(ots) - Vor wenigen Tagen ist der Preis der weltweit
wichtigsten Benchmark-Sorte Brent Crude bis auf fast 60 Dollar je
Barrel gestiegen. In der Spitze trennte ihn nur noch ein halber
US-Cent von dieser stark beachteten Marke. Es handelte sich dabei um
den höchsten Stand seit 26 Monaten.
Die insofern beeindruckende Stabilisierung des Marktes können sich
die Mitglieder des Kartells Organisation Erdöl exportierender Länder
(Opec) sowie befreundete Förderstaaten wie Russland auf die Fahnen
schreiben. Sie halten sich derzeit in einem für die Opec höchst
ungewöhnlichen Ausmaß an die Ende 2016 geschlossen Förderkürzungen um
1,8 Mill. Barrel pro Tag (bpd). Das Kartell selbst hat vor wenigen
Tagen sogar davon gesprochen, dass es aktuell eine Übererfüllung der
Vereinbarung gebe.
Dies hat dazu geführt, dass das globale Ölangebot im August um
720.000 bpd gefallen ist, während die Internationale Energieagentur
IEA ihre Prognose für den Anstieg des Verbrauchs im laufenden Jahr
von 1,5 Mill. bpd auf 1,6 Mill. bpd angehoben hat. In der Folge bauen
sich die bislang sehr hohen Rohöl-Lagerbestände in den
Industrieländern rapide ab. Nach den Schätzungen der IEA lagen die
Vorräte in den Ländern der OECD im August gerade noch um 35 Mill.
Barrel über ihrem Fünfjahresdurchschnitt. Am Jahresanfang hatte es
noch ein Ãœbersteigen dieses Niveaus um 103 Mill. Barrel gegeben.
Allerdings hat die Marktreaktion gezeigt, dass viele Akteure nicht
so recht darauf vertrauen, dass die Veränderungen nachhaltig sind. So
setzten am Dienstag, als sich der Ölpreis zunächst forsch in Richtung
der Marke von 60 Dollar bewegte, Gewinnmitnahmen ein, die die
Brent-Notierung um rund 1 US-Dollar nach unten trieben. Es gibt in
der Tat aktuelle Einflussfaktoren auf dem Ölmarkt, die wenig
nachhaltig sind. Zu nennen ist der zeitweilige Ausfall der
Ölförderung im Golf von Mexiko aufgrund der Wirbelstürme, der zu
einem Lagerabbau an Rohöl und verarbeiteten Produkten wie Benzin
geführt hat, der sich nicht wiederholen wird.
Ferner wird damit gerechnet, dass die zunehmenden Spannungen
zwischen der Türkei und der kurdischen Selbstverwaltung im Norden des
Irak Einfluss auf das Ölangebot nehmen könnten. Der türkische
Präsident Erdogan hat damit gedroht, bei einer Entscheidung der
Kurden für eine Unabhängigkeit vom Irak die Pipeline, die Öl von den
kurdischen Ölfeldern in den türkischen Ölhafen Ceyhan transportiert,
abzuschalten. Diese Pipeline befördert immerhin 500.000 bis 600.000
bpd, bei deren Ausfall sich der Abbau der weltweiten Lagervorräte in
der Tat beschleunigen würde.
Allerdings gibt es Hinweise darauf, dass in dem Streit nichts so
heiß gegessen wird, wie es gekocht wurde. So hat die kurdische
Regionalverwaltung bereits betont, die Abstimmung stelle den
Startpunkt für Verhandlungen mit Bagdad dar, so dass mit einer
einseitigen abrupten Unabhängigkeitserklärung wohl vorerst nicht zu
rechnen ist.
Zu denken gibt auch, dass derzeit wieder einmal die spekulativen
Marktteilnehmer auf Teufel komm raus auf einen weiter steigenden
Ölpreis wetten. Nach den letzten bekannten Zahlen der amerikanischen
Terminbörsenaufsicht Commodity Futures Trading Commission (CFTC)
befand sich die Zahl der Netto-Long-Positionen, mit denen Investoren
auf einen weiter steigenden Ölpreis setzen, schon fast auf
Rekordniveau. Die Rohstoffanalysten der Commerzbank gehen davon aus,
dass die bisherige Rekordmarke inzwischen übertroffen sein könnte.
Bei einer so extremen Marktpositionierung reichen schon wenige
negative Nachrichten aus, um für einen Ausverkauf zu sorgen.
Nicht unterschätzt werden sollte auch der Einfluss der
US-Schieferölbranche, die sich bei stark reduzierten Kosten zuletzt
als fähig erwiesen hat, die Förderung rasch hochzuschrauben. Außerdem
ist eine Verlängerung der Opec-Förderkürzungen ab April 2018 noch
keine beschlossene Sache. Angesichts des momentan zügig
voranschreitenden Abbaus der Lagerbestände könnten einige
Opec-Mitglieder querschießen. Und auch Russland hat sich gemäß den
Worten des russischen Ölministers Alexander Nowak noch nicht
endgültig festgelegt.
Insofern spricht vieles dafür, dass der Ölpreis knapp unter 60
Dollar verharren, zumindest aber nicht deutlich darüber klettern
wird. Erst 2018 könnte der Ölpreis bei einem einvernehmlichen Agieren
aller großen Ölproduzenten innerhalb und außerhalb der Opec weiter
steigen.
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