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Wie wollen wir künftig wohnen? Jeder Mensch hat dazu eigene
Wünsche und Vorstellungen. Deshalb suchten die Landesbausparkassen
(LBS) und die Zeitschrift "DAS HAUS" beim diesjährigen
Bauherren-Wettbewerb "DAS GOLDENE HAUS" deutschlandweit nach den
Traumhäusern der Deutschen. Unter dem Motto "Gut geplant: Wir wohnen
nachhaltig und smart" bewarben sich 83 Bauherren, um mit individuell
geplanten Grundrissen, besonderen Raumlösungen und klugen Details zu
überzeugen. Unter den Einsendungen vergab die Jury zwei Hauptpreise,
vier Sonderpreise sowie zwei Anerkennungen. Eine der Anerkennungen
geht nach Thüringen an Dr. Horst Mentrup und Ursula Schiwon-Mentrup,
die ihr 2011 erworbenes Bauernhaus umfassend modernisieren ließen.
Den Auftrag übergaben sie an das Jenaer Architekturbüro "Merle
Stankowski", zu dessen Gründern ihre Tochter Lina Mentrup gehört.
Diese weckte mit ihren Partnern Julia Franziska Steffen und Mauricio
Albertoni das ruinöse Haus aus dem Dornröschenschlaf. Der Jury des
"GOLDENEN HAUSES" war diese Leistung einen Anerkennungspreis wert,
der mit 1.000 Euro dotiert ist. Heute ist das Objekt das Schmuckstück
von Seitenbrück, einem 80-Einwohner-Dorf in der Nähe der
Porzellanstadt Kahla.
Ländlicher Lebensraum wiederentdeckt
In den Städten explodieren die Baupreise und Mieten. Gleichzeitig
wächst auf dem Land der Leerstand. Viele Experten plädieren in dieser
Situation einseitig für innerstädtische Nachverdichtung. Das
Seitenbrücker Projekt des Büros "Merle Stankowski" zeigt dagegen, wie
ländlicher Lebensraum bewahrt und an moderne Bedürfnisse angepasst
werden kann. Das Bauherren-Paar Mentrup hatte sich vor sechs Jahren
spontan in den kleinen Ort verliebt. Kein Wunder, denn mit seinen
zahlreichen behutsam restaurierten Fachwerkhäusern und historischen
Bauten wie der Brunnenstube ist er ein harmonisches unzerstörtes
Ensemble und auch ein beliebtes Ausflugsziel. So wuchs bei Horst und
Ursula Mentrup der Wunsch, hier etwas Eigenes zu erwerben, das dann
zum Zuhause für die dreiköpfige Familie ihrer in Jena berufstätigen
Tochter wurde. Das Bauernhaus aus dem 18. Jahrhundert ist typisch für
die regionale Bauweise. "Als wir uns das Objekt und die anderen
Häuser im Dorf zum ersten Mal ansahen, war schnell klar, dass Fugen
hier ein weit verbreitetes Gestaltungsmittel sind", erinnert Lina
Mentrup sich im Rückblick. "Auch unser Objekt trägt auf einem
massiven Steinsockel das Obergeschoss als Fachwerkkonstruktion. Es
entsteht zwangsläufig eine Fuge, in der verschiedene Materialien
aufeinander treffen und verbunden werden müssen." So erhielt das
erste große Projekt des jungen Architekturbüros seinen Namen: Fuge
No. 1.
Alte Substanz nachhaltig erneuert
Die Fuge entwickelte sich zum Leitmotiv für den Entwurf. Massive
Bauweise trifft auf Leichtbauweise. Alte Substanz wurde respektvoll
weiterentwickelt und an heutige Wohnideale angepasst. Als Baustoffe
dienten natürliche und nachwachsende Materialien. "Theoretisch lässt
sich das Haus zu 95 Prozent wieder der Natur zurückführen", erklärt
Julia Franziska Steffen, Partnerin im Architekturbüro. Die Dämmung
besteht aus Lehmleichtsteinen und Hanf, die Wände sind mit Lehm
verputzt. Für die Möbel und Ein- bzw. Ausbauten wurden
Dreischicht-Fichten-Platten verwendet. Diese Massivholzplatten aus
einzelnen, miteinander verleimten Holzlamellen haben den Vorteil,
dass sie kaum arbeiten, weil dem Holz so die natürliche Spannung
genommen ist.
Ungewöhnliche Lösungen
Der Grundriss des alten Hauses erwies sich als überraschend
modern: auf jeder Giebelseite ein Raum und in der Mitte der
Versorgungs- und Erschließungskern. Heute liegt im Erdgeschoss zur
Straße hin das Esszimmer mit über Eck angeschlossener Küche. Richtung
Garten lässt sich das Wohnzimmer mit einer großen doppelflügeligen
Tür öffnen. Im Obergeschoss schlafen an der einen Giebelseite die
Eltern, am anderen Ende das Kind. In der Mitte befinden sich Treppe
und Bad. Ungewohnt sind die Ausblicke, die sich den Bewohnern bieten:
Die Fenster des Obergeschosses wurden im Kniestock eingesetzt,
zwischen Holzbalkenboden und Dachschräge. Aus dem Bett bietet sich
Langschläfern der direkte Blick ins Grüne, und auch spielende Kinder
freuen sich über den Ausblick.
Beitrag zur Stärkung regionaler Identität
Alt und Neu stehen bei Fuge No. 1 gleichberechtigt nebeneinander.
"Wir haben die traditionelle dörfliche Bauweise bewusst aufgegriffen
und fortgeführt", erläutert Mauricio Albertoni, ebenfalls Partner bei
"Merle Stankowksi", das Konzept. Das trug dem Architekturbüro im
vergangenen Jahr eine Anerkennung im Rahmen des Thüringer
Staatspreises für Architektur und Städtebau ein. Eine starke
regionale Identität findet mittlerweile auch beim breiten Publikum
immer mehr Anklang. Das zeigte sich zuletzt am Tag der Architektur im
Juni dieses Jahres. Ãœber 200 interessierte Besucher machten sich auf
den Weg in den Saale-Holzland-Kreis und besichtigten Fuge No. 1. So
wird aus der gefürchteten Landflucht vielleicht künftig eine
Landsucht, wer weiß.
Zum Wettbewerb
Die Landesbausparkassen und die Zeitschrift "DAS HAUS"
veranstalten seit 1983 jährlich den Bauherren-Wettbewerb um "DAS
GOLDENE HAUS". In 35 Jahren wurden im Rahmen des Wettbewerbs 360
Objekte ausgezeichnet und insgesamt über eine Million Euro (1.026.500
Euro) an die Preisträger verteilt.
Der diesjährigen Jury gehörten an: Prof. Dipl.-Ing. Claudia
Lüling, Professorin für Entwerfen und Gestalten an der University of
Applied Science (AUS) Frankfurt, Jens Grelle, Vorstandsvorsitzender
der LBS Schleswig-Holstein-Hamburg, und Gunnar Brand, Ressortleiter
Bauen & Renovieren DAS HAUS.
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