PresseKat - NRZ: Lieber keine neue GroKo - von MANFRED LACHNIET

NRZ: Lieber keine neue GroKo - von MANFRED LACHNIET

ID: 1525856

(ots) - Ob jetzt die vielen Unentschlossenen wissen, wo sie
am 24. September ihr Kreuzchen setzen? Wohl kaum. Denn Kanzlerin und
Herausforderer trafen sich gestern Abend nicht zum Duell, sondern zu
einer eher freundlichen Plauderei. Mal lächelte Merkel zustimmend,
wenn Schulz was sagte. Und auch Schulz nickte nicht selten, wenn die
Kanzlerin sprach. Als Merkel überraschend die Rente mit 70 rundherum
ablehnte, applaudierte er spontan. Das war Große Koalition zum
Anfassen.

Dennoch war der Abend keine verlorene Zeit. Es war gut, dass
eingangs lange über Flüchtlinge und Integration gesprochen wurde. Bei
der heiklen Frage des Familiennachzuges wollte jedoch niemand konkret
sein. Beide wissen, dass man mit diesem Thema in diesen Tagen nicht
punkten kann. Gerade Merkel weiß nur zu gut, dass ihr hier Seehofer
im Nacken sitzt.

Bei der Beurteilung Erdogans musste Schulz kurz schnauben; als
Kanzler werde er die Beitrittsverhandlungen sofort abbrechen. Doch er
musste schnell einlenken, als die Kanzlerin erwähnte, dass sie
darüber eben mit dem Außenminister (SPD) gesprochen habe. Wie wollte
Schulz da widersprechen?

Allein bei der Maut gab's ein wenig Emotion: Als Schulz sie an
ihren Wortbruch vom letzten Wahlkampf erinnerte, wich sie kleinlich
aus. Im Gegenzug versprach der Sozialdemokrat sogleich, dass es mit
ihm als Kanzler keine Maut geben werde... - Wir werden es erleben.

Ãœber dem Abend schwebte das Dilemma der Sozialdemokraten: Die
lange Zeit der Kompromisse in der Großen Koalition hat ihre Konturen
verwischt. Schulz tat sein Bestes, um eigene Positionen zu
verdeutlichen. Etwa beim Schlusswort, wo er gefühlsbetont an "mehr
Gerechtigkeit" appellierte. Merkel ließ ihn sogleich mit Hinweis auf
die Linken abblitzen. So blieb's am Ende beim 0:0.

Schon deswegen sollten die Sozialdemokraten nach der Wahl keinen




Gedanken mehr an einer weiteren Großen Koalition verschwenden. Im
Klartext: Wenn Schulz nicht Kanzler wird, muss er mit seiner Partei
in die Opposition gehen, wo sich die SPD erholen kann, wenn sie es
klug anstellt.

Doch so weit ist es natürlich noch nicht. Knapp drei Wochen lang
wird nun um jede Stimme gekämpft. Alles ist möglich, wie die letzten
Wahlen gezeigt haben. Letztlich wird es vom Abschneiden der anderen
Parteien abhängen, welche Koalition unser Land gestalten will. Es
geht somit nicht allein um Merkel und Schulz allein, auch wenn nur
sie gestern im Fernsehstudio standen.



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Datum: 04.09.2017 - 07:22 Uhr
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