(ots) - 2030er CO2-Minderungsziel für Pkw wird massiv
entschärft - 30 Prozent Minderung gegenüber 2021 bezieht sich auf
künstlich heruntergerechnete CO2-Emissionen eines unzulänglichen
Prüfzyklus - Elektrofahrzeuge sollen zusätzlich gegengerechnet werden
- Deutsche Umwelthilfe fordert einen Flottengrenzwert von 70g CO2/km
ab 2025 auf Basis des neuen WLTP-Testverfahrens
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) wertet den gestern bekannt
gewordenen Vorschlag der EU-Kommission zur Weiterentwicklung von
CO2-Flottengrenzwerten als faktische Abkehr der Kommission von den
vereinbarten europäischen und internationalen Klimaschutzzielen und
fordert dringend Nachbesserungen. Die Kommission hatte ihren
Vorschlag in letzter Minute auf Druck der deutschen Bundesregierung
und der Automobilindustrie stark aufgeweicht.
Dazu Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH: "Der aktuelle
Vorschlag bedeutet eine Kapitulation der EU-Kommission vor den
Automobilkonzernen. Wir fordern das Europaparlament auf, ihn
zurückzu¬weisen und ehrgeizige Klimaziele auf der Basis der realen
CO2-Emissionen auf der Straße einzufordern. Ebenso muss bei
Elektrofahrzeugen mit den realen CO2-Emissionen der europäischen
Stromerzeugung gerechnet werden."
Der Verkehrssektor ist der einzige mit steigendem CO2-Ausstoß und
trägt heute zu 23 Prozent der Gesamtemissionen in Europa bei. Der
Trend geht nach wie vor zu immer größeren Autos mit immer größerer
Fahrleistung.
Der internationale Verkehrsexperte Axel Friedrich betont vor dem
Hintergrund der aktuell in Deutschland stattfindenden Klimakonferenz:
"Mit diesem Vorschlag verabschiedet sich die EU-Kommission ganz klar
vom Klimaschutz - kein gutes Signal für die Verhandlungen auf
internationaler Ebene."
Auch eine verbindliche Mindestquote für den Verkauf von
Null-Emissions-Fahrzeugen, die in China und Kalifornien den Einsatz
von Elektrofahrzeugen antreibt, wird es für die EU nicht geben.
Stattdessen will die Kommission für die Hersteller eine Aufweichung
der CO2-Vorgaben anbieten, die mit einem Anteil an Elektrofahrzeugen
"über dem erwarteten Durchschnitt" aufwarten. Dieser Anreiz gilt auch
für Hersteller von Fahrzeugen mit weniger als 50g CO2/km, also
Plug-In-Hybriden, die bereits heute Stand der Technik sind. Auf eine
Weiterentwicklung wird hier also verzichtet ebenso wie auf
Sanktionen, sollten Fahrzeuge mit besonders niedrigen Emissionen auch
weiterhin nur als Nischenprodukt angeboten werden. "Zwei Jahre nach
Bekanntwerden des Dieselskandals hat sich an der Haltung der Politik
gegenüber den Herstellern auch in Brüssel nichts geändert. Die
Cheflobbyisten der deutschen Vorzeigeindustrie setzen wie gewohnt in
letzter Minute erfolgreich ihre Interessen durch", so Friedrich.
Nachdem eine freiwillige Selbstverpflichtung der Branche aus dem
Jahr 1998, die CO2-Emissionen bis 2008 im Schnitt auf 140g/km zu
senken, gescheitert war, hatte die EU 2009 zunächst einen
Flottengrenzwert für das Jahr 2015 von 130g/km festgelegt. Dieser
wurde von allen Herstellern übererfüllt. Allerdings nur auf dem
Papier. In der Realität sind die CO2-Emissionen sogar gestiegen. Dies
belegen aktuelle Zahlen der unabhängigen Forschungsorganisation
International Council on Clean Transportation (ICCT), die eine
durchschnittliche Abweichung von 42 Prozent zwischen
Herstellerangaben und realen Emissionen ermittelt haben.
Ein neuer Prüfzyklus soll hier Verbesserungen bringen. Bis zum
Jahr 2021 wird der für Zulassungen relevante Test vollständig auf den
sogenannten WLTP (Worldwide Harmonized Light Vehicles Test Procedure)
umgestellt. Aus Sicht der DUH wird diese Neuerung allein aber nicht
den gewünschten Erfolg bringen, denn auch dieses Verfahren bietet
zahlreiche Möglichkeiten der Manipulation.
"Die Automobilbranche nutzt den neuen Prüfzyklus als Einfallstor,
um mit der Umstellung die Ausgangswerte für die nächste Phase der
CO2-Minderung aufzuweichen", erklärt Resch. Er fügt hinzu: "Um die
Klimaschutzziele zu erreichen, müssen sich die Kommission wie auch
die deutschen Behörden nicht nur ehrgeizigere und vor allem absolute
Klimaziele setzen, sondern auch die Umsetzung kontrollieren und
Verstöße endlich sanktionieren. Denn eine Reduktion der Emissionen
auf dem Papier schützt das Klima genauso wenig, wie eine
ausschließlich im Labor funktionierende Abgasreinigung die Gesundheit
der in den Städten lebenden Menschen schützt."
Die DUH fordert gemeinsam mit den Umwelt- und Verkehrsverbänden
BUND, VCD und NABU ab 2025 einen Flottengrenzwert von 70g/km auf
Basis des neuen Testverfahrens WLTP. Für das Jahr 2030 sollte ein
Korridor von 35 bis 45 g CO2/km auf Basis realer Emissionen
festgelegt werden. Darüber hinaus fordert die DUH vor dem Hintergrund
der wachsenden Lücke zwischen Herstellerangaben und Realemissionen
unabhängige Kontrollen des Kraftstoffverbrauchs und damit der
CO2-Emissionen im realen Betrieb. Bereits im Zulassungsverfahren
müssen, ähnlich wie dies nun für Schadstoffe wie Stickoxide
vorgeschrieben ist, auch CO2-Emissionen auf der Straße ermittelt
werden.
Die DUH setzt sich seit vielen Jahren für ehrliche Spritangaben
ein. Die derzeitige Kampagne "Get Real - Für ehrliche Spritangaben!"
wird im Rahmen des LIFE-Programms der EU-Kommission gefördert.
Pressekontakt:
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer
0171 3649170, resch(at)duh.de
Dr. Axel Friedrich, Internationaler Verkehrsexperte
0152 29483857, axel.friedrich.berlin(at)gmail.com
DUH-Pressestelle:
Andrea Kuper, Ann-Kathrin Marggraf
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