(ots) - Spötter sprechen bereits von einem Duett statt
einem Duell. Verglichen mit den "Elefantenrunden" vergangener
Jahrzehnte war die TV-Diskussion von Angela Merkel und Martin Schulz
am Sonntag eine harmonische Veranstaltung. Streit kam selten auf,
Spannung gar nicht. Dass der Erkenntnisgewinn für den Zuschauer am
Ende der Sendung sehr überschaubar war, lag aber nur zu einem Teil an
den beiden Kontrahenten. Hauptverantwortlich dafür war das
vierköpfige Moderatorenteam. Das Quartett ließ lange über die
Flüchtlingspolitik diskutieren. Gut, das ist für viele Menschen ein
großes Thema. Natürlich kann bei ausreichender Sendezeit auch breit
darüber parliert werden, wie mit der Türkei und dem Autokraten vom
Bosporus umgegangen werden soll. Selbstverständlich ist interessant,
was die Kanzlerin und ihr Herausforderer nun genau von US-Präsident
Donald Trump halten. Aber auf allen drei Feldern unterscheiden sich
die Positionen von Merkel und Schulz meist nur in Nuancen. Das war
aber schon vor der Sendung bekannt. Trotzdem trieben die Moderatoren
die beiden Kandidaten in Scheinkontroversen - allen voran der
Privatfernsehmann Claus Strunz, der mit verkürzten Zitaten und
falschen Zahlen der ganzen Diskussion offenbar auch noch eine rechte
Schlagseite geben wollte. Allein das war schon befremdlich. Richtig
ärgerlich wurde es aber, weil durch das Sendekonzept Themen in den
Hintergrund gedrängt wurden, die tatsächlich die unmittelbare
Lebenswirklichkeit vieler Wähler bestimmen. Ganze fünf Minuten wurde
am Sonntag über die Sozialpolitik debattiert. Nur kurz und
oberflächlich kam die Rente zur Sprache. Nachfragen zur Altersarmut?
Fehlanzeige! Steigende Mieten, sinkende Löhne - auch diese Probleme
wurden von den Moderatoren weiträumig umschifft. Der Klimawandel,
die Versäumnisse in der Bildungspolitik, zu wenig Investitionen in
die Infrastruktur - alles offenbar für die Fernsehleute nicht der
Rede wert. Doch gerade bei diesen Themen hätte ein Streit um Ideen
und Konzepte interessant werden können. Chance vertan. Die Kanzlerin
wird den Moderatoren dafür sicherlich nicht böse sein. Denn weil das
"Streitgespräch" so schön harmonisch verlaufen ist, darf sich Angela
Merkel nun als Siegerin des Duells wähnen. Sie hat ihrem rhetorisch
überlegenen, aber nur bedingt angriffsfähigen Herausforderer
halbwegs Paroli bieten können. Martin Schulz kann sich damit trösten,
dass er am Sonntag bei den bislang unentschlossenen Wählern deutlich
stärker punktete als die Kanzlerin. Die kleinen Parteien hoffen, dass
ihnen das müde Duell der beiden Großen Wähler zugetrieben hat.
Verlierer des Sonntagsabends waren hingegen die Fernsehzuschauer und
alle, die kontroverse Debatten für ein wesentliches Merkmal der
Demokratie halten.
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