(ots) - Ein bedingungsloses Grundeinkommen klingt
utopisch. Für die Bestseller-Autoren Marc Friedrich und Matthias Weik
sowie DM-Gründer Götz Werner führt daran kein Weg vorbei. Marc
Friedrich im Interview.
800 Euro, 1.000 Euro oder noch mehr im Monat, einfach so - für
jeden. Herr Friedrich, warum brauchen wir ein bedingungsloses
Grundeinkommen (BGE)?
Friedrich: Weil die "Industrie 4.0" unsere Wirtschafts- und
Arbeitswelt komplett auf den Kopf stellt und für viele Menschen zu
kaum vorstellbaren Veränderungen führen wird. Sehr viele Menschen
werden in Zukunft ihre Arbeit verlieren. Selbstredend werden auch
neue Jobs entstehen, aber zumeist nicht für die Personen, welche ihre
Arbeit verloren haben. Die UN, der IWF und das WEF gehen davon aus,
dass in den nächsten Jahren 40 bis 75 Prozent der Arbeitsplätze
obsolet werden. Bei unserer Recherche haben wir Firmen ausfindig
gemacht, die ihre Fabriken von 12.000 Mitarbeitern auf unter 900
reduziert haben.
Was machen wir mit den Millionen Menschen ohne Arbeit? Das würde
das Sozialsystem eines jeden Landes sprengen. Entweder wir
implementieren das BGE oder es wird soziale Unruhen oder sogar
Bürgerkrieg geben. Wir müssen komplett neu denken! Wir brauchen
wieder Politiker anstelle von Berufspolitikern und Parteien, die
nicht in Schubladen denken und ihren jeweiligen Ideologien verhaftet
sind. Sondern die im Sinne der Menschen und des Landes agieren. Wir
müssen die Wirtschaft wieder menschlicher gestalten und mit Sinn
füllen, ansonsten fahren wir komplett gegen die Wand. Noch ist Zeit,
das Ruder herumzureißen.
Der wahrscheinlich erste Einwand von Gegnern wird sein: Das ist
nicht finanzierbar. Was sagen Sie dazu? Können Sie vielleicht auch
Zahlen nennen?
Friedrich: Nur langsam und zäh setzt sich leider die - an sich
nicht schwer zu erlangende - Einsicht durch, dass ein BGE natürlich
keine zusätzliche "soziale Wohltat" wäre. Denn selbstredend würde es
die vorhandenen Einkommen nicht ergänzen, sondern lediglich zum Teil
ersetzen.
De facto haben ja nicht nur die 43,5 Millionen abhängig
Beschäftigten, die 4,3 Millionen Selbstständigen (einschließlich
mithelfende Familienangehörige) und die rund 20 Millionen Rentner in
Deutschland ein Einkommen. Auch die übrigen knapp 15 Millionen Bürger
leben nicht von Luft und Liebe. Sie beziehen ihr Einkommen entweder
aus verschiedenen staatlichen Transferleistungen oder aus familiären
Quellen.
Der Punkt ist: Auf diese Einkommen haben sie entweder nur einen
sachlich oder einen zeitlich begrenzten Anspruch - oder eben auch gar
keinen. Ein bedingungsloses Grundeinkommen schafft damit im Kern
lediglich den Missstand ab, dass das Existenzminimum sowie eine
angemessene soziale und kulturelle Teilhabe für etwa jeden fünften
Einwohner der Bundesrepublik nicht bedingungslos garantiert sind. Für
alle übrigen Bürger ändert sich unterm Strich wenig: Ihr
Nettoeinkommen bleibt gleich. Nur dass mit BGE dann einen Teil
desselben die Allgemeinheit finanziert.
Bei vielen Spitzenverdienern würde der jährliche Abzug von 12.000
oder auch 18.000 Euro Grundeinkommen wenig bis gar nicht ins Gewicht
fallen. Viel interessanter ist, was nach Einführung eines BGE mit den
kleineren Arbeitseinkommen passiert. Mehr als eine Million
Berufstätige beziehen gegenwärtig Leistungen nach Hartz IV. Die
sogenannten Aufstocker, verdienen damit aber weniger, als sie auch so
vom Amt bekämen. Und fast jeder fünfte Aufstocker arbeitet sogar
Vollzeit. Im Grunde ist das staatlich geförderte Lohndrückerei. Mit
BGE wäre damit sofort Schluss.
Abgesehen davon: Mit BGE wird es viel weniger Sozialabgaben geben.
Tatsächlich aufgebracht werden muss das Geld zur Finanzierung eines
bedingungslosen Grundeinkommens - nach Abzug zumindest von Teilen der
heute gezahlten Sozialtransfers - nur für jene, deren Einkommen
unterhalb des fraglichen Betrags liegt. Wenn man von einem
Grundeinkommen von zunächst 800 Euro ausgeht, dann kommt man auf eine
"Finanzierungslücke" von etwa 70 Milliarden Euro.
Zur Finanzierung schlagen wir vor, eine Steuerreform einzuführen
(Alle Steuern abschaffen bis auf die Konsumsteuer) und durch die
Einsparungen der Sozialleistungen (Hartz 4, ALG, Kindergeld, Wohngeld
etc.) und den Abbau der Bürokratie.
Landen 1.000 Euro im Monat mehr auf dem Konto, könnte doch der
Vermieter etwas davon haben wollen. Würde also mit dem BGE nicht das
Miet- und Preisniveau im Allgemeinen steigen?
Friedrich: Ganz kurz: Nein. Wir haben es im Buch beschrieben, dass
es keine Verteuerung der Produkte oder Waren geben wird. Viele
Steuern und Abgaben werden entfallen und fließen aus den Produkten
heraus und werden durch die Konsumsteuer ersetzt. Das Preisniveau
bleibt in etwa gleich.
Für einen jungen Menschen, der noch bei seinen Eltern wohnt, würde
ja ein Grundeinkommen von vielleicht 1.000 Euro durchaus reichen, um
bequem ohne Arbeit leben zu können. Kann ein BGE nicht dazu führen,
dass die Arbeitsmotivation sinkt?
Friedrich: Es gab bereits global zahlreiche Feldversuche. All
diese bestätigen genau, dass dies nicht der Fall ist. Die meisten
Menschen wollen mehr aus ihrem Leben machen.
Wie hoch schätzen Sie "Missbrauchsquote" eines BGE ein?
Friedrich: Es gab, gibt und wird immer Menschen geben, welche
keine Lust auf Arbeiten haben. Die ziehen wir jetzt mit und werden
wir auch in Zukunft mit einem BGE mitziehen.
Bei einem BGE könnte es doch sein, dass man für viele unangenehme,
aber für die Gesellschaft wichtige Tätigkeiten, kaum noch Personal
finden würde, oder?
Friedrich: Oder man fängt an, diese Menschen fair zu bezahlen.
Diese unangenehmen Arbeiten werden dann entweder automatisiert,
attraktiv bezahlt oder angenehm gestaltet. Wenn wir unser Auto zur
Inspektion geben oder zu einem Konzert eines Superstars gehen,
bezahlen wir sehr viel mehr als wir gewillt sind einer
Kindergärtnerin und einer Krankenschwester zu bezahlen. Vielleicht
sollten wir erkennen, dass auch diese Menschen Superstars sind.
Bei der Bundestagswahl trat sogar eine eigens für das
bedingungslose Grundeinkommen gegründete Partei an, die 0,2 Prozent
der Stimmen erreichen konnte. Welche der im künftigen Bundestag
vertretenen Parteien trauen Sie am ehesten die Befürwortung des BGE
zu? Ist die Einführung des BGE überhaupt in absehbarer Zeit
realistisch?
Friedrich: Momentan leider keiner Partei. Die Grünen aber auch die
Linken haben sich dafür mal interessiert, aber das ist nur Kosmetik.
Die "Industrie 4.0" wird immer schneller fortschreiten und das Thema
wird früher auf dem Tisch liegen als sich manch einer vorstellen
kann.
Blicken wir zum Schluss auf Ihren Sachwertefonds. Worauf setzen
Sie derzeit hier verstärkt? Was waren Ihre jüngsten Zu- und Verkäufe
und warum?
Friedrich: Nach wie vor konzentrieren wir uns auf Sachwerte.
Momentan überlegen wir, einen Wald in Deutschland zu kaufen. Bei
Revolution Bars, einem britischen Betreiber gehobener Bargastronomie,
ist unser Fondsmanager für Aktien nach Ankündigung eines
Übernahmeangebots eingestiegen. Als der Kurs bei Ankündigung der
verbindlichen Offerte über den Gebotspreis stieg, wurde der Verkauf
vorgezogen. Darüber hinaus wurden leichte Zukäufe beim physischen
Gold vorgenommen. Wir erwarten, dass sich das Umfeld für Gold und
Goldminenaktien weiter aufhellen wird.
Herr Friedrich, vielen Dank für das Gespräch.
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