(ots) -
- Gesamtzufriedenheit der Kunden ist in der Krise gesunken
- Höchste Priorität für Kunden hat nach wie vor die ständige
Einsatzbereitschaft ihres Fahrzeugs
- Kundenspezifische Lösungsangebote sind wichtiges Mittel zur
Differenzierung
Nach dem tiefen Konjunkturloch mit dramatischen Einbrüchen bei
Absatz und Auftragseingang zeigen aktuelle Indikatoren der
Nutzfahrzeugbranche Anzeichen der Erholung. Wollen die Hersteller
aber vom bevorstehenden Aufschwung nachhaltig profitieren, müssen sie
intelligente und verständliche Angebotspakete schnüren, die auf die
Bedürfnisse der einzelnen Kundengruppen zugeschnitten sind, aber auch
regionale Anforderungen berücksichtigen. So stehen bei deutschen
Kunden servicerelevante Themen deutlich höher im Kurs als bei allen
anderen Kunden in West- und Osteuropa. Insgesamt müssen sich die OEMs
in puncto Lösungsangebote deutlich verbessern. Nur so können sie sich
differenzieren und den Kunden langfristig an sich binden. Dies ergibt
die Studie "European Truck Customer 2010" von Oliver Wyman, Europe
Net und Pleon, in der die Kundenbedürfnisse und -zufriedenheit in
Gesamteuropa untersucht wurden.
Im Jahr 2009 hat die Nutzfahrzeugbranche ihre bislang schwerste
Krise erlebt. Nach zuvor jahrelang boomenden Märkten in West- und
Osteuropa, aber auch in Asien setzte im Herbst 2008 im LKW-Segment
ein in Schnelligkeit und Ausmaß noch nie da gewesener Abschwung ein.
In der Folge gingen im vergangenen Jahr die Absatzzahlen in
Nordamerika um 36 Prozent und in Südamerika um 16 Prozent zurück. Nur
in Asien konnte ein leichtes Wachstum von sechs Prozent erreicht
werden. Wesentlich dramatischer stellte sich die Situation in
Osteuropa mit einem Rückgang von 65 Prozent dar. Kaum besser erging
es Westeuropa mit einem Minus von 43 Prozent. Insgesamt führte dies
zu einem weltweiten Absatzrückgang von 18 Prozent. Waren 2008 noch
mehr als 2,2 Millionen LKWs rund um den Globus verkauft worden,
fanden 2009 nur etwa 1,8 Millionen Nutzfahrzeuge einen Käufer. In
vielen Fällen wurden lediglich die Auftragsbestände abgearbeitet,
jedoch kaum nennenswerte Auftragseingänge verzeichnet.
Der Nutzfahrzeugmarkt scheint sich weltweit nun schneller als
erwartet zu erholen. Zahlreiche Hersteller präsentierten zuletzt
positive Quartalszahlen mit hohen Zuwachsraten bei den
Auftragseingängen, ausgehend allerdings von einem sehr niedrigen
Niveau im Krisenjahr 2009. Im ersten Halbjahr 2010 verzeichnete die
Nutzfahrzeugindustrie in Deutschland laut Branchenverband VDA
gegenüber dem schwachen ersten Halbjahr 2009 zweistellige
Steigerungen bei Auftragseingängen, Produktion, Absatz und Export.
"Die Talsohle scheint durchschritten, der Markt zieht an", sagt Romed
Kelp, Nutzfahrzeugexperte bei Oliver Wyman. "Doch es wird sicher noch
einige Zeit dauern, bis das Vorkrisenniveau wieder erreicht wird.
Dazu waren die Jahre 2007 und 2008 zu außergewöhnlich."
Verfügbarkeit und Total Cost of Ownership werden dem Kunden
wichtiger Kundenorientierung und Kundenbindung gewinnen für die
Nutzfahrzeughersteller nach der Krise weiter an Gewicht. Dies setzt
fundierte Kenntnisse der Kundenbedürfnisse voraus, die nicht nur in
einzelnen Kundensegmenten, sondern auch regional erhebliche
Unterschiede aufweisen. Im Zuge der Marktkonsolidierung der letzten
Jahre hat sich dies weiter verschärft. Seit 2006 untersucht Oliver
Wyman die Kundenanforderungen im Nutzfahrzeugmarkt. Für die aktuelle
Studie "European Truck Customer 2010" wurden mehr als 2.300
LKW-Kunden in 15 Ländern Europas befragt. Dabei zeigt sich, dass bei
deutschen Kunden die Werkstattangebote der Hersteller heute von noch
größerer Bedeutung sind als im Jahr 2008. Vor zwei Jahren führte der
Kraftstoffverbrauch die Top Ten der wichtigsten Kriterien für den
Kaufentscheid an. Heute rangiert in Deutschland das Thema
Fahrzeugzuverlässigkeit auf Platz eins, gefolgt von
Garantieleistung/Kulanz und Servicequalität, die 2008 beide nicht
unter den fünf wichtigsten Kundenanforderungen waren. Platz vier
nimmt die Verfügbarkeit von Ersatzteilen ein (2008: Rang 5), dahinter
erst folgt aufgrund der gesunkenen Ölpreise der Kraftstoffverbrauch.
Verändert hat sich auch der Stellenwert von Kostenaspekten. Vermehrt
legen Kunden ihr Augenmerk auf Total Cost of Ownership, die sich aus
Anschaffungspreis, Restwert und laufenden Kosten zusammensetzen. Der
Kunde wünscht demnach ein jederzeit einsatzbereites Fahrzeug zu klar
kalkulierbaren Kosten.
Bei allen Kriterien aber, so bringt die Befragung zutage, erfüllen
die Hersteller nicht die Erwartungen der Kunden. Eine der größten
Lücken zwischen Anspruch und Wirklichkeit klafft insbesondere in
Deutschland beim Thema Garantieleistung/Kulanz. Hier haben die Kunden
eine hohe Erwartungshaltung, die jedoch aus ihrer Sicht nicht
befriedigt wird. Deutliche Unterschiede ergeben sich hinsichtlich der
Total Cost of Ownership. Dagegen schneiden die für die Kunden
wichtigen Werkstattangebote vergleichsweise gut ab. Tatsächlich hat
sich die Zufriedenheit der Kunden mit den OEMs in einzelnen Aspekten
in den vergangenen Jahren verbessert. "Deutlich zeigt sich das beim
Servicenetz und bei der Qualität der Servicestandorte", erklärt Sven
Wandres, Automobilexperte bei Oliver Wyman. "Die Mahnungen der Kunden
sind hier erhört worden."
Denken in Lösungen ist das Gebot der Stunde
Auch produktbezogene Themen erfüllen die Hersteller gut, sei es
der Kabinenkomfort oder seien es die Motoren. Allerdings rücken neben
dem Fahrzeug selbst zunehmend andere Kriterien in den Vordergrund,
die eine Kaufentscheidung beeinflussen. Für die OEMs stellt sich
damit die Herausforderung, sich über Lösungsangebote zu
differenzieren und so den Kunden langfristig an sich zu binden.
Ein Beispiel für ein Lösungsangebot zur Erhöhung der Verfügbarkeit
sind Mobilitätsdienstleistungspakete. Die Verfügbarkeit der Fahrzeuge
wird zunehmend wichtiger, Störungen im Fahrbetrieb sind kostspielig.
Um die Zufriedenheit ihrer Kunden zu verbessern, haben die Hersteller
nicht nur die Zuverlässigkeit ihrer Fahrzeuge zu erhöhen, sondern
zugleich dafür zu sorgen, dass im Fall einer Panne die Reparatur
schnell und gut erfolgt, sodass die Ausfallzeit gering bleibt. Dazu
gilt es, ein dichtes Servicenetz zu knüpfen - gegebenenfalls via
Kooperationen mit anderen Herstellern oder unabhängigen Spezialisten
-, um kurze Standzeiten und somit eine optimale Fahrzeugverfügbarkeit
zu gewährleisten. Auf diese Weise könnten sich die Hersteller auch im
Wettbewerb mit freien Anbietern behaupten, der an Intensität zuletzt
deutlich zugenommen hat. Nach Kundenangaben werden derzeit immerhin
rund 40 Prozent aller Mobilitätsdienstleistungen von unabhängigen
Anbietern bezogen.
Bislang aber können die Hersteller mit hochwertigen
Zusatzdienstleistungen weder in Deutschland noch in West- und
Osteuropa punkten. Dazu zählen sowohl Mobilitätsgarantien, die den
Geschäftsbetrieb der Kunden absichern könnten, als auch Ersatzfahrer,
Kurzzeitvermietung, Flottenmanagement oder Versicherungen. Diese
Angebote der OEMs werden von den Kunden als Mehrwert bislang nicht
ausreichend wahrgenommen. Hier müssen die Hersteller deutlich an
ihrer Kommunikation arbeiten. Darüber hinaus stehen sie in der
Pflicht, die häufig komplexen und unübersichtlichen Preisstrukturen
zu überprüfen und die Anforderungen der unterschiedlichen
Kundensegmente zu berücksichtigen. Die Hersteller sind zudem
gefordert, künftig weniger in Produkten als vielmehr in
Kundenlebenszyklen und Lösungen zu denken. "Dies macht auch
organisatorische Veränderungen notwendig", so Wandres. "Nur wenn alle
Einzelbereiche vom Fahrzeugverkauf über Werkstattangebote bis hin zu
Zusatzdienstleistungen intelligent und kundenorientiert
zusammenspielen, lässt sich der Kundenwert optimieren."
Regionale Bedürfnisse berücksichtigen
Bei der Ausrichtung des Angebots auf die unterschiedlichen
Kundensegmente dürfen die regionalen Besonderheiten nicht außer Acht
bleiben. Zwar ähneln die für den Kaufentscheid wichtigsten Kriterien
in Deutschland jenen in West- und Osteuropa. In beiden Regionen aber
sind auf den vorderen Plätzen der Top Ten mehr fahrzeugrelevante als
werkstattbezogene Themen zu finden. In Osteuropa hat vor allem der
Kaufpreis mit Platz drei ein hohes Gewicht, wohingegen er in
Deutschland als Einzelkriterium nicht mehr unter den Top Ten
rangiert.
Gerade die osteuropäischen Kundenbedürfnisse besser zu bedienen,
wird für die westeuropäischen OEMs zu einem wesentlichen
Erfolgsfaktor. Denn während sie sich in einem strukturell
mittlerweile weitgehend gesättigten westeuropäischen Markt über die
Jahre ihre Marktpositionen gesichert haben, bietet der stark
wachsende osteuropäische Markt Raum zur Expansion. Die Marktanteile
sind noch nicht so fest verteilt wie in Westeuropa. Keiner der
westeuropäischen Player hat bislang einen dominanten Marktanteil.
Zudem ist der Wettbewerb zwischen osteuropäischen Incumbants und
westeuropäischen sowie asiatischen Herstellern in vollem Gange. Für
die westeuropäischen OEMs sind die räumliche Nähe zu Osteuropa und
die zum Teil vergleichbaren Kundenstrukturen wichtig. Dies macht es
den westeuropäischen Herstellern leichter, sich mit ihrem
Fahrzeugportfolio und ihren Services erfolgreich in Osteuropa zu
etablieren.
Voraussetzung dafür aber ist, Angebote zu entwickeln, die auf die
spezifischen Anforderungen perfekt zugeschnitten sind. "Das gesamte
Leistungsspektrum ist zwingend kundenorientiert auszugestalten",
betont Kelp. "Dies gilt in Bezug auf einzelne Kundensegmente ebenso
wie in regionaler Hinsicht. Gewinnen werden diejenigen Hersteller,
die ein überlegenes Verständnis der Kundenbedürfnisse haben und
effiziente Strukturen schaffen, um maßgeschneiderte, leicht
verständliche Lösungspakete zu schnüren."
Handlungsfelder für europäische Nutzfahrzeughersteller
1. Überlegenes Kundenverständnis schaffen
Hersteller müssen die Kundenbedürfnisse stärker
zielgruppenspezifisch erfassen - sowohl regional als auch nach
spezifischen Abnehmerbranchen. Darüber hinaus ist die
Kaufbereitschaft für Service- und Dienstleistungsprodukte sowie für
Produktbündel zu erfassen.
2. Wertschöpfungskettenübergreifende Leistungsangebote entwickeln
Überlegenes Kundenverständnis ermöglicht die Entwicklung von
wertschöpfungskettenübergreifenden Leistungsangeboten, die sich aus
Bausteinen der Bereiche Fahrzeug, Service, Dienstleistungen oder
Mobilität zusammensetzen. Aus einem modularen "Produkt-Baukasten"
sind leicht verständliche, zielgruppenspezifische Angebote (Bundles)
zu erstellen.
3. Preise attraktiv gestalten
Um den Kundenwert zu maximieren, müssen Preisstrukturen für
spezifische Abnehmergruppen optimiert werden. Zudem sind
Lösungspakete so zu bepreisen, dass die Zahlungsbereitschaft über den
Kundenlebenszyklus hinweg adressiert wird. Hierbei muss eine reine
Addition der Einzelleistungen vermieden werden, um sich nicht aus dem
Markt "zu preisen".
4. Kommunikation optimieren
Für eine klare, nutzenorientierte Kommunikation gilt es
einerseits, die Komplexität der Angebotsstrukturen auf ein
beherrschbares Maß zu reduzieren. Andererseits muss der Nutzen der
Bundles klar herausgestellt werden.
5. Kundenorientierung organisatorisch abbilden
Eine konsequente Ausrichtung auf Kundenbedürfnisse fordert von
Herstellern organisatorische Veränderungen. Um im gesamten
Kundenlebenszyklus in Kundenwert "denken" zu können, sind die
Prozesse über die Wertschöpfungskette hinweg zu integrieren.
Zur Studie
Die Studie "European Truck Customer 2010" von Oliver Wyman wurde
in Zusammenarbeit mit Europe Net und Pleon erstellt. Sie basiert auf
einer Befragung zu Image und Markenerfahrung, die von Februar bis Mai
2010 stattfand. Mehr als 2.300 LKW-Kunden in 15 Ländern Europas
nahmen an der Befragung teil. Die Studie liefert ein umfassendes Bild
über die Bedürfnisse und Zufriedenheit von Nutzfahrzeugkunden in den
Bereichen Produkt, Preis und Kosten, Verkaufsprozess,
Werkstattservice sowie Zusatzdienstleistungen. Oliver Wyman führte im
Jahr 2006 in Deutschland erstmals die Befragung "Truck Customer"
durch, um die Bedürfnisse von LKW-Kunden systematisch zu erheben.
Inzwischen hat sich die alle zwei Jahre durchgeführte Studie zu einem
renommierten Branchenstandard entwickelt. Die Studie "European Truck
Customer 2010" bildet nun erstmalig ein gesamteuropäisches
Meinungsspektrum ab, aus dem sich fünf übergreifende sowie
herstellerspezifische Handlungsfelder für europäische
Nutzfahrzeughersteller ergeben. In der Kooperation ist Oliver Wyman
für die Studieninhalte und Methodik verantwortlich, Europe Net
brachte seinen Kundenzugang ein und Pleon unterstützt die
Kommunikation. Die Studie wird am 22. September 2010 im Rahmen einer
Pressekonferenz auf der 63. IAA Nutzfahrzeuge in Hannover
vorgestellt.
Pressekontakt:
Andrea Steverding
Manager Corporate Communications
Oliver Wyman
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andrea.steverding(at)oliverwyman.com
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