(ots) - Staatsfeind Nummer eins
Er habe keine Feinde, sagt Liu Xiaobo. Dennoch behandelt die
Volksrepublik China den friedlich, nur mit der Macht des Wortes
kämpfenden Publizisten, als wäre er der Staatsfeind Nummer eins. Ein
größeres Armutszeugnis hätten sich die kommunistischen Machthaber
nicht ausstellen können.
Wirtschaftlich und technologisch macht China gigantische Sprünge
nach vorne, von einem freiheitlichen und demokratischen Rechtsstaat
ist es dagegen noch meilenweit entfernt. Statt Größe zu
demonstrieren, zeigt sich das Regime von seiner hässlichsten Seite:
klein und ängstlich um den Machterhalt bangend. Das Erstaunlichste
daran ist der Zeitpunkt. Längst haben Satelliten-Fernsehen, Internet
und Globalisierung die Welt zum Dorf gemacht. Die wirtschaftlichen
Verflechtungen sind unauflöslich geworden, Informationen lassen sich
nicht mehr unterdrücken. Dennoch meint das Regime in Peking, wie in
alten Zeiten Zensur ausüben zu können - einfach lächerlich.
Hinzu kommt: Die Schüsse gegen die Opposition werden nach hinten
losgehen. Indem sie Liu Xiaobo inhaftierte und sogar einen Vertreter
an der Entgegennahme des Friedensnobelpreises hinderte, erregte die
Führung in China die Aufmerksamkeit der ganzen Welt. Sich selbst
leistete sie damit einen Bärendienst, der Demokratiebewegung lieferte
sie indessen mit dem Foto des leeren Stuhls in Oslo ein neues
aufsehenerregendes Symbol.
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