Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 23. Juni 2010 den jahrzehntelang praktizierten Grundsatz „Ein Betrieb – ein Tarifvertrag“ aufgehoben. Mit Bezug auf den Artikel 9 Abs. 3 des Grundgesetzes können nun mehrere Tarifverträge mit verschiedenen Gewerkschaften in einem Unternehmen gelten.
(firmenpresse) - Die DGFP bekennt sich vorbehaltlos zum Grundrecht der Koalitionsfreiheit und zum deutschen System der betrieblichen und überbetrieblichen Sozialpartnerschaft. Das System der Sozialpartnerschaft stabilisiert seit Jahrzehnten Märkte und Unternehmen und leistet dadurch einen wichtigen Beitrag für die wirtschaftliche Entwicklung unserer Unternehmen und die Stabilität der deutschen Volkswirtschaft. Deshalb darf sie in ihrer Substanz nicht angetastet werden.
Die aktuelle Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat eine Rechtsunsicherheit zur Folge und ermöglicht dadurch Entwicklungen, die diesen wirtschaftsförderlichen tariflichen und sozialen Frieden riskieren. Aus Sicht des betrieblichen Personalmanagements
ebnet sie den Weg für eine Zersplitterung der Tariflandschaft in kleine Klientelgewerkschaften, die partikulare Interessen einzelner Mitarbeitergruppen deutlich in den Vordergrund rücken,
hat sie die Gefährdung des Tariffriedens und eine Vervielfachung von Arbeitskämpfen zur Folge – mit betrieblichen und gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen und negativen volkswirtschaftlichen Effekten,
führt sie in unseren Unternehmen durch einen zunehmenden Verhandlungsaufwand und steigende Entgeltforderungen zu einer unverhältnismäßigen Steigerung der Personalkosten.
Die Tarifpluralität ist ein Faktum, mit dem sich unsere Unternehmen zukünftig verstärkt arrangieren müssen. Dabei muss der Grundsatz gelten, allen tariffähigen Koalitionen eine faire Chance zur Teilhabe am Tarifgeschehen zu ermöglichen.
Die negativen Wirkungen der BAG Entscheidung lassen sich allerdings nur begrenzt durch Maßnahmen eines professionellen Personalmanagements wie faire und transparente Personalprozesse und eine konstruktive Gestaltung der Sozialpartnerschaft kompensieren. Entscheidend ist, dass der Gesetzgeber Spielregeln für die Interessendurchsetzung in einer veränderten Tariflandschaft fixiert.
Konkret fordern wir vom Gesetzgeber,
Voraussetzungen dafür zu schaffen, das politisch bewährte Quorum-Prinzip auf die Sozialpartnerschaft anzuwenden: Durch einen definierten Schwellenwert in Bezug auf die Gesamtbelegschaft müssen – entsprechend der politisch üblichen Fünfprozent-Hürde – die Möglichkeiten der Interessendurchsetzung von Spartengewerkschaften geregelt werden. Das kann auch – wie BDA und DGB es fordern – durch Festschreibung des Mehrheitsprinzips bei der Anwendung mehrerer Tarifverträge unterschiedlicher Gewerkschaften geschehen: Der Tarifvertrag ist anzuwenden, an den die Mehrzahl der Gewerkschaftsmitglieder im Betrieb gebunden ist. So kann in bundesrepublikanischer, demokratischer Tradition sichergestellt werden, dass eine kleine gewerkschaftlich organisierte Mitarbeitergruppe keine Interessenpolitik auf Kosten der Mitarbeitermehrheit im Unternehmen machen kann.
das Prinzip der Verhältnismäßigkeit von Minoritätsinteressen und kollektiven Folgen neu auszurichten: Die Interessendurchsetzung einer gewerkschaftlich organisierten Minorität ist dann einzuschränken, wenn die volkswirtschaftlichen Konsequenzen nicht tragbar sind und wenn die Wirtschaftlichkeit eines Unternehmens gefährdet wird.
Handlungsoptionen für außergerichtliche Einigungen zwischen Arbeitgeber und Gewerkschaften zu schaffen: Im Arbeitskampfrecht müssen Möglichkeiten für vorgeschaltete Schlichtungsverfahren verankert werden.
Nur Waffengleichheit zwischen Unternehmen und Gewerkschaften bietet die Chance für ausgewogene Tarifverträge und faire Kompromisse. Fest steht: Wieder alles den Gerichten zu überlassen, bedeutet anhaltende Unsicherheit und Unfrieden. Der Gesetzgeber ist gefordert, das Thema tabufrei aufzunehmen und zukunftsweisende Lösungsansätze zu entwickeln. Die beschriebenen Spielregeln für tarifliche Auseinandersetzung weisen in diese Richtung, zumal andere Länder damit bereits positive Erfahrungen gemacht haben.
Seit 1952 vereinigt die Deutsche Gesellschaft für Personalführung e.V. (DGFP) Personalverantwortliche aus Unternehmen, Wissenschaft und Beratung zu der unabhängigen Fachvereinigung für das Personalmanagement. Mit über 2.000 Mitgliedern bündelt und entwickelt die DGFP zukunftsweisende Lösungsansätze zur nachhaltigen Professionalisierung des Personalmanagements. Mit ihren Mitgliedsunternehmen repräsentiert die DGFP über 43.000 Personalverantwortliche, die für über 11 Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland Personalmanagement gestalten. Regelmäßig organisiert die DGFP bundesweit 125 Erfahrungsaustausch-Gruppen mit über 4.000 aktiven Personalentscheidern und bietet die qualifizierte Weiterbildung der Fach- und Führungskräfte in Personalmanagement, Personalführung und persönliche Selbstkompetenzen an.