PresseKat - Börsen-Zeitung: Vorlage für Merkel, Kommentar zur Europapolitik von Andreas Heitker

Börsen-Zeitung: Vorlage für Merkel,
Kommentar zur Europapolitik von Andreas Heitker

ID: 1534751

(ots) - Emmanuel Macrons flammendes Plädoyer für eine
Runderneuerung der EU war bereits die dritte große Europa-Rede, die
in den letzten zwei Wochen gehalten wurde - nach Jean-Claude Junckers
kontrovers diskutierten Ausführungen zur Lage der Union in Straßburg
und Theresa Mays eher schwachem Brexit-Aufschlag in Florenz.

Macrons Adressat war vor allem Berlin. Taktisch geschickt hat
Frankreichs Präsident damit Themen für die anstehenden
Koalitionsverhandlungen gesetzt, wohl wissend, dass ohne Einheit mit
der deutschen Seite jede größere EU-Reform zum Scheitern verurteilt
wäre. Zugleich hat Macron die Rede gehalten, die im deutschen
Wahlkampf komplett gefehlt hat. Selbst Martin Schulz, gerade erst aus
Brüssel gekommen, hatte die wichtige Diskussion um die EU-Zukunft
weitgehend ausgeblendet.

Einige Forderungen aus Macrons buntem Strauß könnten auch in
Berlin rasch mehrheitsfähig werden. Dies gilt unter anderem für
Vorschläge aus dem Bereich innere Sicherheit und Verteidigung, wo
ebenso wie beim Handel eine stärkere Integration rasch einen
europäischen Mehrwert und mehr Effizienz zeigen würde. Im Zentrum der
deutsch-französischen Auseinandersetzungen werden auch künftig die
finanzpolitischen Reformideen stehen. Macron hatte seine Rede in der
Sorbonne ja noch nicht einmal beendet, da wurden schon reflexhaft die
üblichen Warnungen vor einer neuen Umverteilung und einer
Transferunion verschickt.

Dabei lohnt sich ein genaueres Hinsehen - zum Beispiel beim
umstrittenen Eurozonen-Budget: Selbst strikte Gegner einer weiteren
Vergemeinschaftung räumen mittlerweile ein, dass der Eurozone eine
Finanzkapazität fehlt, mit der auf externe Schocks in einzelnen
Staaten reagiert werden kann. Ob deshalb gleich Macrons Modell eines
größeren, dauerhaft steuerfinanzierten Extrahaushalts nötig ist, mag




zu Recht bezweifelt werden. Dauerhafte Geldflüsse sind aber auch gar
nicht nötig, wie etwa ein gut funktionierender "Rainy Day Funds" in
den USA zeigt. Es kommt auf die genaue Ausgestaltung an, was ebenso
für die Aufgabenstellung eines möglichen EU-Finanzministers oder die
Weiterentwicklung des ESM zu einem Europäischen Währungsfonds gilt.

Die Ideen liegen auf dem Tisch. Und alle warten nun auf Antworten
in einer vierten große Europa-Rede. Die muss von Angela Merkel
kommen. Es bleibt zu hoffen, dass ihr die eigene Partei und die
designierten Koalitionspartner für einen europäischen Weg zuvor nicht
allzu viele Fesseln anlegen werden.



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Datum: 27.09.2017 - 20:35 Uhr
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