PresseKat - Börsen-Zeitung: Gan bei! Gan bei! Kommentar zum Jahresschluss von Claus Döring

Börsen-Zeitung: Gan bei!



Gan bei!

Kommentar zum Jahresschluss von Claus Döring

ID: 322225

(ots) - Champagnerlaune überall. Jedenfalls in
Deutschland. Das Jahr 2010 endet mit einem Wirtschaftswachstum von
vermutlich 3,7%, die Zahl der registrierten Arbeitslosen liegt unter
3 Millionen, die Beschäftigung mit 41 Millionen auf Rekordhöhe. Die
deutsche Industrie meldet Kapazitätsauslastungen und Auftragsbestände
wie lange nicht mehr, die Gewinne sprudeln. Dank robuster
Innenfinanzierungskraft ist der Begriff "Kreditklemme" aus dem
Unternehmensvokabular verschwunden.

Die schnelle Erholung der sogenannten Realwirtschaft hat den
Banken beim mühsamen Aufstieg aus tiefem Tal geholfen und neue
Belastungen vermieden. Alte Belastungen wurden aus den Büchern
genommen und - zumindest hierzulande - so geschickt umverteilt, dass
der Steuerzahler es erst in späteren Jahren spüren wird. Am
Eigenkapitalmarkt hat der Dax im zweiten Jahr in Folge zweistellig
zugelegt und die meisten anderen Aktienmärkte westlicher
Industriestaaten geschlagen. Der innere wie auch der äußere Wert des
Euro ist stabil und die im Jahresvergleich leichte Abwertung von 10%
gegenüber dem Dollar eine willkommene Unterstützung der deutschen
Exportwirtschaft.

Genießen wir den Moment, denn der Wermutstropfen im Glas der
Freude ist abzusehen: 2011 wird nicht mehr so prickelnd. Das Wachstum
in Deutschland, aber auch weltweit, wird sich abschwächen. Die Kosten
für Arbeit und Kapital werden steigen, die Margen schrumpfen, der
binnenwirtschaftliche Boom läuft langsam aus. Die Risiken werden
größer. Denn die Wachstumstreiber sind neben dem Inland nur wenige
Auslandsmärkte. Die Wirkung der von den Regierungen und Notenbanken
verabreichten Drogen in Form von billigem Geld und
Konjunkturprogrammen wird nachlassen. In den USA mögen die
Steuersenkungen konjunkturell noch über die erste Jahreshälfte 2011
hinwegretten. Doch irgendwann kommt der Entzug, helfen auch die




stärksten staatlichen Dopingmittel nicht mehr, zumal sie auch
finanziert werden müssen. Schon heute ist die Staatsverschuldung in
den USA ein viel gravierenderes Problem als in Europa. Die Aufregung
um den Euro, oder besser: um die Staatsfinanzen in einigen
Euro-Ländern, hat davon abgelenkt.

Parallel dazu hat die Abhängigkeit der kapitalistischen USA von
ihrem Finanzier, dem kommunistischen China, eine beunruhigende
Größenordnung angenommen. Der vor zwei Jahren verstorbene
amerikanische Politikwissenschaftler Samuel P. Huntington hat mit
seiner Theorie vom "Clash of Civilizations" eine Konfrontation der
beiden Weltmächte zwar prognostiziert, die ökonomische Komponente
aber weit unterschätzt. Dass sich der "Clash" bisher eher auf
Nebenschauplätzen wie der Friedensnobelpreisverleihung und nicht auf
dem Devisenmarkt abspielt, ist der mit zunehmendem Schuldenstand
überproportional wachsenden Abhängigkeit des Gläubigers vom Schuldner
zu verdanken.

Die angestrebte Diversifizierung der chinesischen Devisenreserven
wird dem Euro, vielleicht sogar einzelnen Euro-Ländern, kurzfristig
helfen. Langfristig wird die Gemeinschaftswährung sich neben dem
Dollar als Reservewährung nur behaupten, wenn die Stabilitätskultur
erhalten bleibt und vertrauenswürdige, von der Tagespolitik
unabhängige Institutionen über den Wert des Euro wachen.

Vom Erfolg der Währungsunion wird abhängen, ob Europa politisch
und ökonomisch in der multipolaren Weltordnung von morgen noch eine
Rolle spielt. Am meisten steht dabei für Deutschland auf dem Spiel,
denn es profitiert vom Asien-Boom wie kein anderes Land in Europa -
weil deutsche Produkte in China so gefragt sind, deutsche Unternehmen
so nachhaltig Geschäftsbeziehungen pflegen und Deutschland
geopolitisch so unbedeutend ist. Stoßen wir darauf an: Gan bei! Und
vergessen wir nicht, dass man im Sinne des eigenen Wohlergehens bei
diesem "Prost" gegenüber Chinesen sich in Vorsicht üben sollte. Denn
es heißt zugleich: Leere das Glas!



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Datum: 30.12.2010 - 18:20 Uhr
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