(ots) - Nicht nur mit Wettervorhersagen kann man daneben
liegen. Immerhin die Bundeskanzlerin persönlich sagte genau vor einem
Jahr voraus, die tiefgreifende Wirtschaftskrise werde noch lange
dauern. Kurz danach setzte ein ebenso wunderbarer wie wundersamer
Aufschwung ein. Manchmal kommt es anders, als Regierungs-Frau denkt.
Es gibt eine neue Unberechenbarkeit. An der sind wir selbst als
Wahlbürger beteiligt. Unsere Bereitschaft, per Wahlzettel die Partei
zu wechseln, ist so groß wie zuletzt 1953. Da war das deutsche
Parteiensystem noch dabei, sich zurecht zu ruckeln. Der
Politikwissenschaftler Christoph Seils hat laut "Cicero" in seiner im
Januar erscheinenden Studie "Parteidämmerung" herausgefunden, dass
die SPD nur noch 11, die CDU noch 18 Prozent Stammwähler hat. Es
handelt sich um einen Trend, der in den 80er Jahren eingesetzt hat.
Damals kamen die Grünen auf - heute kann sich jeder Dritte
vorstellen, sie zu wählen. Eine Wohlfühl-Partei mit hoher
Moral-Tonlage ist inzwischen Trendsetter. Darüber muss man sich
wirklich nicht wundern. Das Positivste, was man über Schwarz-Gelb
noch sagen kann, lautet: Dieses Bündnis inspiriert nicht. Das gilt
allerdings gleichermaßen für die SPD. Und auch das ist nicht neu.
Dass die Sozialdemokratie langweilig geworden war, wusste Gerhard
Schröder schon 1997, ein Jahr, bevor er den Versuch startete, mit ihr
ohne sie zu regieren. Die Alt-Parteien haben ihren Kredit begonnen
aufzuzehren, lange bevor der "Spiegel"-Autor Kurbjuweit im Oktober
den "Wutbürger" erfand, ein ziemlich unbürgerliches,
verantwortungsloses, egoistisches, arg altes, kurzum: reichlich
hässliches Wesen, das neue Bahnhöfe und alte Kraftwerke nicht mag.
Wenn diese Interpretation stimmt, ist die gewachsene Unzufriedenheit
der Bürger mit ihren Parteien (zum neuen Star wurde ein adliger
Seiteneinsteiger !) eine Begleiterscheinung unserer
Wohlstandsrepublik. Unterm Strich geht es uns ja nicht schlecht. Das
ist die gute Nachricht. Deren Kehrseite: Regierungen können uns
nichts mehr recht machen. Also tauschen wir sie schneller aus als
früher. Fazit: Die Abkehr der Menschen von "ihren" Parteien gefährdet
noch nicht die Demokratie, denn die wichtigsten Parteien kreisen um
die Mitte. Gefährlich wird es erst, falls aus Euro-Überdruss und
Islam-Furcht eine Wut-Partei entsteht. Möge uns das nicht nur 2011
erspart bleiben.
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