(ots) - Sage niemand, dass Politiker nicht lernfähig
seien. Im Kleinen wenigstens. Wie bei der Berufung neuer
Vorstandsmitglieder für die Deutsche Bundesbank. Nachdem der SPD die
Entsendung des einstigen Berliner Finanzsenators und Parteifreundes
Thilo Sarrazin krachend auf die eigenen Füße gefallen ist, hat sie
dazugelernt. Der Vorschlag der Länder Rheinland-Pfalz und Saarland,
den mit dem Rückzug Sarrazins freigewordenen Stuhl im sechsköpfigen
Vorstand mit dem Bundesbank-Eigengewächs Joachim Nagel
nachzubesetzen, ist ein Volltreffer.
Als Zentralbereichsleiter hat Nagel bisher auf der Ebene unterhalb
des Vorstands gearbeitet. In der Finanzkrise hat er nicht nur den
internen Krisenstab der Bundesbank geleitet und die für die
Geschäftsbanken so wichtigen Geldmarktoperationen verantwortet,
sondern die deutsche Notenbank auch in Gremien des Eurosystems
vertreten. Bei Nagel treffen Expertise, Marktnähe und internationale
Erfahrung zusammen, und sein Werdegang lässt überdies eine Antenne
für politische Fragen vermuten.
Aufatmen kann die Deutsche Bundesbank. Rufschädigende Eskapaden
sind von Sarrazins Nachfolger nicht zu erwarten. Vom Vorschlag der
Staatskanzleien in Mainz und Saarbrücken, dem der Bundesrat noch
zustimmen muss und wird, geht das Signal aus, dass in erster Linie
Kompetenz bei der Auswahl von Bundesbank-Vorständen entscheiden
sollte. Dafür hatte Bundesbankpräsident Axel Weber seit langem
geworben. Denn das Ansehen, die Integrität und die Unabhängigkeit von
politischer Einflussnahme sind das Pfund, mit dem die Bundesbank im
Kreis der Euro-Notenbanken wie auch in der Finanzaufsicht wuchern
kann.
Nicht allein für die Außenwirkung der Bank ist der
Personalvorschlag das richtige Signal, sondern auch nach innen. Die
Führungskräfte wissen nun, dass man auch ohne politisches Mandat in
die oberste Führungsebene aufsteigen kann. Das gab es in dieser Form
bisher nicht. Und auch die Politik selbst hat sich mit dem
Personalvorschlag einen Gefallen getan. Der Druck, das
Berufungsverfahren mit dem zwischen Bund und Ländern wechselnden
Vorschlagsrecht zu reformieren, war durch den Fall Sarrazin groß
geworden. Jetzt zeigt sich, dass es auch anders geht. Dass es am Ende
nicht vorrangig auf das Verfahren ankommt, sondern auf den richtigen
Kandidaten.
(Börsen-Zeitung, 8.10.2010)
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