(ots) - Bei Kanalbau-Aufträgen in Essen haben sich
Unternehmer über Preise abgesprochen - diese vermutlich illegalen
Absprachen wurden als Essener "Kanal-Kartell" bekannt.
Doch die Geschichte hat noch eine ganz andere Seite, wie exklusive
Recherchen des WDR-Politmagazins "Westpol" und dem "Handelsblatt"
belegen: Das geschlossene Vergabesystem der Stadtwerke Essen hat
offenbar wesentlich dazu beigetragen, dass es überhaupt zu den
Preisabsprachen kam.
Preisabsprachen brachten den Unternehmer Willi Zerres in U-Haft.
Er war einer der Angeklagten im Prozess um das Essener
"Kanal-Kartell". Zerres erzählt in "Westpol" und "Handelsblatt"
erstmals aus seiner Sicht. Demnach hatte er sich mit anderen
Unternehmern über Preise abgestimmt, um bei den Essener Stadtwerken
Aufträge über Kanal-Bauarbeiten zu bekommen. So entstand das
sogenannte "Kanal-Kartell", das 2012 aufflog.
Doch es gibt noch andere Akteure, deren Verhalten kritische Fragen
aufwirft: Als sich die Unternehmer im März 2017 vor Gericht
verantworten mussten, nahm die Geschichte eine überraschende Wendung:
Die Unternehmer, auch Willi Zerres, mussten nur eine Geldbuße zahlen.
Stattdessen gerieten die Auftraggeber in den Fokus, die Essener
Stadtwerke. Sie vergaben Kanalbau-Aufträge nur an eine Handvoll
regionaler Unternehmen, die zudem nur gemeinsam Angebote abgeben und
ähnlich ausgelastet sein sollten.
Dieses geschlossene Vergabesystem hat offenbar wesentlich dazu
beigetragen, dass es überhaupt zu den illegalen Preisabsprachen kam.
Zu diesem Ergebnis kommt die Landeskartellbehörde: Laut einem
Bescheid, der "Handelsblatt" und "Westpol" exklusiv vorliegt, "liegt
in dem Vergabeverhalten der Stadtwerke Essen ein wesentliches
Initialpotential für das rechtswidrige Verhalten der Unternehmen."
Deshalb reduzierten die Kartellwächter ihre Bußgelder gegen die
Bau-Unternehmer um 67 Prozent - "einen derartigen Fall hat es bislang
nicht gegeben", so eine Behördensprecherin. Die Stadtwerke
verteidigen sich: Die Landeskartellbehörde habe das Vergabeverfahren
nicht als rechtswidrig bewertet."Letztlich bleibt festzuhalten, dass
das Vergabeverfahren (...) rechtmäßig und transparent war."
Außerdem haben fast alle beauftragten Kanal-Unternehmer bei der
Staatsanwaltschaft angegeben, für Sportvereine gespendet zu haben,
bei denen die damaligen Stadtwerke-Chefs persönlich engagiert waren.
Dies sei freiwillig geschehen. Willi Zerres aber sagt, er habe sich
dabei unter Druck gesetzt gefühlt, zu spenden, um weiter Aufträge zu
erhalten. Die Ex-Chefs widersprechen den Vorwürfen.
Daniela Trunk forscht im Auftrag der Bundesregierung zum Thema
Korruption in Deutschland - gerade in Kommunen sei das ein verkanntes
Problem. Sportspenden seien ein klassisches Beispiel. "Die Frage ist
immer, ob es strafrechtlich relevant wird. Aber im öffentlichen
Bereich kann man das sehr schnell bejahen", sagt Trunk.
Weitere Informationen in "Westpol", WDR Fernsehen, Sonntag,
5.11.2017, 19.30 Uhr.
Ein ausführlicher Artikel zum Thema erscheint am Montag, den 6.
November, im Handelsblatt.
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