(ots) - Pressemitteilung
Nichtlizenzierung von Verkaufsverpackungen nimmt dramatische
Ausmaße an - Zwei Millionen Tonnen Verkaufsverpackungen bei den
dualen Systemen nicht angemeldet - Nur fünf Bundesländer nutzen die
Vollzugsmöglichkeiten im Milliarden-Recyclingmarkt aus - Niedersachen
ist erneut Schlusslicht beim Vollzug der Umweltgesetzgebung
Hersteller von verpackten Produkten sind gesetzlich verpflichtet,
die von ihnen in Verkehr gebrachten Verpackungen zu sammeln und zu
verwerten. Sie müssen Verkaufsverpackungen, die bei privaten
Verbrauchern als Verpackungsmüll anfallen, bei den neun bundesweit
tätigen dualen Systemen lizenzieren. Doch Theorie und Praxis klaffen
weit auseinander: Ein Drittel der Verpackungen - zwei Millionen
Tonnen - sind nicht beim Recyclingsystem der dualen Systeme
angemeldet.
Das hat verheerende Folgen für den Umwelt- und Ressourcenschutz -
und wird von den Vollzugsbehörden in den meisten Bundesländern
stillschweigend hingenommen. Nur die fünf Länder Bayern,
Rheinland-Pfalz, Sachsen, Berlin und Thüringen kontrollieren die
umweltgerechte und ordentliche Umsetzung der Verpackungsverordnung
zumindest ausreichend. Die anderen Bundesländer setzen die
Verpackungsverordnung entweder nur unzureichend um oder unterlassen
wie Klassenletzter Niedersachsen praktisch jede Anstrengung. "Mit dem
Wegsehen und Nicht-Kontrollieren der Verpackungsverordnung billigen,
ja fördern die Behörden geradezu das Downcycling und die Verbrennung
von wertvollen Sekundärrohstoffen", sagte Jürgen Resch,
Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe e.V. (DUH). Die
Nicht-Lizenzierung von Verpackungen verschlechtere das Recycling, da
die dualen Systeme die vorgeschriebenen Mindest-Recyclingquoten auf
Basis der lizenzierten Verpackungsmenge berechnen und lediglich die
gesetzlich geforderten Mindestquoten erfüllt werden müssen. Mit
anderen Worten: Je kleiner die Lizenzmenge ist, desto weniger
Wertstoffe werden recycelt.
"Bislang hat die Vollzugskontrolle dieses Milliardenmarktes
komplett versagt. Das Risiko, beim Betrügen erwischt zu werden, geht
gegen Null. Es ist daher wenig überraschend, dass Unternehmen mit
immer neuen Tricks und juristischen Winkelzügen sich der
Verpflichtung eines hochwertigen Erfassens und Recycelns von
Verpackungen entziehen und sogar das Risiko eines Betrugs in Kauf
nehmen", sagte Resch.
Unternehmen, die Verpackungen gar nicht, unvollständig oder nicht
korrekt lizenzieren, handeln ordnungswidrig. Da sie damit jedoch
relativ hohe Kosten einsparen können und das Risiko, von den
Kontrollbehörden ertappt zu werden, bislang gering war, nehmen
etliche Unternehmen dieses Risiko in Kauf. Die Zahlen sprechen für
sich: Nach Schätzungen der Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung
fallen in Deutschland jährlich rund 2,2 Mio. Tonnen Glasverpackungen,
1,7 Mio. Tonnen Papierverpackungen und 2,0 Mio. Tonnen
Leichtverpackungen in den Haushalten an. Im Vergleich zu den
Verpackungsmengen, die bei den dualen Systemen für das Jahr 2010
gemeldet sind, werden rund 226.000 Tonnen Glasverpackungen (10
Prozent), 882.000 Tonnen Papierverpackungen (51 Prozent) und 925.000
Tonnen Leichtverpackungen (46 Prozent) offensichtlich nicht
lizenziert. Gegenüber 2009 hat sich die Situation damit weiter
verschlechtert.
Die Behörden machen es den Unternehmen in vielen Bundesländern
sehr leicht, Verpackungen am Gesetz vorbei zu mogeln. Bei einer
Umfrage unter den Landesumweltministerien hat die DUH große
Unterschiede bei der Kontrolle festgestellt. Abgefragt wurde u.a. wie
die Bundesländer die von den Unternehmen hinterlegten Daten in den
sog. Vollständigkeitserklärungen kontrollieren. In den
Vollständigkeitserklärungen geben Unternehmen die Mengen der
verwendeten Verpackungsmaterialien und deren Entsorgung an.
Bayern, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Berlin und Thüringen führen das
Ranking der Bundesländer an. Die Top 5 nutzen die
Vollzugsmöglichkeiten und überwachen die Umsetzung der
Verpackungsverordnung. In Sachsen und Berlin werden alle hinterlegten
Vollständigkeitserklärungen geprüft, Bayern und Rheinland-Pfalz
prüfen immerhin bis zu 50 Prozent. Bayern, Rheinland-Pfalz und
Sachsen unternehmen neben einer Plausibilitätsprüfung auch
inhaltliche Prüfungen der hinterlegten Vollständigkeitserklärungen.
Alle Top 5 Bundesländer verfolgen aktiv gemeldete und festgestellte
Verstöße der Verpackungsverordnung. "Die Tatsache, dass einzelne
Bundesländer in der Lage sind, die Einhaltung der Regelungen in der
Verpackungsverordnung zu kontrollieren, zeigt, dass ein Vollzug
möglich ist. Es ist eine Frage der Prioritätensetzung - und die
scheint in einigen Bundesländern nicht zu stimmen", sagte Maria
Elander, Leiterin Kreislaufwirtschaft der DUH. Die DUH hält aber auch
strukturelle Verbesserungen der Kontrollmöglichkeiten der
Bundesländer für erforderlich. Dazu gehören u.a. automatische
Auswertungs- und Abgleichmöglichkeiten der beim Deutschen Industrie-
und Handelskammertag (DIHK) von Herstellern und Systembetreibern
hinterlegten Daten.
Die letzten Plätze des Länderrankings belegen Hessen, Hamburg,
Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen. Die
Umweltministerien in Hessen, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen sind
grundsätzlich nicht in der Lage bzw. Willens, Auskünfte zum Vollzug
der Verpackungsverordnung zu geben. Weder haben sie einen Ãœberblick
über den Umfang oder die Art der womöglich durchgeführten Kontrollen,
noch wissen sie, ob oder wie konkrete Hinweise auf Verdachtsfälle von
den zuständigen Kontrollbehörden verfolgt und ggf. geahndet werden.
So wurde beispielsweise in Hessen in 111 Fällen der Verdacht eines
Verstoßes gegen § 10 der Verpackungsverordnung von Marktteilnehmern
geäußert und vom Ministerium an die zuständigen Regierungspräsidien
weitergeleitet. Das Ministerium hat allerdings keine Kenntnis
darüber, was aus den gemeldeten Fällen möglicher Verstöße überhaupt
geworden ist.
Niedersachsen fällt in Sachen Vollzug der Umweltgesetzgebung als
schlechtestes Bundesland auf und belegt den letzten Platz des
Länderranking. Auf die insgesamt 16 Fragen der DUH antwortete das
Niedersächsische Ministerium für Umwelt und Klimaschutz elf Mal, dass
die erbetenen Informationen dem Ministerium nicht vorlägen. Es wurde
zumeist auf die Zuständigkeit der unteren Abfallbehörden verwiesen.
"Es ist völlig inakzeptabel, dass das niedersächsische
Umweltministerium nicht weiß und offensichtlich auch nicht wissen
will, wie die Umweltgesetzgebung umgesetzt wird", sagte Resch. Es
gehöre zur Verantwortung einer oberen Umweltbehörde zu wissen, welche
Regelungen wie und wie oft kontrolliert werden.
Eine ausführliche Darstellung der DUH-Umfrage zum Vollzug der
Verpackungsverordnung in den Bundesländern sowie weitere
Hintergrundinformationen finden Sie unter
http://www.duh.de/pressemitteilung.html?&tx_ttnews[tt_news]=2459.
Pressekontakt:
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer, Deutsche Umwelthilfe e.V.,
Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Mobil.: 0171 3649170, resch(at)duh.de
Maria Elander, Leiterin Kreislaufwirtschaft, Deutsche Umwelthilfe
e.V., Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Tel.: 030 2400867-41, Mobil:
0160 5337376, elander(at)duh.de
Ulrike Fokken, Sprecherin Politik & Presse, Deutsche Umwelthilfe
e.V., Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Tel.: 030 2400867-86, Mobil:
0151 55017009, fokken(at)duh.de