(ots) - Eines hat Grünen-Parteichef Cem Özdemir in der
Sondierung zu einer möglichen Jamaika-Koalition mit CDU, CSU und FDP
bewiesen: Er kann rechnen. Mit seinem Vorbehalt gegen den FDP-Wunsch,
den Solidaritätszuschlag in dieser Legislaturperiode komplett
abzubauen, zündelt er keineswegs am frischen Kompromiss. Die
FDP-Rechnung geht nicht auf, vor allem dann nicht, wenn noch andere
Steuerarten auf der Liste für Entlastungen stehen und unterm Strich
eine Null bleiben soll.
Auf rund 30 Mrd. Euro taxiert die Union den Finanzspielraum in
dieser Legislaturperiode, um Wünsche zu erfüllen. Dies resultiert aus
rund 45 Mrd. Euro Reserven und absehbaren Mehreinnahmen, abzüglich 15
Mrd. Euro Belastungen etwa aus dem Brexit oder einem geringeren
Bundesbankgewinn. Fällt der Solidaritätszuschlag von 2020 an weg,
wenn der Finanzpakt mit den Ländern ausläuft, fehlen dem Bund für
zwei Jahre schon 40 Mrd. Euro in der Kasse.
Die Rechnung der Union ist womöglich übervorsichtig, aber die
Liste der politischen Wünsche auch lang. Die CSU will die Mütterrente
aufstocken - dauerhafter Kostenpunkt 7 Mrd. Euro im Jahr. Die Grünen
dringen auf ein Familienbudget - ein ebenfalls dauerhafter
Kostenpunkt von 12 Mrd. Euro im Jahr. Die Vereinbarung zur
steuerlichen Forschungsförderung oder zur Verbesserung der
degressiven Afa ist dabei nicht berücksichtigt. Erleichterungen bei
der Unternehmensbesteuerung, die die Wirtschaft mit Blick auf den
international anziehenden Steuerwettbewerb dringend anmahnt, haben es
bislang nicht einmal auf die offizielle Wunschliste geschafft. Auch
zusätzliche Investitionen sind ein offener und teurer Posten.
Für die potenziellen Koalitionäre heißt es, umschichten und
sparen: nur dann schaffen sie mehr Finanzspielraum. Erlöse aus der
Privatisierung von Staatsbeteiligungen, wie sie die FDP fordert, sind
ordnungspolitisch berechtigt, finanziell aber keine echte Hilfe.
Einmalige Einnahmen für dauerhafte Verpflichtungen zu verwenden, wäre
ein Rückfall in die verzweifelte Finanzpolitik Anfang der 2000er
Jahre, als Rot-Grün lediglich Löcher stopfte. Auch der strukturelle
Spielraum für die Schuldenbremse und im EU-Stabilitätspakt würde
durch den Verkauf von Beteiligungen nicht vergrößert. Mit der
Verständigung, die schwarze Null im Bundeshaushalt zumindest
anzustreben und die - im Ãœbrigen gesetzlich vorgeschriebene -
Schuldenbremse auf jeden Fall einzuhalten, haben die vier Parteien
immerhin Leitplanken gesetzt. In diesem Korridor müssen sie sich nun
bewegen.
Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion
Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de
Original-Content von: Börsen-Zeitung, übermittelt durch news aktuell