PresseKat - Börsen-Zeitung: Um jeden Preis, Kommentar zu Linde von Joachim Herr

Börsen-Zeitung: Um jeden Preis, Kommentar zu Linde von Joachim Herr

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(ots) - Echte Zuversicht sieht anders aus. Gut 37
Stunden vor dem Ende der Tauschfrist hat Linde die Annahmequote von
75 auf 60 Prozent gesenkt. Diese happige Korrektur und die damit
verlängerte Frist lassen sich nicht nur mit den Vorgaben mancher
Indexfonds erklären, die ihre Aktien erst andienen dürfen, wenn die
Mindestquote erreicht ist. Denn entscheidend sind bei weitem die
aktiven Investoren. Sie halten geschätzt 87 bis 90 Prozent der
Anteile.

Wäre die große Mehrheit dieser Aktionäre vom Zusammenschluss mit
Praxair überzeugt, hätte Linde die alte Schwelle bis zum Ablauf der
ursprünglichen Frist spielend erreicht. Offenbar gibt es jedoch
zahlreiche skeptische Investoren, die an Wolfgang Reitzles Idee nicht
so recht glauben, einen Weltklassekonzern zu formen. Der
Aufsichtsratsvorsitzende von Linde hatte den Aktionären schon
verwehrt, auf der Hauptversammlung über die Fusion zu entscheiden. Er
will sein Ziel um jeden Preis erreichen.

Die Zurückhaltung vieler Aktionäre ist das nächste Schlagloch auf
dem langen Weg zum angestrebten Zusammenschluss. Angefangen hatte es
mit dem abgebrochenen ersten Versuch und den Querelen im Vorstand von
Linde. Dann der Widerstand der Arbeitnehmerseite, der bis heute
schwelt. Er zeigte sich in Protesten auf der Straße und der Ablehnung
im Aufsichtsrat. Zudem lassen die Aktionärsschützer der DSW von einem
Gericht klären, ob es rechtmäßig war, die Anteilseigner nicht
abstimmen zu lassen. Nun kritisiert die DSW wie die SdK das
Tauschangebot als unattraktiv für die Linde-Aktionäre, da es zu
niedrig ausfalle. Auch hier gilt offensichtlich: um jeden Preis.

Mit der verlängerten Frist und der gesenkten Schwelle verbessert
Linde die Chancen, mit dem Tauschangebot erfolgreich zu sein. Doch
letztlich brauchen die beiden Fusionspartner 75 Prozent. Ohne diese




Mindestquote kann die gemeinsame Linde plc nicht von den deutlich
niedrigeren Steuersätzen in Großbritannien profitieren. Dann müsste
der Steuersitz in die USA verlegt werden. Daran kann das ganze
Vorhaben noch scheitern.

Wird die Dreiviertelmehrheit nun doch erreicht, müssten Linde und
Praxair die Genehmigungen von 23 Wettbewerbsbehörden einsammeln. Das
wäre ebenfalls eine holprige Strecke, vor allem in Nord- und
Südamerika. Fielen die Kartellauflagen höher als das von den
Unternehmen gesteckte Umsatz- und Ergebnislimit aus, wäre
wahrscheinlich auch eine Korrektur dieser Schwelle fällig. Wieder zum
Schaden der Glaubwürdigkeit des Managements.



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Datum: 23.10.2017 - 20:35 Uhr
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