In seiner Entscheidung vom 19.01.10 hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass auch Beschäftigungszeiten des Arbeitnehmers vor Vollendung des 25. Lebensjahres in die Berechnung der verlängerten Kündigungsfristen des § 622 II BGB einzubeziehen sind.
(firmenpresse) - § 622 II BGB lautet:
Für eine Kündigung durch den Arbeitgeber beträgt die Kündigungsfrist, wenn das Arbeitsverhältnis in einem Betrieb oder Unternehmen
1.zwei Jahre bestanden hat, einen Monat zum Ende eines Kalendermonats,
2.fünf Jahre bestanden hat, zwei Monate zum Ende eines Kalendermonats,
3.acht Jahre bestanden hat, drei Monate zum Ende eines Kalendermonats,
4.zehn Jahre bestanden hat, vier Monate zum Ende eines Kalendermonats,
5.zwölf Jahre bestanden hat, fünf Monate zum Ende eines Kalendermonats,
6.fünfzehn Jahre bestanden hat, sechs Monate zum Ende eines Kalendermonats,
7.zwanzig Jahre bestanden hat, sieben Monate zum Ende eines Kalendermonats.
Bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer werden Zeiten, die vor der Vollendung des 25. Lebensjahres des Arbeitnehmers liegen, nicht berücksichtigt.
Die Beschränkung des § 622 II 2 BGB, der die Beschäftigungszeiten vor der Vollendung des 25. Lebensjahres für irrelevant bei der Berechnung der Betriebszugehörigkeit und der Kündigungsfrist hielt, hob der Europäische Gerichtshof wegen Altersdiskriminierung auf. Diese Vorschrift bleibt durch die Gerichte nunmehr unangewendet. Die o.g. Kündigungsfristen gelten daher unabhängig vom Alter des Arbeitnehmers.
Beispiel:Das Arbeitsverhältnis einer 30jährigen Arbeitnehmerin mit zehnjähriger Betriebszugehörigkeit wird vom Arbeitgeber mit zweimonatiger Kündigungsfrist gekündigt. Infolge der Nichtanwendung des § 622 II 2 BGB beträgt die Kündigungsfrist nunmehr vier Monate.
Der Arbeitgeber genießt hinsichtlich dieser Entscheidung keinen Vertrauensschutz, d.h. insbesondere in anhängigen Kündigungsschutzverfahren wird von der Unanwendbarkeit des § 622 II 2 BGB ausgegangen. Die Kündigungsfristen des § 622 II BGB schützen den Arbeitnehmer jedoch nicht davor, dass sein Arbeitsverhältnis überhaupt beendet wird, sondern gewähren im nur einen zeitlich befristeten Bestandsschutz. Im laufenden Kündigungsschutzverfahren bedeutet dieses, dass das Arbeitsverhältnis infolge der Berechnung der korrekten Kündigungsfrist zu einem späteren Zeitpunkt endet und der Arbeitgeber zur Lohnfortzahlung und Weiterbeschäftigung verpflichtet ist. Im o.g. Beispiel hat die Arbeitnehmerin somit Anspruch auf Lohnfortzahlung und Weiterbeschäftigung für weitere zwei Monate, sofern dieses noch möglich ist. Anderenfalls hat der Arbeitgeber die Lohnfortzahlung nach den Grundsätzen des Annahmeverzuges zu erbringen.
Nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes hatte der deutsche Gesetzgeber die Rahmenrichtlinie 2000/78/EG, wonach sämtliche inländischen Gesetze auf Verstöße gegen die Antidiskriminierungsrichtlinie zu untersuchen waren, bis zum 02.12.06 umzusetzen. Somit wirkt sich die neue Rechtsprechung auf alle nach dem 02.12.06 gekündigten Arbeitsverhältnisse aus, auch wenn dort keine Kündigungsschutzklagen erhoben wurden. Der Arbeitnehmer darf daher den Arbeitgeber auf Zahlung von Annahmeverzugslohn für die Differenz der Kündigungsfrist in Anspruch nehmen, muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Arbeit erspart, durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder böswillig zu erwerben unterlässt. Weiterhin sind im Falle des Leistungsbezuges in diesem Zeitraum Leistungen an die Bundesagentur für Arbeit zu erstatten.
Sandra Glitza Fachanwältin für Arbeits- und Sozialrecht - weitere Schwerpunkte: Medizinrecht, Versicherungsrecht, Mietrecht, Verkehrsrecht
Seit über 10 Jahren erfolgreich mit der eigenen Kanzlei in Bad Nenndorf bei Hannover tätig.
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