(firmenpresse) - Strukturwandel zur Dienstleistungsgesellschaft unabdingbar
Neuss/Potsdam - 2005 ist das Jahr mit drastischen Arbeitsplatzverlusten. Von AEG bis Volkswagen haben deutsche Unternehmen Tausende Stellen gestrichen. "Es trifft vor allen Dingen grosse Konzerne im industriellen Sektor. Die Produktivitätsrevolution ist hier an ein Ende gekommen. Heute sind zu wenige Menschen mit der Herstellung von Gütern beschäftigt, als das ihre Produktivität noch entscheidend wäre. Im Wettlauf um niedrige Arbeitskosten haben deutsche Fabriken gegenüber Billiglohnländer das Nachsehen. Die Wirtschaftspolitik und die Lobbyisten der Wirtschaftsverbände müssen sich in Deutschland endlich von ihrer einseitigen Industrieorientierung verabschieden und sich stärker mit der Produktivität der Wissens- und Dienstleistungsökonomie auseinandersetzen. Der Blick nach Amerika belegt, dass der Strukturwandel hin zur Dienstleistung machbar ist", so Michael Müller, Geschäftsführer der a & o-Gruppe http://www.ao-services.de mit Sitz in Neuss und Potsdam, die sich auf After Sales-Dienstleistungen in der IT-Branche spezialisiert hat.
Auch Gewerkschafter wehrten sich in der Vergangenheit gegen den Trend zur Dienstleistungsgesellschaft mit dem Argument, aus stolzen Stahlwerkern, Druckern oder Maschinenbauern dürften keine schlecht bezahlten Schuhputzer oder Pizzaverkäufer werden. "Es ist eine Mär, nur den Mitarbeiter in einer Fast-Food-Kette, den Würstchenverkäufer oder den Schuhputzer als Dienstleister zu sehen. Wobei auch diese Tätigkeiten wichtig sind für eine Gesellschaft - was wäre Altkanzler Schröder ohne seine Currywurst. Aber auch anspruchsvollere Aufgaben gehören in diesen Bereich. Ärzte und Pfleger, Forscher, Beamte, Versicherungskaufleute, Wellness-Berater, Designer oder Fahrlehrer: sie alle sind Dienstleister. Deutschland hat fast fünf Millionen Arbeitslose und qualifiziert den Dienstleistungssektor oft als zweitrangig ab: Das ist ein gesellschaftlicher Skandal, den wir uns nicht länger leisten sollten. Es muss sich also auch die Mentalität der Menschen ändern, damit wieder mehr Menschen in Lohn und Brot kommen können", so Müller, der als Wirtschaftssenator im Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) aktiv ist. Der grosse Vorteil der Dienstleistungsprodukte bestehe darin, dass dafür kaum Rohstoffe und wenig Energie gebraucht werden. Anders als Kühlschränke oder Möbel, die jahrelang halten, müssten Dienstleistungen ständig neu produziert werden. Für das Wachstum der Branche und damit der Arbeitsplätze gebe es kaum Grenzen. "Der Dienstleistungssektor kann zu einer Job-Maschine werden, wenn nur selbst errichtete Hürden wie bürokratische Hemmnisse, lange Genehmigungsverfahren, falsche Ausbildung, lähmende Steuergesetze oder zu hohe Personalzusatzkosten weggeräumt werden", fordert Müller.
Die deutsche Wirtschaftspolitik habe dafür noch nicht die geeigneten Massnahmen gefunden. "Wenn man davon ausgeht, dass Marktwirtschaft und Wettbewerb die Grundbedingungen für mehr Jobs sind, dann sieht es für die Dienstleistungen nicht gut aus. Ein Beispiel liefert die Diskussion über die so genannte Bolkestein-Richtlinie der Europäischen Union. Ursprünglich sollte sie der Grundstein für einen europaweiten freien Binnenmarkt sein. Doch egal, wie Detailbestimmungen dieser Richtlinie beurteilt werden. Klar ist, dass grosse Teile der europäischen Öffentlichkeit gegen verstärkten Wettbewerb bei Dienstleistungen sind. Sie assoziieren mit mehr Freiheit und Wettbewerb nur negative Konsequenzen, nämlich Jobverluste und Lohnkürzungen. Es gibt aber gute Gründe, weiterhin für eine Liberalisierung der Dienstleistlungen zu werben. Europas Rückstand bei der Produktivität gegenüber den USA resultiert zum grossen Teil aus der schlechten Leistungsfähigkeit seiner Dienstleistungen", so Müller.
Wachstum könne nur dann wiederbelebt werden, wenn sich dieser Sektor modernisiere und für neue Anbieter öffne. Darüber hinaus müssten die europäischen Volkswirtschaften angesichts der verstärkten Konkurrenz durch die Schwellenländer fähig sein, Ressourcen in den Dienstleistungssektor zu verlagern, die in der Industrie nicht mehr benötigt werden. Das wiederum erfordere einen dynamischen europäischen Markt.
Die schwarz-rote Bundesregierung biete zu diesem Thema bislang nur konsensuale Polit-Prosa. Dort stehen so schöne Sätze wie: "Die räumliche Nähe fördert den im Sinne einer Clusterbildung optimierten Technologietransfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Zur Unterstützung von besonders profilierten Clustern werden wir im Rahmen von wettbewerblichen Ausschreibungen Fördermittel vergeben." Zum Thema Dienstleistungen findet sich der Formelkompromiss, wonach das Herkunftslandprinzip "in seiner bisherigen Form geändert werden müsse".
"Der Streit zwischen Union und SPD um die Auslegung der entsprechenden Passage, der letztlich ein Streit ist um mehr oder weniger Liberalisierung, macht deutlich, dass Unklarheit und Missverständnisse das Feld beherrschen. Wahrlich kein Signal für den Aufbruch und auch kein Signal, mehr Freiheit zu wagen", sagt Müller. Es greife auch zu kurz, wenn Bundeskanzlerein Angela Merkel im Kampf gegen die Massenarbeitslosigkeit auf die privaten Haushalte als Arbeitgeber setzen will. Früher war polemisch vom "Dienstmädchenprivileg" die Rede, doch jetzt habe die grosse Koalition vereinbart, dass Privathaushalte als Arbeitgeber fungieren können. Für eine alternde Gesellschaft seien Dienstleistungen im Haushalt eine wichtige Sache, ebenso für Haushalte, wo mehrere Kinder zu betreuen seien. "Bei der Besteuerung von Familien hat sich Schwarz-Rot darauf geeinigt, dass Kinderbetreuungskosten weitgehender als bisher steuermindernd eingesetzt werden können. Das gleiche gilt für haushaltsnahe Dienstleistungen, etwa Putzhilfen, Au-pair-Mädchen oder ambulante Pflegekräfte. Das ist alles richtig und wichtig. Doch erfassen die haushaltsnahen Dienstleistungen nur einen klitzekleinen Ausschnitt aus dem gesamten Spektrum an Dienstleistungen", bemängelt Müller.