(ots) - Parallelen zur Türkei
Tunesiens Lage ist komplexer, als sie auf den ersten Blick
aussieht. Und trotz der aktuellen Bilder ist sie weitaus besser. So
geht es weniger um Proteste von Randgruppen und Rechtlosen, wie man
es bei einem klischeeverzerrten Blick auf den Maghreb vermuten würde.
Sondern eine überdurchschnittlich gebildete und erfolgreiche
Mittelschicht verlangt nach Teilhabe an Wohlstand und politischer
Macht.
Es sieht danach aus, als würde sie die bekommen. Der
Entwicklungsstand ist hoch, unterscheidet sich kaum von manchem
westlichen Land. Einher geht der Wunsch nach Einfluss - ein bekanntes
Muster in der Geschichte, etwa beim Erstarken von Bürgertum und
Arbeiterklasse in Deutschland. Es ist dabei nicht nur Staatspräsident
Zine el Abidine Ben Ali, der es versäumt hat, auf Reformen zu setzen.
Es ist auch und gerade die EU, die nur nach Osten blickte.
Frankreichs Präsident Sarkozy wurde verhöhnt, als er mit seiner Idee
der Mittelmeer-Allianz um Verzahnung warb. Dabei hätte sie geholfen,
Tunesien politisch und wirtschaftlich voranzubringen.
Auch aktuell ist von den Nachbarn nördlich des Meeres wenig zu
vernehmen, um Tunesien zu stützen. Bei solcher Ignoranz darf es nicht
wundern, wenn in islamischen Ländern wenig erfreuliche Strömungen
Zulauf finden. Klar erkennbar sind Parallelen zur Türkei, wo die EU
ähnliche Fehler wiederholt. In Tunesien sollte Europa nun zu retten
versuchen, was zu retten ist, damit die prinzipiell erfreuliche
Demokratisierung nicht in Gewalt stecken bleibt.
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