Die am 28.10.2010 vom Bundestag beschlossene Flugticket-Steuer wird je nach Entfernung der Flugstrecke zum Zielflughafen unabhängig von der Buchungsklasse für alle aus Deutschland abgehenden Flüge mit 8 oder 25 oder 45 Euro erhoben. Für Inlandsflüge fallen zusätzlich zur Luftverkehrsteuer 19% Umsatzsteuer an. Flüge nach Deutschland oder Transitflüge über Deutschland werden nicht besteuert. Treten Flugpassagiere ihren Flug nicht an oder kündigen sie die Flugbuchung vor Flugantritt, können die vorausgleisteten Steuern, Gebühren und Zuschläge vollumfänglich zurückgefordert werden.
von Jan Bartholl (Rechtsanwalt für Reiserecht und Luftverkehrsrecht)
(firmenpresse) - KO 2010 (Ma) "Fliegen muss teurer werden" betitelte am 09.02.1995 eine große deutsche Boulevardzeitung das Interview mit der damaligen Umweltministerin Angela Merkel. "Die Bundesregierung wird international auf eine weltweite Besteuerung von Flugbenzin drängen", sagte Merkel damals. 15 Jahre später stellen die Ministerialbeamte der Bundeskanzlerin Merkel im Entwurf des Gesetzes über eine Luftverkehrsteuer fest: "Die zeitnahe Einführung einer Kerosinsteuer auf internationaler Ebene erscheint unrealistisch". Um trotzdem einen ökologischen "Anreiz zum energiesparenden Einsatz von Kraftstoffen" zu setzen, dachte sich die deutsche Bundesregierung die Luftverkehrsteuer aus. Diese soll zunächst als Alternative für die nicht durchsetzbare Kerosinsteuer erhoben werden.
Auf Grund der schwierigen Voraussetzungen eines einheitlichen und internationalen Vorgehens, hatten lediglich die Niederlande als einziger EU-Mitgliedstaat von einer Treibstoffsteuer auf Inlandsflüge Gebrauch gemacht. Dort wurde seit 01.01.2005 eine Kerosinsteuer in Höhe von 20,6 Cent je Liter Treibstoff erhoben. Die Steuer wurde mittlerweile ersatzlos abgeschafft, da die erwartete ökologische Lenkungswirkung ausblieb. Frankreich erhebt seit dem 01.07.2006 eine Flugticketabgabe in Höhe von einem Euro für innereuropäische bzw. vier Euro für Langstreckenflüge. Die Einnahmen aus der Abgabe sind zweckgebunden und sollen dem Hilfsprogramm UNITAID zur Beschaffung von Medikamenten dienen. Schweden hat seit dem 01.08.2006 eine Flugticketabgabe in Höhe von 10 Euro auf innereuropäische bzw. 20 Euro auf Langstreckenflüge eingeführt. In Großbritannien wird eine Passagiergebühr erhoben, die von Fluggästen zu zahlen ist und bis zu 120 Euro beträgt (APD- Air Passenger Duty). Nach Protesten vieler Flugpassagiere gegen die APD-Gebühr will die neue Regierung in Großbritannien die Abgabe überarbeiten und nicht Flugpassagiere, sondern Flugzeugbetreiber mit der Abgabe belasten.
Nach den Niederlanden, Frankreich, Schweden und Großbritannien zauberte die deutsche Regierung zu Beginn des Jahres 2010 eine Flugticketsteuer hervor. Die neue Luftverkehrsteuer wird in Deutschland bereits seit dem 01. September 2010 für alle Flugbuchungen erhoben, die Abflüge von deutschen Flughäfen im Jahr 2011 oder später umfassen. Der Gesetzentwurf kann kostenfrei und im Volltext auf der Gesetzesdatenbank des Reise-Recht-Wiki eingesehen werden. Die neu eingeführte Luftverkehrsteuer wurde erwartungsgemäß kritisiert. Die Luftverkehrsabgabe verstieße gegen das Grundgesetz und gegen europäisches Recht. Warnungen vor massiven Arbeitsplatzverlusten, Wettbewerbsnachteilen deutscher Fluggesellschaften und dem Ende deutscher Luftdrehkreuze wurden vorgebracht. Die Ticketsteuer würde massive Abwanderungen zu Flughäfen ins benachbarte Ausland auslösen. Sogar die spanische Tourismusministerin Joana Barceló der Balearen hat bei der Bundesregierung gegen die Luftverkehrsteuer protestiert.
Da die Steuerhoheit des deutschen Gesetzgebers lediglich Rechtsvorgänge in Deutschland umfasst, wird die Luftverkehrsteuer exklusiv für Abflüge von deutschen Flughäfen erhoben. Die Luftverkehrsteuer ist eine Rechtsverkehrsteuer, das bedeutet, sie knüpft an den "Rechtsvorgang" Abflug an, der besteuert wird und nicht an die Person oder den wirtschaftlichen Erfolg. Der Steuersatz ist gestaffelt und hängt von der Entfernung des Zielflughafens zum Flughafen Frankfurt am Main in Deutschland ab. Abflüge im Rahmen eines Inlandsfluges werden mit 8 Euro pro Ticket und Flugstrecke zuzüglich 19% Umsatzsteuer besteuert. Das bedeutet, dass die Steuer im Rahmen eines Inlandsfluges sowohl für Hinflug, als auch für den Rückflug anfällt, da grundsätzlich jeder Abflug von einem deutschen Flughafen besteuert wird. Europäische Mittelstreckenflüge bis 2.500 Kilometer Entfernung von Frankfurt am Main und Flüge nach Nordafrika werden ebenfalls mit 8 Euro für den Hinflug besteuert. Besteuert wird jedoch nur der Abflug ab Deutschland und nicht der "Rückflug" (steuerrechtlich genauer: der Abflug von einem ausländischen Flughafen nach Deutschland). Zudem gilt für grenzüberschreitende Flugbeförderungen im Rahmen des gewerblichen Personenflugverkehrs die Umsatzsteuerbefreiung gem. §26 Abs. 3 UStG, so dass bei innereuropäischen Flügen mit Grenzüberschreitung keine Umsatzsteuer anfällt. Transitflüge werden in der Regel nicht besteuert. Wer in Deutschland lediglich umsteigt und nach dem Umstieg von einem deutschen Flughafen abfliegt bzw. weiterfliegt, ist von der Luftverkehrsteuer befreit. Dauert die Flugunterbrechung bei Mittelstreckenflügen jedoch länger als 12 Stunden bzw. bei Langstreckenflügen länger als 24 Stunden, fällt die Luftverkehrsteuer nachträglich an. Dies gilt nicht, wenn der mehr als zwölfstündige Aufenthalt Folge einer Notlandung, eines unerwarteten Streiks oder eines technischen Defekts am Flugzeug ist.
Zur Kritik an der Luftverkehrsteuer, vergleiche Beispiele absurder Ergebnisse der Luftverkehrsteuererhebung im Beitrag der Kanzlei Bartholl, München. Die häufigsten Kritikpunkte in dem Antrag der Länder Rheinland-Pfalz, Berlin, Brandenburg zum Entwurf eines Haushaltsbegleitgesetzes 2011 (HBeglG 2011) und bezüglich der Luftverkehrsteuer waren, dass die Konzeption der Luftverkehrsteuer gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes verstößt. Zudem verstieße das Besteuerungsmodell gegen das Nichtbesteuerungsprivileg für Umsteiger. Weiter seien die Regelungen in §§1, 5 und 11 LuftVStG teilweise nicht hinreichend bestimmt. Die Regelungen widersprächen der Wesentlichkeitsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.
Es ist ökologisch sinnvoll, Anreize zum energiesparenden Verhalten von Kraftstoffen zu setzen. Der Ansatz, die Luftfahrt stärker an den verursachten Kosten für die Allgemeinheit und die Umwelt zu beteiligen, ist nachvollziehbar und richtig. Die ökologische Komponente und umweltbezogene Lenkungsfunktion der Luftverkehrsteuer scheint jedoch ein Lippenbekenntnis zu sein. Die Deutschen sind Reiseweltmeister. Das weckt Begehrlichkeiten, selbst oder gerade der Regierung im eigenen Lande. Wenn ökologische Gesichtspunkte tatsächlich eine Motivation spielten, fragt sich, wieso die Luftfracht von der neuen Steuer ausgenommen worden ist. In der Luftfracht werden die ältesten und lautesten Maschinen eingesetzt, die zudem am meisten Sprit verbrauchen. Die Bundesregierung behauptet, dass die positiven Auswirkungen der Luftverkehrsteuer auf die Umwelt durch eine geringere Nachfrage nach Flugbeförderungen und die Einführung emissionsärmerer Antriebssysteme erzielt würden. Dass reisewillige Passagiere wegen 8 Euro Luftverkehrsteuern von einem Flug absehen, erscheint zweifelhaft. Die Luftverkehrsteuer in ihrer jetzigen Normierung ist kein wirkungsvolles Instrument, um negative Umwelteffekte des Luftverkehrs zu bekämpfen.
Die wahren Beweggründe der Bundesregierung, die Luftverkehrsteuer zu kreieren, finden sich versteckt unter der irreführenden Überschrift "Nachhaltigkeit" im Gesetzentwurf: "Durch das Vorhaben werden [...] Einnahmen für den Bundeshaushalt erzielt, die den Bundeshaushalt entlasten. Das Vorhaben entspricht damit einer nachhaltigen Entwicklung, da es zur Sicherung finanzieller Gestaltungsspielräume künftiger Generationen beiträgt". Nach der Logik der Bundesregierung ist die Luftverkehrsteuer 'nachhaltig', weil mit den Steuereinnahmen aus der Luftverkehrsteuer der Bundeshaushalt entlastet würde. Aus fiskalischen Gesichtspunkten ist die Steuer zumindest einträchtig. Unter Berücksichtigung einer Verschuldung von etwa 1,7 Billionen Euro und ca. 200 Milliarden Euro neuer Schulden pro Jahr, dürften die Einnahmen aus der Luftverkehrsteuer von ca. einer Milliarde so eben für die Zahlung der Zinslasten des Bundes von drei Tagen im Jahr dienen. Inwieweit die Einnahmen ökologische und klimapolitische Akzente setzen, dürfte zu hinterfragen sein.
Die Luftverkehrsteuer ist eine Bundessteuer und versickert somit direkt in den Haushaltslöchern des Fiskus. Wie alle Bundessteuern sind die Einnahmen nicht zweckgebunden. Die Luftverkehrsteuer ist demnach genauso ökologisch wie die Kaffeesteuer, die Schaumweinsteuer oder jede andere Steuer, deren Aufkommen in die Kassen des Bundes fließen. Unter dem Deckmantel ökologischer und nachhaltiger Motive wird versucht, eine weitere Einnahmequelle für den Bundeshaushalt zu schaffen. Die Bundesregierung bedient sich völlig ungeniert und offenkundig bei der schwächsten und hilflosesten Gruppe in der Luftfahrt- den Flugpassagieren. Im Gesetzesentwurf fordern die Ministerialbeamte die Airlines geradezu auf, sich beim Fluggast schadlos zu halten, wenn es dort heißt: "Es ist davon auszugehen, dass die Luftverkehrsteuer regelmäßig auf die Flugpreise aufgeschlagen und somit direkt an den Fluggast weitergegeben wird".
Die unmethodische Steuerregulierung des Luftverkehrs in Europa und insbesondere in Deutschland ist nicht mehr zeitgemäß. Obwohl Fliegen eine der umweltschädlichsten Fortbewegungen darstellt, tanken Lufthansa, Air France, British Airways & Co. steuerfrei. Fluggesellschaften sind im Rahmen des gewerblichen Personenflugverkehrs gem. §4 Abs. 1 Ziff. 3 lit. a Mineralölsteuergesetz von der Mineralölsteuer befreit. Während bei jedem Brötchenkauf die Umsatzsteuer anfällt, sind grenzüberschreitende Flugbeförderungen von der Umsatzsteuer befreit. Direkte und indirekte Subventionen der Flughäfen und der Flugsicherung bilden die Spitze der Skurrilitäten der Luftfahrtbranche. Die Cateringtochter LSG Sky Chefs der Deutschen Lufthansa kassierte noch im Jahre 2008 Agrarsubventionen im Werte von knapp 100.000 Euro für Bordmahlzeiten. Doch damit nicht genug: Der Bordverkauf der bereits subventionierten Speisen und Getränke ist wiederum umsatzsteuerbefreit. Die chaotische Steuerregulierung der einstigen hoheitlichen Luftfahrtbranche ist durch eine einheitliche internationale, zumindest jedoch europäische, Besteuerung zu regeln. Da die Kerosinsteuererhebung einzelner Mitgliedstaaten durch das Mitführen von zusätzlichem Treibstoff, sog. "Tankering" oder dem sog. "Tanktourismus" von den Fluggesellschaften leicht umgangen werden kann, werden die einzelstaatlichen positiven Umweltbemühungen zunichte gemacht. Es bedarf erhöhter Anstrengungen der Regierungen der EU-Mitgliedstaaten, um eine einheitliche EU-weite Besteuerung durchzusetzen. Ein Lösungsansatz wäre, die Kerosinsteuererhebung steuerrechtlich an den tatsächlichen Kerosinverbrauch zu koppeln.
Die Einführung der Luftverkehrsteuer in Deutschland mit der Begründung, umweltgerechtes Verhalten zu fördern und klimaschutzpolitische Akzente zu setzen, ist Augenwischerei. Die Steuererhebung hat rein fiskalische Gründe und soll Einnahmen für den Bundeshaushalt erzielen. Der ökologische Anstrich der Luftverkehrsteuer soll hehre Motive nahelegen. Eine couragierte Bundesregierung hätte die Chance ergreifen können, sich für eine europaweite einheitliche Besteuerung der Luftfahrtbranche stark zu machen. Sogar die Ausschüsse des Bundesrates kritisierten (vgl. Seite 6 der Empfehlungen der Ausschüsse des Bundesrates), dass auf Grund der Ausgestaltung dieser Luftverkehrsteuer keine oder nur eine geringe umwelt- und verkehrspolitische Steuerungswirkung zu erwarten ist. Der Bundesrat bat die Bundesregierung, in einem nächsten Schritt die Luftverkehrsteuer so umzugestalten, dass sie entsprechende Anreize für die Reduzierung von Treibstoffverbrauch und Emissionen schafft.
Die Kanzlei Bartholl stellt auf ihrer Webseite Antworten zu den häufigsten Fragen und erklärende Beispiele zur Verfügung. Die ”FAQ zur Luftverkehrsteuer” können unter der Webseite ra-janbartholl.de eingesehen werden.
Rechtsanwalt Jan Bartholl Ansprechpartner im Reiserecht, Flug- und Luftverkehrsrecht
Die Rechtsanwaltskanzlei Bartholl berät Verbraucher, Reisende und Flugpassagiere zu Rechtsfragen über das gesamte Rechtsgebiet des Reise-, Flug- und Luftverkehrsrechts. Unter der Webseite der Kanzlei finden sich aktuelle Berichte und Informationen zu Themen wie: Fluggastrechte in Europa, Koffer weg- was kann ich tun?, Wie mache ich meine Ansprüche gegen Reiseveranstalter optimal geltend?, Gepäckverlust, Flugverspätung, Flugannullierung und die rechtlichen Folgen. Die Adresse lautet www.ra-janbartholl.de. Rechtsanwalt Jan Bartholl betreut Mandanten über juristische Details hinaus, erörtert mit jedem Kunden gemeinsam die Möglichkeiten im konkreten Einzelfall und prüft die weitere Vorgehensweise. Die Arbeit der Kanzlei Bartholl in Münster basiert auf Vertrauen, Diskretion und Verbindlichkeit.
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