(ots) - Die Arzneimittelausgaben der Gesetzlichen
Krankenkassen inklusive der Zuzahlung der Versicherten lagen 2016 bei
rund 38,5 Milliarden Euro. Das ist ein Plus von 3,9 Prozent gegenüber
dem Vorjahr, während das Verordnungsvolumen nur um 2,1 Prozent
gestiegen ist. "2016 wurden mehr, aber vor allem auch teurere
Arzneimittel verordnet. Hauptursache dafür war die überproportionale
Kostensteigerung bei den patentgeschützten Wirkstoffen", sagt Prof.
em. Dr. med. Ulrich Schwabe, Herausgeber des
Arzneiverordnungs-Reports 2017.
Der anhaltende Trend zu neuen hochpreisigen Arzneimitteln im
patentgeschützten Markt zeigt sich unter anderem an der Entwicklung
der höchsten Bruttoumsätze je Verordnung. Das teuerste eine Prozent
aller Produkte hatte 2006 mindestens einen Bruttoumsatz von 946 Euro
je Verordnung. 2016 waren es bereits mindestens 3.979 Euro.
"Patentgeschützte Arzneimittel sind in Deutschland besonders teuer.
In Ländern wie Österreich oder den Niederlanden, deren
Wirtschaftskraft mit Deutschland vergleichbar ist, sind die
öffentlich bekannten Listenpreise etwa 20 Prozent günstiger als bei
uns", so Jürgen Klauber, ebenfalls Herausgeber des
Arzneiverordnungs-Reports und Geschäftsführer des Wissenschaftlichen
Instituts der AOK (WIdO).
Insbesondere die gentechnologisch hergestellten Biologika treiben
die Ausgaben im Patentmarkt in die Höhe. Von 2006 bis 2016 hat sich
ihr Umsatz auf 7,8 Milliarden Euro erhöht. Eine Abkehr vom
Wachstumstrend ist nicht zu erwarten: Mittlerweile ist beinahe jeder
dritte neue Wirkstoff im deutschen Markt ein Biologikum. Für sieben
Biologika waren in Deutschland Ende 2016 Biosimilars zugelassen. Sie
sind einem Biologikum strukturell ähnlich und üben die gleiche
pharmakologische Wirkung im menschlichen Körper aus. "Biologika
werden in den kommenden Jahren eine deutlich zunehmende
therapeutische Bedeutung für den Arzneimittelmarkt haben. Aufgrund
ihrer meist hohen Preise werden damit auch immer höhere Ausgaben
verbunden sein. Durch die konsequente Verordnung von Biosimilars
könnten mittelfristig beträchtliche Einsparungen für unser
solidarisch finanziertes Gesundheitssystem erzielt werden, ohne dabei
die Qualität der Versorgung mit Arzneimitteln in Deutschland zu
beeinträchtigen", erläutert Prof. Dr. med. Wolf-Dieter Ludwig,
Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft
(AkdÄ) und Herausgeber des Arzneiverordnungs-Reports.
Verstärkt wird die Entwicklung hin zu hohen Preisen für
patentgeschützte Arzneimittel dadurch, dass Pharmafirmen in
Deutschland den Preis ihres patentgeschützten Produkts in den ersten
zwölf Monaten nach dem Marktzugang noch immer frei festlegen können.
Erst nach einem Jahr gilt ein zwischen dem Anbieter und dem
GKV-Spitzenverband auf der Grundlage der Frühen Nutzenbewertung
ausgehandelter Erstattungspreis. Um der Hochpreisstrategie der
Pharmafirmen zu begegnen, sollten sich die
Erstattungspreisverhandlungen stärker am Zusatznutzen eines
Wirkstoffs orientieren und die verhandelten Preise rückwirkend ab dem
ersten Tag des Marktzugangs gelten.
Neben der Preisentwicklung gibt es bei den patentgeschützten
Arzneimitteln auch den Trend zu mehr beschleunigten
Zulassungsverfahren. Deren Ziel ist es, neue Wirkstoffe für die
medikamentöse Behandlung seltener Erkrankungen möglichst schnell für
betroffene Patienten zugänglich zu machen. Gleichzeitig kommen
dadurch aber immer mehr Produkte ohne eine ausreichende Datenbasis zu
Nutzen und Risiken für die Patienten auf den Markt. In Deutschland
betraf das im Jahr 2016 bereits fast jedes dritte neue Arzneimittel.
Im Jahr 2011 waren es noch unter zehn Prozent. Daher werden nach der
Zulassung in der Regel auch weitere klinische Studien und die
kontinuierliche Ãœberwachung der Arzneimittelsicherheit bei der
Anwendung gefordert. "Doch ist der Marktzugang erst einmal erfolgt,
kommen viele Pharmaunternehmen ihrer Verpflichtung nach weiteren
Daten nicht ausreichend nach", kritisiert Martin Litsch, Vorstand des
AOK-Bundesverbandes. "Deshalb muss die Europäische
Arzneimittel-Agentur stringenter vorgehen und Sanktionen umsetzen.
Außerdem müssen wir in Deutschland Lösungen finden, entsprechende
Studien firmenübergreifend zu finanzieren und pharmaunabhängig
durchführen zu können."
Hinweis an die Redaktionen
Der Arzneiverordnungs-Report ist das Standardwerk für den
deutschen Arzneimittelmarkt. Seit mehr als 30 Jahren bietet er eine
unabhängige Informationsmöglichkeit über die verschiedenen
Komponenten der Arzneimittelverordnung und trägt damit zur
Transparenz des Arzneimittelmarkts, zur Bewertung von Arzneimitteln
und zu einer sowohl zweckmäßigen und sicheren evidenzbasierten als
auch wirtschaftlichen Arzneitherapie bei. Im Arzneiverordnungs-Report
werden die Arzneimittel-Rezepte für die Patienten der gesetzlichen
Krankenversicherung (GKV) analysiert. So schafft er seit Jahren eine
wissenschaftlich fundierte Grundlage für den fachlichen Austausch
zwischen Ärzten, Apothekern und Krankenkassen. Sämtliche Analysen im
Arzneiverordnungs-Report basieren auf den Verordnungsdaten des
GKV-Arzneimittelindex. Das Projekt GKV-Arzneimittelindex, das ein
Projektbeirat mit allen relevanten Beteiligten im Arzneimittelmarkt
begleitet, wird im Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO) seit
1985 durchgeführt.
Ulrich Schwabe | Dieter Paffrath | Wolf-Dieter Ludwig | Jürgen
Klauber (Hrsg.)
Arzneiverordnungs-Report 2017
872 S. 97 Abb.
Softcover EUR 59,99 (D) | EUR 61,67 (A) | CHF 62.00
ISBN 978-3-662-54629-1
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Rezensionsexemplare: Uschi Kidane | Springer Verlag | 06221
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