(ots) - Weinerlicher Provokateur
Nicht nur Erbauliches lag in diesem Jahr unterm Weihnachtsbaum.
Zehntausende von Beschenkten packten ein höchst umstrittenes Buch
aus: "Deutschland schafft sich ab". Thilo Sarrazin gelang mit diesem
Titel ein doppelter Erfolg: Erstens wurde er damit zum mehrfachen
Millionär. Und zweitens befeuerte er eine überfällige breite
öffentliche Diskussion über Einwanderung aus muslimischen
Kulturkreisen und die Integration der Millionen von Migranten in der
Bundesrepublik. Unzählige Streitgespräche entbrannten, Zahlen und
Fakten wurden analysiert, was den allgemeinen Wissensstand extrem
mehrte.
Damit enden aber auch schon die Verdienste des Buchautors. Denn er
beließ es nicht bei einer Darstellung der Probleme, sondern wagte
eine Vorhersage, wann "muslimische Migranten" angesichts ihrer
Geburtenrate die Mehrheit der Bevölkerung stellen könnten. Das ist
freilich hochgradig spekulativ - schon allein deshalb, weil
Geburtenraten sich verändern, je länger Einwandererfamilien in
Deutschland leben.
Ob nun gewollt oder nicht: Sarrazin spielt an dieser Stelle mit
Überfremdungsängsten, wie sie am rechten politischen Rand gepflegt
werden. Und er darf sich dementsprechend nicht wundern, wenn ihm
scharfe Kritik entgegenschlägt. Der weinerliche Ton, den er jetzt
anschlägt, ist völlig unangebracht. Wer auf Provokation aus ist, darf
sich über heftige Reaktionen nicht wundern. Jetzt ist es an der Zeit,
wieder mehr Sachlichkeit einkehren zu lassen. Ob mit oder ohne
Sarrazin: Die Debatte über Integration muss weitergehen.
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