[...] Und nun stand man wieder auf dem Appellplatz, als hätte es diese zwei zurückliegenden Wochen nicht gegeben. Und dann rollten sie an, die Busse parkten rund um den Platz. Spätestens jetzt - und das fand ich jedes Mal besonderes rührend - flossen bei nicht wenigen Kindern die Tränen. Es gab Umarmungen, Zurufe ... ja, und kurze Zeit später rollten die Busse davon. Hinter den Scheiben winkten die Kinder - ein letzter Abschiedsgrußan ihre Gruppenleiter. [...]
(firmenpresse) - Nostalgie? Ostalgie? Fahnenappell? Sinnvolle Ferienbeschäftigung? Erholung? Gängelung? Pädagogik? Fragen, die oft als barsche Antworten herhalten müssen, ohne dass nachgedacht wird.
Unter dem Begriff MZO 14 verbarg sich die Abkürzung für das Mehrzweckobjekt 14 der Luftstreitkräfte/Luftverteidigung der Nationalen Volksarmee der DDR. Was da so kriegerisch klingt, war oft das Objekt der Begierde von Kindern der DDR: Ein Sommerabenteuerurlaub im Pionierferienlager "German Titow", Karlshagen, Ostsee, Usedom, unweit der einstigen Heeresversuchsanstalt. In jedem Sommer konnten sich mehr als 2400 Kinder am Strand der Ostsee erholen, teamfähig werden und das Wort Heimweh zu den unbekannten legen. Eine nicht immer ganz sozialistische Pfadfinderbewegung, und doch staatlich organisiert und gefördert. Der Sommer in Karlshagen - er war für Kinder und Betreuer stets eine Art Mythos. Das Ferienlager ist inzwischen längst Vergangenheit, es verschwand buchstäblich vom Erdboden, räumte für teure Urlaubersilos und angebliche Investoren das Feld, so, wie es vielen Ferien-Kinder-Objekten erging. Heute weichen die Kinder aus, dorthin, wo ein bisschen von dem überlebt hat, worüber die erwachsenen Generationen berichten, was für Kinder-Familien noch bezahlbar ist, zum Beispiel mit City-Kids nach Tschechien.
Der Autor des Buches "Sommerflug zur Insel" lässt eine Zeit Revue passieren, an die sich viele heute längst erwachsene Menschen erinnern werden. Er startet diesen Versuch einer Erinnerung aus der Sicht eines Pädagogikstudenten der 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts: Die Erinnerung an ein großes Kinderferienlager, dessen Terrain eigentlich das damalige Mehrzweckobjekt 14 der Luftstreitkräfte/Luftverteidigung der ehemaligen Nationalen Volksarmee der DDR war. Pro Durchgang - und davon gab es in jeder Sommerferiensaison drei - verlebten hier rund 800 Kinder erlebnisreiche und unbeschwerte Ferientage. Für die Studentinnen und Studenten der Pädagogischen Hochschule "Karl Friedrich Wilhelm Wander" bedeutete Karlshagen im "Lager-Praktikum" nach Abschluss des zweiten Semesters unter Umständen eine Art "Feuertaufe" im Umgang mit ihnen anvertrauten Kindern 24 Stunden am Tag. Heute kaum vorstellbar, so war es damals doch möglich, dass die einzelnen Ministerien der DDR von ganz oben angewiesen wurden, sich um Sicherheit, Wohlbefinden und Erholung der Kinder zu kümmern.
Gerd Tiedke, Jahrgang 1962, erlernte den Beruf eines Facharbeiters für Glastechnik mit Abitur. Ein anschließendes Studium an der Pädagogischen Hochschule "Karl Friedrich Wilhelm Wander" in Dresden schloss er als Diplomlehrer für Kunsterziehung und Deutsch ab, unterrichtete danach in Grimma und in Arnsdorf bei Dresden. Sein studentisches Gruppenleiter-Praktikum im Pionierferienlager "German Titow", dem Mehrzweckobjekt 14 der Luftstreitkräfte/Luftverteidigung der Nationalen Volksarmee der DDR, absolvierte er im August 1984. In den Folgejahren bis zum Ende seines Studiums war er während der sommerlichen Semesterferien regelmäßig jeweils über mehrere Wochen im MZO 14 tätig.
Seit 1992 arbeitet Gerd Tiedke als Journalist, zeichnet Karikaturen und illustrierte unter anderem auch Unterrichtsmaterialien für den Deutsch-, Kunsterziehungs- und Sachkundeunterricht im Freistaat Bayern. Er lebt seit 2006 wieder in seiner Geburtsstadt Torgau an der Elbe.
Ein Buch, das nicht nur zum Erinnern, sondern auch zum Nachdenken einlädt. Was zeichnet einen kinderfreundlichen Staat aus? Das Reden über jene Dinge die man tun könnte? Oder das Nachdenken über Dinge, die man tun muss, wenn keine Kinder mehr da sind? Hört die Bildungspolitik an der Schultür auf? Oder ...
Tino Hemmann
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