(firmenpresse) - Von Alexander Hauk
Hamburg/Berlin/Sauerlach (aha). "Kommst du noch auf einen Kaffee mit?" Eigentlich eine ganz harmlose Frage. Wenn er sie nach dem ersten Rendevouz auf eine Tasse Kaffee einlädt, geht es meist aber um deutlich mehr, als nur gemeinsam Kaffee zu trinken. Laut einer repräsentativen Umfrage des Hamburger Meinungsforschungsinstituts Ispos verstehen 25 Prozent der Befragten dieses Angebot sogar als klare Aufforderung zum Sex. "Zwischen Kaffeekultur und Fleischeslust besteht eine bemerkenswerte Liaison", sagt Dr. Christian Rätsch, Autor des Buches "Lexikon der Liebesmittel" und Experte in Sachen Aphrodisiaka. Ob das schwarze Getränk aber tatsächlich eine sexuell stimulierende Wirkung hat? Darüber streiten sich Kaffeetrinker, Kaffeeabstinenzler und Wissenschaftler seitdem die ersten Kaffeebohnen den europäischen Boden erreicht haben.
Ist Kaffee ein Aphrodisiakum oder ein Liebestöter? "Der erste einschlägige Spruch zur aphrodisischen Wirkung des Getränks lautete schon um das Jahr 1700 in Deutschland ‚Coffeum wirft die Jungfrau um’", berichtet Kaffeeexperte Christian Kania von der Burkhof Kaffee GmbH im bayerischen Sauerlach. Und in der Kaffeekantate des deutschen Komponisten Johann Sebastian Bach (1685-1750) heisst es: "Ey, wie schmeckt der Coffee süsse, lieblicher als tausend Küsse." Auch ein Freund des Dichters und Malers Joachim Ringelnatz (1883-1934) hat über die Bedeutung des Kaffees sinniert. Auf einer Hochzeits-Kaffeemühle, die er Ringelnatz schenkte, steht: "Ich schenke dir zum Ehespiele als Leitmotiv die Kaffeemühle. Fest musst Du gleich den Schwengel fassen, Du orgelst eifrig darauf los und drückst den Schieber in die Dos."
Exotik = Erotik
Dass dem Getränk vor allem in früheren Zeiten Lust und Laster beigemischt wurden, liegt laut Rätsch an seiner Herkunft: "Exotik war gleich Erotik." Der "Türkentrank" beflügelte die Fantasie. Reihenweise inspirierte er Künstler zu Abbildungen ausschweifender Gelage, inklusive Tässchen mit dem heissen Gebräu aus braunen Bohnen. Zahlreich waren damals auch die poetischen Werke und Anekdoten, welche die eine oder andere Wunderwirkung kolportierten. "Allein die Bohne hat bereits einen traditionellen Symbolgehalt. Im europäischen Volksglauben ist sie ein Sinnbild sexueller Vergnüglichkeiten, eine Eigenschaft, die schnell auf die Kaffeebohne übertragen wurde", erklärt Rätsch.
Nach Angaben des Deutschen Kaffeeverbandes in Hamburg hat das Wort Kaffee seinen Ursprung im arabische Wort Kahwa, das unter anderem auch "das Erregende" bedeutet. Lange Zeit habe man mit Kaffee trinkenden Frauen eine gewisse Freizügigkeit verbunden, berichtet Kerstin Auer, Sprecherin des Deutschen Kaffeeverbandes. Das rief einst sogar die Ordnungshüter und Sittenwächter der Stadt Leipzig auf den Plan, die dem Kaffee eine demoralisierende Wirkung unterstellten: "Die Stadt hat 1697 ein Gesetz erlassen, das Kaffeehausbetreibern verbot, weibliches Personal Kaffee zubereiten oder servieren zu lassen", sagt Auer. Tatsächlich belegen alte Unterlagen, dass die Grenzen zwischen Kaffeehaus und Bordell wohl einst fliessend waren. Die Kaffeehäuser des 17. Jahrhunderts waren Kontaktbörsen und Kuppelstuben, Treffpunkt für Freudenmädchen und Dichter, für Weitgereiste und Gutbetuchte. Erst im 18. Jahrhundert verloren sie allmählich ihren schlechten Ruf und entwickelten sich zu den Treffpunkten, wie wir sie heute kennen.
Lust in der Tasse
Kaffeehäuser sind auch in unserer Zeit Orte der sozialen Beziehungen: "Die erotische Komponente des Kaffeetrinkens verbindet Generationen - eine altersunabhängige Form der Annäherung sozusagen", sagt Christian Kania, Kaffeeexperte bei Burkhof Kaffee. Während die ältere Generation sich beim Kaffeekränzchen näher kommt, sitzen die jungen Leute im Coffeeshop und frönen dem Sehen-und-gesehen-werden-Spiel.
"Es gibt nichts Harmloseres, als gemeinsam eine Tasse Kaffee zu trinken, und gerade deshalb ist dieses gesellschaftliche Ritual die ideale Plattform für eine Kontaktaufnahme", sagt der Kaffeefachmann. Seit zwei Jahren hat Burkhof Kaffee einen Kaffee mit dem Namen "Coffeerotic" im Angebot, der von Kania als feurig und leidenschaftlich charakterisiert wird. Tatsächlich handelt es sich bei Coffeerotic um einen etwas dunkler gerösteten Espresso, der im Vergleich zu herkömmlichen Sorten würziger und kräftiger im Geschmack ist. Absatz findet Coffeerotic laut Kania vor allem in Szenelokalen und angesagten Bars.
Wissenschaftlich belegt ist, dass Kaffee munter macht und die Durchblutung fördert. Aber fördert der Bohnentrunk auch das Liebesleben? US-Forscher der Universität Michigan wollen jedenfalls herausgefunden haben, dass Kaffeetrinker sexuell aktiver sind als Teeliebhaber. Ausserdem ergab die Untersuchung unter 744 Paaren, dass Kaffeetrinker seltener Erektionsprobleme haben als Kaffeemuffel.
Der Bohnentrank bringt offenbar auch Spermien auf Trab und kann bei bestimmten Formen der männlichen Unfruchtbarkeit helfen: Das haben Wissenschaftler der brasilianischen Universität Sao Paulo entdeckt, indem sie die Spermienbeweglichkeit von Gewohnheitskaffeetrinkern und Koffein-Abstinenzlern, insgesamt 750 Männern, verglichen. Die Beweglichkeit und Schwimmgeschwindigkeit der Spermien von Kaffeetrinkern sei wesentlich besser gewesen, heisst es in der Untersuchung.
Koffein macht Ratten scharf
Auch ein Test mit 108 weiblichen Ratten belegt die stimulierende Wirkung des Kaffees. Den Tieren wurde Koffein verabreicht. Die Ratten wurden daraufhin rattenscharf: Sie entwickelten ein wesentlich stärkeres Interesse an den Männchen als normalerweise, heisst es in dem Forschungsbericht, der im Band 82 der Fachzeitschrift "Pharmacology Biochemistry and Behavior" veröffentlicht wurde.
Trotz aller Studien, eine eindeutige, pharmakologisch belegte Wirkung als Aphrodisiakum konnte dem koffeinhaltigen Heissgetränk bis heute nicht nachgewiesen werden, wie auch Kania bestätigt. Und dennoch gibt es einen logischen Zusammenhang zwischen Kaffee und sexueller Aktivität: "Müdigkeit ist einer der effektivsten Lustkiller", sagt Beatrice Poschenrieder, Journalistin und Autorin mehrerer Bücher mit den Themenschwerpunkten
Erotik, Partnerschaft und Gesundheit. Die meisten im Handel erhältlichen Lustmittel enthalten Energie spendende, gesundheitsfördernde oder den Kreislauf anregende Substanzen, berichtet die Sexkolumnistin und Liebesberaterin für Internet und Fernsehen. Und dazu zählt auch Kaffee beziehungsweise Koffein.
In ihrem aktuellen Buch "Stöhnst du noch oder kommst du schon" (Rowohlt) beschäftigt sich die Autorin auch mit Kaffee als luststeigerndem Mittel. "Alles, was die Durchblutung anregt, ist gut für die Sexualität; gut durchblutete Sexualorgane funktionieren besser und sind wesentlich reizempfindlicher", sagt Poschenrieder.
Allerdings sollten Liebespaare den Kaffeegenuss nicht übertreiben: "Zuviel Kaffee macht nervös und das kann bei Leuten, die vor dem Akt ohnehin nervös sind, den Sexual Overkill bewirken." Dagegen könne bei einem entspannten, etwas schlappen Menschen, der sonst wenig Kaffee trinkt, ein Tässchen des schwarzen Goldes durchaus den Unterschied zwischen Flop oder Top ausmachen, berichtet so die Erotikexpertin.
Wenn es um die sexuell stimulierende Wirkung von Kaffee geht, hat Dr. Christian Rätsch noch ein Geheimrezept. Er empfiehlt das Gewürz Kardamom, ebenfalls ein Aphrodisiakum: "Für eine Tasse nimmt man einen gehäuften Teelöffel Kaffee und einen gestrichenen Teelöffel Kardamom und giesst dann die Mischung auf". Fertig ist der aussergewöhnliche Liebestrank.