(ots) - Vier Gewinnt
Die Gewinner des Atompokers sind unschwer zu identifizieren: Wenn
der Aktienkurs eines Konzerns an einem Tag um bis zu fünf Prozent in
die Höhe schießt, dann ist das ein klares Indiz dafür, dass für das
Unternehmen etwas ziemlich gut gelaufen ist. Was die Börsianer in
Scharen zu Investitionen in die großen AKW-Betreiber RWE, Eon, EnBW
und Vattenfall veranlasst: Die Vier können - nach einer unabhängigen
Berechnung wohlgemerkt - durch den Beschluss der Bundesregierung auf
Mehreinnahmen von 127 Milliarden Euro hoffen. Kein Wunder, dass die
Konzernlenker nun plötzlich den Mantel des Schweigens über ihre erst
wenige Tage alte Drohung legen, bei Einführung einer
Brennelementesteuer die Atomkraftwerke einfach abzuschalten.
Angesichts des erwarteten Geldsegens sind die Sonderabgaben, die der
Staat der Atomindustrie nun vorübergehend abverlangt, nicht viel mehr
als die oft zitierten Erdnüsse. Die Kanzlerin, so hieß es, habe sogar
am Sonntagabend um 23 Uhr persönlich die Vorstandschefs der vier
Energiekonzerne angerufen und sie in die Entscheidung einbezogen. Wer
also sollte sich als Sieger fühlen, wenn nicht die Atomindustrie?
Doch es könnte sich als verfrüht herausstellen, die Sektkorken
knallen zu lassen. Im Sport würde man sagen: Nur die Vorrunde ist
überstanden, bis zum Finale ist es noch ein weiter Weg. Denn ob der
Regierungsbeschluss, den die Kanzlerin als "Revolution" und der
Außenminister als "epochal" feiern, jemals Realität wird, steht in
den Sternen. Zunächst wird die Sache wohl vor dem
Bundesverfassungsgericht landen, da die Regierung die Länder an der
Entscheidung nicht beteiligen will. Und dann wird in den kommenden
Jahren über allen Detailfragen des Beschlusses wie ein mahnender
Komet am Himmel die Ankündigung der Opposition schweben, bei einer
Regierungsübernahme den Ausstieg vom Ausstieg wieder rückgängig zu
machen. Das gibt den Konzernen einstweilen alles andere als
Planungssicherheit. Auch wenn die Regierung etwas anderes vorgaukelt:
Es ist zu erwarten, dass bei der Entwicklung alternativer Energien
durch die Laufzeitverlängerungen ein gewisser Bremseffekt eintritt.
Das mag die beruhigen, die in jedem Windpark eine Verunstaltung der
Landschaft sehen. Doch die Probleme von morgen werden dadurch nur ein
Stück weiter in die Zukunft verschoben. Nichts steht im neuen
Energiekonzept übrigens zur zentralen Frage bei der Nutzung der
Atomkraft: Wohin mit dem ganzen Müll? Durch die längeren Laufzeiten
fallen zusätzlich tausende Tonnen radioaktiven Abfalls an, der
hunderttausende Jahre sicher verwahrt werden muss. Ohne Antwort auf
diese Frage ist das Energiekonzept der Bundesregierung weder eine
"Revolution" noch "epochal".
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