(ots) - ACHT FORDERUNGEN des Frankfurter
Zukunftsrates, die der wachsenden Entfremdung zwischen Politik und
Bürgerschaft entgegenwirken sollen. Der Zukunftskreis Politik und
Wirtschaft des Frankfurter Zukunftsrates hat sich auf einer Sitzung
in Hannover unter der Leitung von Bundesminister a.D. Dr. h.c.
Wolfgang Clement und Prof. Dr. Manfred Pohl mit der erkennbar
wachsenden Entfremdung zwischen Politik und Bürgerschaft beschäftigt
und dazu acht Forderungen formuliert:
1. Die Hinterzimmerpolitik der Parteien muss beendet werden.
Die Entfremdung zwischen Politik und Bürgerschaft nimmt spürbar zu
und kann sich längerfristig zu einer Gefahr für die Demokratie in
unserem Land entwickeln.
Umfragen zeigen: Bis zu zwei Dritteln der Bürger
sind mit dem gegenwärtigen Zustand unserer Demokratie nicht
zufrieden. Erkennbar schwindet insbesondere das Vertrauen in die
politischen Parteien, deren wichtige Entscheidungsprozesse sich
hinter verschlossenen Türen abspielen.
Forderung: Es ist an der Zeit, die politische Kultur in unserem Land
und die politischen Institutionen kritisch in Frage zu stellen.
Ãœberragend wichtig ist es,
- für Offenheit und Transparenz im politischen Betrieb zu
sorgen,
- Regierungen und Parteien zum Rückzug aus den Medien zu
bewegen und
- die Bürger so früh wie möglich in Entscheidungsprozesse
einzubeziehen.
2. Die Auswahl unseres politischen Personals geschieht auf eine
Weise, die der Demokratie nicht würdig ist.
Die Auswahl unseres politischen Personals, namentlich die
Aufstellung der "Listen-Kandidaten" zum Deutschen Bundestag und zu
den Landtagen, aber auch die Auswahl der "Direkt-Kandidaten" erfolgt
unter Ausschluss der Öffentlichkeit.
Beteiligt an diesen Auswahl-Prozessen sind allenfalls 10 bis 20
Prozent der jeweils aktiven Parteimitglieder, also nur Bruchteile der
Bürgerschaft. Die Wählerinnen und Wähler, die sich für eine "Liste"
zum Deutschen Bundestag entscheiden, haben in der Regel keine oder
allenfalls eine minimale Kenntnis von denen, die sie in das
wichtigste demokratische Entscheidungsgremium entsenden. Das ist
grotesk und hat zur Folge, dass ein Vertrauensverhältnis zwischen den
politisch Handelnden und der Bürgerschaft sich kaum entwickeln kann.
Forderung: Demokratie bedarf der offenen und öffentlichen
Personaldiskussion. Die Vorwahl-Prozesse der politischen Parteien
gehören in die Öffentlichkeit.
3. Nur Wettbewerb bringt die besten Kandidaten hervor.
Wettbewerb zwischen mehreren Kandidaten schafft Motivation,
fordert Konkurrenz heraus, bringt Bewegung und fördert Kreativität.
Forderung: Prinzipiell sollten stets mehrere Kandidaten zur
Vor-Wahl benannt werden. Ãœberlegenswert ist ein Vorschlagsrecht auch
für Nicht-Parteimitglieder.
4. Demokratie verlangt eine höchstmögliche Beteiligung der Bürger
an den Entscheidungsprozessen.
Die Bürgerinnen und Bürger sollten nicht nur an Wahltagen zur
Mitwirkung an politischen Entscheidungen eingeladen sein. Politische
Entscheidungen sollten nicht den politischen Parteien allein
überlassen sein, die zur Mitwirkung an der politischen Willensbildung
berufen sind, aber nicht zu deren Beherrschung. Ein Instrument für
eine stärkere Bürgerbeteiligung sind Volksentscheide, die in
Deutschland aufgrund unserer historischen Erfahrungen bisher nur sehr
zurückhaltend angewandt wurden, sich inzwischen aber in Kommunen und
den meisten Ländern bewährt haben.
Forderung: Mittels Verfassungsänderung sollten Volksentscheide
generell auch auf der Bundesebene möglich werden.
5. Der oberste Repräsentant unseres Landes sollte direkt von den
Bürgern gewählt werden.
Im Verständnis vieler Bürgerinnen und Bürger ist der
Bundespräsident offensichtlich eine Institution, der sie ein
besonderes Vertrauen entgegenbringen möchten und der - wenn es
geboten ist - mit seiner Stimme auch die Interessen der Bürgerschaft
im politischen Betrieb zu Gehör bringt. Das spricht dafür, dass ihn
die Bürgerinnen und Bürger auch direkt wählen.
Forderung: Mittels Änderung des Grundgesetzes sollte die
Direktwahl des Bundespräsidenten vorgesehen werden.
6. Die Kommunen müssen gestärkt werden.
Unsere Städte und Gemeinden sind die den Bürgerinnen und Bürgern
nächste politische Ebene. In den Kommunen erleben sie die Stärken,
aber auch die Schwächen der Demokratie.
Derzeit werden die Kommunen vor allem durch Entscheidungen des
Bundes und der Länder in der ihnen eigenen Selbstverwaltung und in
ihren tatsächlichen Möglichkeiten politisch wie finanziell eingeengt.
Es ist aber sowohl demokratisch geboten als auch gesellschaftlich und
auch wirtschaftlich vernünftig, den Kommunen wieder mehr
Entscheidungsspielräume zu eröffnen.
Forderung: Die Unabhängigkeit der Kommunen muss gestärkt und ihre
finanzielle Ausstattung muss erweitert werden. Auf der Landesebene
sollte den Kommunen in den sie betreffenden Belangen über eine eigene
Vertretung ein Mitentscheidungsrecht eingeräumt werden.
7. Die föderalen Strukturen in Deutschland müssen entzerrt werden.
Die Mischformen im Zusammenwirken von Bund und Ländern haben eine
erhebliche Unübersichtlichkeit zur Folge. Demokratische
Entscheidungsprozesse werden sowohl langsamer und ineffizienter als
auch undurchschaubarer.
Forderung: Notwendig sind eine klare Trennung von Bundes- und
Länderkompetenzen und eine Entmischung der Finanzausstattung.
Notwendig ist zudem eine Struktur der Länder, die sie in die Lage
versetzt, miteinander sowohl zu kooperieren als auch zu konkurrieren.
Das bedingt weniger und in der Wirtschafts- und Finanzkraft stärkere
Länder.
8. Europa braucht Öffentlichkeit
Die europäische Entwicklung ist von unschätzbarem Wert für unser
Land. Aber diese Entwicklung vollzieht sich heute fernab der
tatsächlichen Wahrnehmbarkeit der europäischen Bürgerinnen und
Bürger. Ein die Bürgerschaft demokratischer Mitgliedstaaten
nachgerade beleidigendes Beispiel war die Berufung des ersten
ständigen Präsidenten des Europäischen Rates und der außenpolitischen
Repräsentantin der EU durch die Staats- und Regierungschefs: Die
Nominierung und Entscheidung über diese beiden herausragend wichtigen
Personalien fielen wiederum hinter verschlossenen Türen - beim
Abendessen der Staats- und Regierungschefs - ohne auch nur eine
einzige vorherige öffentliche Andeutung der in Frage kommenden
Persönlichkeiten, von einer vorherigen Einbeziehung der Parlamente,
von der Bürgerschaft ganz zu schweigen.
Forderung: Europa braucht eine europäische Öffentlichkeit. Ohne
eine solche Öffentlichkeit wird Europa nicht entstehen können. Der
Aufbau entsprechender öffentlich-rechtlicher und/oder privater
Stiftungen, die eine europaweite mediale Öffentlichkeit tragen und
gewährleisten können, ist dazu unabdingbar.
Ansprechpartner:
Jane Uhlig
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