen und damit auch eine breitere Basis in der Führung. Das
Problem ist nicht die Doppelspitze. Uns ist es aber nicht gelungen,
den unpolitischen Geist dieses Sommers zu vertreiben."
Ein Thema, mit dem die Grünen punkten könnten, sei die
Entspannungspolitik in Zeiten weltweit zunehmender Bedrohungslagen.
Habeck: "Rückzugspazifismus allein reicht nicht, um auf diese
Weltlage zu antworten. Man muss eine breitere
Kriegsvermeidungsstrategie verfolgen. Dazu gehört, auch die
energiepolitischen Interessen der Länder wie beispielsweise Russland
zu thematisieren. Hier sehe ich einen weiteren Verbindungspunkt zur
grünen Politik. Der Kampf für den Klimaschutz ist nicht nur ein
Chiffre für die Rettung des Eisbären, sondern auch dafür, die
liberale Demokratie zu verteidigen. Wenn wir uns als Partei dessen
bewusst sind, kann uns das weit tragen."
Der Grünen-Politiker erklärte: "Ich bin 1969 geboren, habe 1989
Abitur gemacht und den Wehrdienst verweigert - und dies mit dem
Kalten Krieg begründet. Nach dem Fall der Blöcke habe ich dann
allerdings nie mehr wirklich über Krieg als Bedrohung für mein
eigenes Leben nachgedacht. Wir müssen heute konstatieren: Die Kriege
nach dem Zerfall Jugoslawiens waren kein Abschied aus der
kriegerischen Welt, keine brutale Häutung zu einem vereinten Europa.
Nun nehmen die Spannungen und Bedrohungslagen wieder weltweit zu,
auch in Europa. Es fehlt eine breit getragene Entspannungspolitik."
Nach der Bundestagswahl sei kein Bündnis auszuschließen. Habeck:
"Wir sind in einer Zeit der extrem wichtigen Weichenstellungen. Man
muss auch mit Blick auf Baden-Württemberg sagen, dass ungewollte oder
ungeübte Bündnisse immer Alltag werden. In Schleswig-Holstein war
Jamaika nicht unser Ziel. Aber Politiker müssen mit der Entscheidung
der Wähler verantwortungsvoll umgehen. Wir können ja nicht so lange
wählen lassen, bis uns das Ergebnis passt. Es ist also völlig
richtig, vor der Wahl nichts auszuschließen. Aber die Hürden für
Jamaika im Bund wären ungleich höher als bei uns im Land - und das
heißt schon was. Leicht war der Weg dahin jedenfalls nicht."
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