Bonn, den 07.04.2010 - Eine Harninkontinenz ist kein unabwendbares Schicksal. Je nach vorliegender Inkontinenz-Form gibt es eine Reihe unterschiedlicher Therapieverfahren, die zum Einsatz gebracht werden können. Über dieses Thema sprachen wir mit der Inkontinenz-Therapeutin Kerstin Duch vom Medizinischen Zentrum am Friedensplatz in Bonn.
(firmenpresse) - Incosan-Portal: Frau Duch, leider gilt in unserer Gesellschaft Inkontinenz immer noch als ein absolutes Tabu-Thema. Können Sie dennoch eine grobe Einschätzung dazu treffen, wie viele Menschen bundesweit mit dieser Problematik zu kämpfen haben?
Duch: Nach aktueller Datenlage kann davon ausgegangen werden, dass in Deutschland rund 5 Millionen Menschen von diesem Problem betroffen sind. Und da es sich bei der Inkontinenz um eine altersabhängige Krankheit handelt, muss davon ausgegangen werden, dass in den nächsten Jahren die Zahl weiter deutlich steigen wird.
Incosan-Portal: Sie sprechen in Bezug auf Inkontinenz von einer altersabhängigen Krankheit. Heißt das, dass vorwiegend ältere Menschen zu den Betroffenen zählen?
Duch: Die Großzahl der Patienten ist über 60 Jahre alt, aber wir haben auch zahlreiche Patienten, die zwischen 35 und 40 Jahren alt sind, z.B. Patienten mit Operationen im kleinen Becken.
Incosan-Portal: Dabei dürfte es sich aber überwiegend um Frauen handeln?
Duch: Natürlich sind in der angesprochenen Altersgruppe mehr Frauen von einer Inkontinenz betroffen als Männer, was natürlich in Zusammenhang mit Schwangerschaften und Geburten zu sehen ist. Aber mit steigendem Lebensalter holen Männer, wenn sie beispielsweise wegen einer Vergrößerung der Prostata oder wegen einem Tumor in diesem Bereich operiert werden müssen, gegenüber den Frauen deutlich auf.
Incosan-Portal: Ab wann kann man überhaupt vom Vorliegen einer Inkontinenz-Erkrankung sprechen?
Duch: In der Fachliteratur wird eine Inkontinenz als unfreiwilliger Urinverlust definiert, wobei die Menge des verlorenen Urins nicht genauer definiert ist. Somit würde schon ein einmaliger unfreiwilliger Verlust weniger Tropfen Urin strenggenommen als Inkontinenz bezeichnet. Demnach hängt gerade bei leichteren Formen, dies sehr stark vom subjektiven Empfinden der Betroffenen ab, inwiefern sie den Urinverlust als störend oder als Belastung im Alltag empfinden.
Incosan-Portal: Es können grundsätzlich mehrere unterschiedliche Inkontinenzformen unterschieden werden. Welche zählen denn nach Ihrer persönlichen Erfahrung in der Praxis zu den am meisten verbreiteten?
Duch: Bei uns werden häufig Patienten vorstellig, die an einer Belastungsinkontinenz oder einer sogenannten Dranginkontinenz leiden. Von einer Belastungsinkontinenz sind dabei in erster Linie Frauen betroffen. Bei ihnen kommt es beispielsweise infolge körperlicher Anstrengung, das heißt beim Husten, beim Niesen, beim Treppensteigen oder beim Lachen zum unwillkürlichen Urinabgang. Diese Inkontinenzform wird zumeist durch eine Schädigung der Beckenboden-Muskulatur als Folge von Schwangerschaften und Geburten verursacht. Hinzu kommen noch Patienten, die unter Urinverlust mit starkem Harndrang, also einer sogenannten Reizblase leiden.
Incosan-Portal: Durch was genau wird eine solche Reizblase hervorgerufen?
Duch: Eine sogenannte Reizblase kann durch verschiedene Faktoren hervorgerufen werden, dazu zählen einerseits Harnsteine, Tumore oder Entzündungen im Bereich der Blase, andererseits können für eine überaktive Blase auch Nervenfehlfunktionen verantwortlich sein, beispielsweise bedingt durch eine neurologische Erkrankung wie ein Schlaganfall, Diabetes oder MS. Dabei können noch psychische Ursachen wie Ängste, übermäßiger Stress oder eine Depression eine mögliche Rolle spielen.
Incosan-Portal: Welche Möglichkeiten gibt es eigentlich um eine vorliegende Inkontinenz zu diagnostizieren?
Duch: Da gibt es prinzipiell eine ganze Reihe von Möglichkeiten, um genauere Schlüsse zur vorliegenden Inkontinenzform ziehen zu können bzw. um den Schweregrad der Blasenschwäche zu ermitteln. Zu diesem Zweck führen wir z.B. einen Vorlagen-Wiegetest, den sogenannten Pad-Test durch: Der Patient erhält eine Vorlage und muss dann anschließend ein bestimmtes Programm aus Bewegungsabläufen, also etwa Kniebeugen, Treppensteigen durchlaufen. Im Anschluss wird die Vorlage gewogen, wobei die Gewichtsdifferenz zwischen der trockenen und feuchten Vorlage uns zeigt, wie viel Harn während des Programms verloren wurde.
Incosan-Portal: In diesem Zusammenhang führt man doch auch eine sogenannte urodynamische Untersuchung durch. Was wird dabei genau gemacht?
Duch: Die urodynamische Untersuchung ist eigentlich auch bekannt als die sogenannte Blasendruck-Messung. Dabei wird eine Füllung der Blase simuliert und z.B. bei einer Belastungsinkontinenz überprüft, ab welchem Belastungsgrad die Blase Urin verliert und wie viel Kapazität die Blase überhaupt hat und wie es um die Funktion des Blasenmuskels bestellt ist. Anschließend kann eine gezielte Therapie erfolgen, weil man dann weiß, ab welchem Füllstand die Blase den Harn nicht mehr halten kann.
Incosan-Portal: Welche Möglichkeiten gibt es ganz grundlegend, um eine Inkontinenz zu behandeln?
Duch: Zunächst einmal gibt es viele allgemeine Maßnahmen, die Betroffene bei einer Blasenschwäche in Angriff nehmen können: Dazu zählen das regelmäßige Treiben von Sport, ein gezieltes Beckenbodentraining, um die Muskulatur in diesem Bereich einfach nachhaltig zu stärken bzw. ein Toilettentraining.
Incosan-Portal: Was verbirgt sich hinter dem Begriff Toilettentraining?
Duch: Hierzu bekommt der Patient von uns ein sogenanntes Miktionsprotokoll ausgehändigt, mit dem ermittelt werden soll, wann Flüssigkeit aufgenommen und anschließend wieder über den Urin ausgeschieden wird. Anhand der ermittelten Zeiten können wir zusammen mit dem Patienten ein Toilettentraining einleiten und ihm so dabei helfen, seine Blase in regelmäßigen Abständen zu entleeren und nicht so lange zu warten, bis starker Harndrang sich einstellt.
Incosan-Portal: Wenn ich in diesem Zusammenhang richtig informiert bin, gibt es noch das Verfahren der Elektrostimulation, was wird dabei genau gemacht?
Duch: Da sind Sie gut informiert, die Elektrostimulation soll den Beckenboden mithilfe von leichten Stromstößen stimulieren, dies geschieht bei Frauen über den vaginalen und bei Männern über den rektalen Eingang, mindestens zweimal täglich über einen Zeitraum von 90 Tagen, wodurch sich nach meiner Erfahrung bei vielen Patienten zumindest eine leichte Besserung eingestellt hat.
Incosan-Portal: Frau Duch, wir sprachen soeben von ganz allgemeinen Maßnahmen. Wie verhält es sich denn mit den Behandlungsmöglichkeiten, wenn konservative Maßnahmen nicht greifen?
Duch: Dann wird heutzutage überwiegend operativ behandelt. Hierzu bietet sich das TVT-Verfahren an, dabei wird dem Patienten ein Kunststoffband an den Bandapparat der Harnröhre angelegt. Dieses verschließt bei körperlicher Anstrengung, also z.B. beim Heben von schweren Gegenständen oder Treppensteigen, die Harnröhre, so dass es nicht mehr zu einem unfreiwilligen Urinabgang kommen kann.
Incosan-Portal: Gibt es weitere Möglichkeiten in diesem Bereich?
Duch: Ja, es gibt noch die Implacement-Therapie, die in der Regel ambulant erfolgt: Bei dieser Therapie wird beispielsweise Silikon oder Teflon in den Blasenhals eingespritzt und so dessen Ränder enger zusammengeführt, wodurch der Blasenhals nachhaltig gestärkt werden kann.
Incosan-Portal: Während bei einer Belastungsinkontinenz, wie wir gerade gehört haben, eine medikamentöse Therapie weniger erfolgsversprechend ist, lässt sich eine Dranginkontinenz durchaus ganz gut medikamentös behandeln, oder?
Duch: Ja, das stimmt. Gerade bei leichten bis mittelschweren Fällen ist das zutreffend, hier werden dann sogenannte Anticholinergika eingesetzt. Sie tragen zu einer Entspannung der Blasenmuskulatur bei, wodurch der starke Harndrang bei den Betroffenen nachlässt und die Blase wieder mehr Urin speichern kann. Eine weitere Möglichkeit gibt es für Frauen, die unter einer Dranginkontinenz leiden: Diese kann aufgrund eines Östrogen-Mangels – insbesondere in den Wechseljahren - zurückgehen. Diesem Zustand kann man mit der Verabreichung spezieller Östrogen-Präparate entgegenwirken.
Incosan-Portal: Wie verhält es sich im Hinblick auf Therapie-Möglichkeiten bei schweren Fällen einer Dranginkontinenz?
Duch: Bei schweren Formen eignen sich andere Therapieformen, wie z.B. eine gezielte Botox-Injektion in den Blasenmuskel, wodurch die überaktive Blase beruhigt werden kann. Allerdings muss in diesem Zusammenhang zweierlei beachtet werden: Zum einen muss auf die genaue Dosierung geachtet werden, damit der Blasenmuskel nicht komplett seine Funktion einstellt. Zum anderen ist die Wirkung von Botox nicht dauerhaft, so dass eine erneute Behandlung bereits nach wenigen Monaten wahrscheinlich nötig werden wird.
Incosan-Portal: Lässt sich denn eine Inkontinenz-Erkrankung durch die angesprochenen Behandlungsmethoden vollständig heilen?
Duch: Eine Inkontinenz kann in den meisten Fällen vollständig geheilt werden. Wenn dies nicht möglich ist, kann zumindest eine deutliche Besserung der Symptome mit einer gleichzeitigen Verbesserung der Lebensqualität erzielt werden. Wichtig ist nur, dass die Betroffene sich frühzeitig in urologische Behandlung begeben.
Eine Audiofassung des Interviews finden Sie unter:
http://www.incosan-portal.de/index.php/component/content/article/45/149-eine-inkontinenz-kann-in-vielen-faellen-nahezu-vollstaendig-geheilt-werden
Weitere Informationen zum Medizinischen Zentrum am Friedensplatz in Bonn, finden Sie unter:
http://www.medizinisches-zentrum-bonn.de/urologie.html
Unter dem Motto "Wissen hilft heilen" betreibt die Incosan International GmbH aus Bonn unter www.incosan-portal.de eine Selbsthilfeportal für Inkontinenz Betroffene. Hier können sich Menschen, die unter einer Blasenschwäche, über die wichtigsten Inkontinenz-Formen und Therapieverfahren bei einer vorliegenden Blasenschwäche informieren und sich über ein Forum mit anderen Betroffenen über das Thema austauschen.
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